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Man kann das Buch als Westdeutscher nur zutiefst beschämt und zornig lesen und muß sich immer wieder fragen: Wie können Politiker, Juristen und Medien seit Jahrzehnten den politischen Kampfbegriff »Unrechtsstaat« auf die DDR münzen, ohne sich an die eigene Nase zu fassen, wenn sie unter permanenter Rechtsverletzung die Kommunistenverfolgung des Nazi-Staats mit ungebrochener Bösartigkeit fortsetzen? Was Friedrich Wolff an Beispielen für Unrechtsentscheidungen aus der bundesdeutschen gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Praxis anführt, geht weit über das hinaus, was man selbst als einigermaßen informierter Westdeutscher gewußt hat. Es entsteht das Gesamtbild einer Entrechtung und Unterwerfung der DDR-Bevölkerung, das Zweifel daran zuläßt, ob die heutigen Deutschen sich als Sieger gegenüber Besiegten wesentlich zivilisierter benehmen als die zu Hitlers Zeiten. Wolff zitiert den Ausspruch eines CDU-Abgeordneten: »Wir werden sie nicht in Lager sperren, das haben wir nicht nötig. Wir drängen sie an den sozi-alen Rand.« Und sagt in anderem Zusammenhang: »Die Justiz folgte dieser Politik wie der Hund seinem Herrn.« Das Buch gibt einen Rückblick auf Geschichte, der sich anders liest als gängige Geschichtsklitterungen, die nur zwei deutsche Diktaturen kennen und miteinander vergleichen: den Hitler-Faschismus und die DDR. Eine verleumderische Gleichsetzung, die aber die Basis für die vom einstigen Justizminister Kinkel geforderte »Delegitimierung« der DDR bildete. Auch für die Anfänge der feindlichen Übernahme und den Einigungsvertrag, bei dem die DDR-Bevölkerung durch »eine politische Null«, einen gewissen Herrn Krause, vertreten wurde, findet Wolff klare Worte. Nicht einmal die in diesem Vertrag vereinbarten Rechte von DDR-Bürgern sind später eingehalten worden, wie Wolff darlegt. Ich kann ihm nur vorbehaltlos zustimmen, wenn er die mit der »Überwindung« der DDR herbeigeführte Spaltung der Deutschen in Ossis und Wessis eine Katastrophe nennt. Ich zitiere: »Die Beseitigung des führenden ostdeutschen Personals in Politik, aber auch in Wirtschaft, in den Medien, der Wissenschaft, der Kultur, der Justiz und dessen Ersetzung durch Westdeutsche, häufig der zweiten Garnitur, behandelt Ostdeutschland wie eine Kolonie Westdeutschlands.« Wolff nennt Fakten und Zahlen, die eine alltägliche Demütigung der Ostdeutschen als Menschen zweiter Klasse signalisieren, aber nicht im öffentlichen Bewußtsein der Westdeutschen sind. Wie die neuen Herren mit den Bürgern der DDR umgegangen sind, die sich in ihrer Erwartung, der Kapitalismus habe ein freiheitlicheres System zu bieten, durchaus getäuscht sahen, schildert der Autor an vielen Beispielen, die von einem unglaublichen Mangel an Rechtsgefühl bei den willigen Vollstreckern der antikommunistischen Politikvorgaben zeugen. Wolffs Fazit der strafrechtlichen Abrechnung mit DDR-Bürgern, die ihrem Staat und seinen Bürgern als Richter, als Politiker, als Ärzte, als Grenzschützer oder in anderen Funktionen gedient hatten, lautet: »Die Geschichte der Auseinandersetzung der bundesdeutschen Justiz mit der DDR sowohl vor als auch nach dem Beitritt der DDR zur BRD ist die Geschichte einer politischen Verfolgung mit den Mitteln der Justiz, wie sie in diesem Umfang in Deutschland – abgesehen von der Zeit zwischen 1933 bis 1945 – noch nie stattgefunden hat.« Sehr lesens- und bedenkenswert sind auch die kritischen und ganz konkreten Auseinandersetzungen des Verfassers mit der seit Jahrzehnten in die Köpfe der Westdeutschen getrichterten These vom »Unrechtsstaat« DDR, aus der sich der in politische und gerichtliche Entscheidungen umgesetzte Haß gegen die Menschen erklärt, die diesen Staat als den ihren empfunden und geschützt haben. Wolff belegt an zahlreichen Beispielen, wie unbekümmert um Logik und Konsequenz Juristen die Gesetze strapaziert und sich über elementare völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundsätze, wie das Rückwirkungsverbot und die Staatenimmunität, hinweggesetzt haben, um die dem antikommunistischen Credo entsprechenden politisch erwünschten Entscheidungen verkünden zu können. Ein vernichtendes Urteil über die Gesinnungslage der noch immer herrschenden Juristengeneration, das besonders aufschlußreich ist, wenn sich der Vergleich mit der mildtätigen Justiz gegen Naziverbrecher und Neonazis anbietet. Daß auch die politische Justiz in der DDR kein Ruhmesblatt war, verschweigt Wolff keineswegs, erinnert aber daran, daß politische Justiz in Umfang und Intensität immer von der Gefährdungslage des jeweiligen Staates abhängt und daß die DDR und mit ihr ihre Justiz in 40 Jahren nicht unverändert geblieben sind. Noch ausführlicher hat sich Wolff diesem Thema in seinem nicht minder aufregenden Buch »Verlorene Prozesse 1953 – 1998« (Nomos-Verlag 1999) gewidmet, in dem er seine eigenen Justizerfahrungen in beiden deutschen Staaten geschildert hat. Gerechtigkeit war in beiden deutschen Staaten notleidend. Bei uns ist sie es noch immer. Beide Bücher sind mit bitterer Ironie geschrieben und lassen das verletzte Rechtsgefühl und die Empörung des Autors über das seinen ostdeutschen Landsleuten zugefügte kolonialherrschaftliche Unrecht spüren. Sie sollten zur Pflichtlektüre aller Deutschen in Ost und West gehören. Friedrich Wolff: »Einigkeit und Recht. Die DDR und die deutsche Justiz«, edition ost, 192 Seiten, 12.90 €; ders.: »Verlorene Prozesse 1953 – 1998. Meine Verteidigungen in politischen Verfahren«, Nomos Verlag, 452 Seiten, 28 €
Erschienen in Ossietzky 12/2005 |
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