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Die Banker und Bosse, deren Genosse Schröder doch immer noch sein möchte, halten sich bedeckt und lassen prüfen, ob die Aktie Rot-Grün endgültig abzuschreiben ist. Da sind alte Freunde wie Erhard Eppler, den man in besseren Zeiten gern wegen seiner Frömmelei, seines Moralisierens und seines Habitus eines vom Gewissen getriebenen Elder Statesman belächelte, von unschätzbarem Wert. Schon immer, wenn Schröder und Fischer in rauhe See gerieten, diente sich Eppler als Lotse an – weniger, um das Steuer herumzureißen, als vielmehr um Wind und Wellen mit seinen charismatischen Fähigkeiten zu besänftigen. Besonderes Verdienst erwarb er sich im April 1999, als nach dem völkerrechtswidrigen NATO-Angriff auf Jugoslawien der SPD-Parteitag dem Kanzler die Gefolgschaft für seinen Kriegskurs zu verweigern drohte. Eppler mit dem selbsterzeugten Nimbus eines Friedensaktivisten und tapfereren Christen trat auf die Kanzel, pardon: ans Pult, sprach von einer »tragischen Situation«, in der »man schuldig wird, ganz gleich, was man tut«. Aber, so Eppler, die Regierung Schröder – die sich entschlossen hatte, Bomben auf Belgrad und andere jugoslawische Städte zu werfen – handele »so, daß wir ein bißchen weniger schuldig werden, als wenn wir nichts täten«. Damit verkündete er die Absolution, zu der die Bischöfe beider Kirchen ebenfalls bereit waren (s. Seite 428 in diesem Heft; Red. ). Die Bedenkenträger des SPD-Parteitages ließen sich zu großen Teilen besänftigen, eine komfortable Mehrheit stimmte dem Angriffskrieg zu. Nachdem die Regierung Schröder/Fischer mit dem Krieg gegen Jugoslawien bewiesen hatte, daß sie das vereinigte Deutschland in die »Normalität« der imperialen Staaten zu führen verstand, ging sie daran, auch in der Innenpolitik die von den Bossen der Wirtschaft schon lange geforderten sozial- und wirtschaftspolitischen Radikal-Maßnahmen á la Thatcher oder Reagan einzuleiten. Eichels Steuerreform schaufelte das Geld auf die Konten der Reichen. Es folgten Riester-Rente, Agenda 2010 und Hartzgesetze – immer neue Angriffe auf mühsam im Lauf vieler Jahrzehnte erworbene Arbeits- und Sozialrechte der abhängig Beschäftigten und ihrer Angehörigen, staatlich organisierter Klassenkampf von oben gegen unten – mit Elementen der Kriegsführung auch im Inneren, zum Beispiel gegen Langzeitarbeitslose, Alte, Kranke oder Pflegebedürftige. Eppler wirft jetzt sein Renommee in die politische und publizistische Waagschale, um auch diesen »Reform«-Kurs des Kanzlers abzusichern. Gern veröffentlichte das Kampfblatt für neoliberalen Systemwechsel Der Spiegel noch kurz vor der NRW-Wahl einen Aufsatz von Eppler unter der Überschrift »Die Grenzen des Kanzlers«. Wieder gibt er hier den mutigen protestantischen Bußprediger, der ehrlich die Sünden und Unzulänglichkeiten seiner Regierung benennt – wenn auch höchst selektiv und mit verzerrter Optik: »Die Konjunktur … brach ein« – offenbar handelt es sich bei der Konjunktur um ein Naturereignis, launisch wie das Wetter… Trotz »Steuerreform« und »Sparen«, erklärt der Autor, habe Eichel nicht verhindern können, daß die »Staatsverschuldung … rapide anstieg«. Daß der Staat durch massive Steuersenkungen für die Reichen sich selber seiner Einnahmen beraubt und mit Kaputtsparen zusätzlich Millionen Menschen in die Arbeitslosigkeit getrieben hat, blendet er aus, wie er auch die infolgedessen vermehrte Ausgabe von Staatsschuldtiteln an die Reichen unerwähnt läßt. Mutig gibt Eppler zu: »Seit 1998 sind auch in Deutschland nicht die Armen, sondern die Reichen reicher geworden.« Daß zugleich die Armen mehr und ärmer wurden, unterschlägt er. Der SPD-Seelsorger legt ein halbes Schuldeingeständnis ab: Von »sozialer Gerechtigkeit (haben) wir … heute nicht mehr, sondern weniger als vor sieben Jahren. Aber«, und sogleich folgt die Entschuldigung für seine rot-grünen »Reformer«, »eben nicht, weil die Regierung dies so geplant und gewollt hat, sondern weil sie es nicht verhindern konnte.