Vorbemerkung der sopos-Redaktion:
Der Zoo Augsburg veranstaltet vom 9. bis 12. Juni 2005 ein "African Village". Das Modell einer Savannenlandschaft dient als Kulisse für Kunsthandwerker, afrikanisches Essen und "Informationen über die afrikanische Kultur." Inzwischen hagelt es Proteste. Antifas, antirassistische Organisationen, in Deutschland lebende Afrikaner und Deutsche mit schwarzer Hautfarbe sprechen von "kolonialen Blickverhältnissen." Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland bezeichnet die Veranstaltung als Völkerschau.
Das sopos-Redaktionsmitglied Utz Anhalt hat die Umstände in der Juni-Ausgabe kommentiert: African Village. Buschtrommeln im Zoo Augsburg.
Wir veröffentlichen an dieser Stelle eine Dokumentation mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift iz3w, in der diese zuerst erschienen ist.
Dokumentation
African Village im Zoo Augsburg (9.06.05 bis 12.06.05) Ein Zoobesuch mit Überraschungen: Für vier Tage entsteht im Augsburger Tierpark ein afrikanisches Dorf. Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter. Im Park duftet es nach afrikanischen Teespezialitäten und erlesenen Spezialitäten vom afrikanischen Kontinent. Die Besucher werden mit Konzerten und Events für die ganze Familie verwöhnt. Informationen über die vielfältige afrikanische Kultur und Natur sowie Reisetipps der Fachleute wecken die Reiselust.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit ausgesprochenem Befremden hat die Schwarze deutsche community zur Kenntnis
genommen, dass vom 9.-12. Juni im Augsburger Zoo eine Art afrikanisches Dorf
entstehen soll. »Um eine einmalige afrikanische Steppenlandschaft gruppieren
sich Kunsthandwerker, Silberschmiede, Korbflechter, Zöpfchenflechter« – so ein
Auszug aus dem Werbetext der VeranstalterInnen. Dass es sich dabei um eine in
konzeptioneller wie praktischer Hinsicht direkt in der Tradition der
Völkerschauen stehende Veranstaltung handelt, wird aus dem Antwortbrief von Frau
Dr. Barbara Jantschke (Zoo Augsburg) ersichtlich, der als Reaktion auf die
durchaus berechtigte und besorgte Nachfrage eines Schwarzen Schweizer Bürgers
verschickt wurde. Demnach handelt es sich beim Augsburger Zoo um den »genau ...
richtige(n) Ort ..., um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln.«
Ganz offensichtlich scheinen sich den VeranstalterInnen die