« Schröder war da ehrlicher, als er seine Agenda-Gesetze ankündigte und dabei verhieß, seine Regierung werde »Leistungen des Staates zurücknehmen« und den einzelnen mehr »Eigenverantwortung« (= mehr Zuzahlungen oder Privatversicherungen bei Renten und Krankenkosten) abverlangen; den Arbeitslosen drohte der Kanzler an, sie in Jobs zu »schieben« Hartz IV brachte hierfür mit Sozialdumping und Ein-Euro-Jobs die Ausführungsbestimmungen. Nein, das alles soll nicht Absicht von SPD und Grünen gewesen sein, sagt der Weißwäscher Eppler; sie konnten nicht anders, weil »die Globalisierung der Märkte, vor allem des Kapitalmarktes, den Handlungsspielraum nationaler Regierungen … eingeschnürt« habe. »Das global agierende Kapital kann Bedingungen stellen«, zumal seine Manager sich immer mehr nach dem »Shareholder-Value« ausrichteten – da reiht Eppler sich gern in Münteferings gescheiterte Entlastungskampagne gegen einige zu Heuschrecken entartete Kapitalisten ein. Nur: In Wahrheit ist Deutschland nicht ein Opfer der Globalisierung oder der EU-Gesetzgebung, die Deutschland AG aus Regierung und Konzernen ist vielmehr ein sehr entschlossener und kapitalstarker Täter der neoliberalen Globalisierung. Die deutschen Vertreter – mit besonderem Eifer die rot-grünen – haben in den Gremien der EU oder der Welthandelsorganisation entscheidend an Deregulierungs- und Privatisierungsstrategien mitgewirkt. Auch auf nationaler Ebene wurde der neoliberale Systemumbau vorangetrieben: Die BRD hat seit vier Jahren die niedrigste Steuerquote in der EU der 15, keine Vermögenssteuer, kaum noch Erbschaftssteuern, die niedrigsten Kapitalsteuern, eine geringere Sozialquote als die Nachbarländer – unter Rot-Grün wurde die BRD zum Steuer- und Sozialabgaben-Dumpingland. Kaum irgendwoanders finden sich so günstige Abschreibemöglichkeiten und Steuerbefreiungen für Aufkäufe und Investitionen im Ausland wie für Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland. Der Systemwechsel Deutschlands zum Wettbewerbsstaat mit imperialen Zügen kam erst unter Schröder und Fischer richtig schnell voran: mehr Ausfuhren als USA oder Japan, die höchsten Handelsüberschüsse weltweit, Kapitalausfuhr und Aufkauf ausländischer Firmen durch deutsche Konzerne wie nie zuvor – begleitet von Lohn- und Sozialabbau mit verheerenden Auswirkungen für den Binnenmarkt. Von all dem will Weißwäscher Eppler nichts wissen. Er bittet um Verständnis: Auch Schröder sei ein »Kanzler, der lernen mußte, was Ohnmacht ist«, auch er sei nur ein Politiker, der »am kürzeren Hebel sitzt« gegenüber dem global agierenden Kapital. »Was nationale Politik gegen Arbeitslosigkeit noch tun kann, hat Gerhard Schröder versucht zu tun«, behauptet Eppler. Daß Schröder mit seinen Regierungstaten die Zahl der ausgewiesenen Arbeitslosen noch einmal um ein bis zwei Millionen erhöhte, also seine Ankündigungen ins Gegenteil verkehrte, hat – laut Eppler – »nichts mit Betrug oder Täuschung zu tun, es ergibt sich aus den Grenzen des Menschen«. Diesmal bedarf Schröder also nicht einmal mehr der Absolution, denn Eppler kann bei ihm keine Sünde feststellen, sondern diagnostiziert hier nur die allgemeine menschliche Schwäche – sozusagen eine Folge von Adams Fall. Dem Weißwaschen folgt die Lobeshymne: Die »Leistungen von Rot-Grün in der Außenpolitik (sind) verblüffend«: »Die Bundeswehr des 21. Jahrhunderts mußte erst geschaffen werden. Interventionen … ließen sich nicht mehr … vermeiden.« Im Kosovo oder Afghanistan tut sie inzwischen das, »was die Einheimischen nach dem Zerfall ihrer Staaten noch nicht selbst leisten können... Tatsache ist, daß Deutschland heute politisch ernster genommen wird als vor 1998, … überall auf der Welt, sogar in den USA.« Seien wir also stolz. Ob Schröder bis zur Wahl noch einen Chor der Weißwäscher und Ruhmredner à la Eppler zusammenbekommt, entscheidet sich daran, wie seine Tauglichkeitsprüfung im Unternehmerlager ausfällt.
Erschienen in Ossietzky 12/2005 |
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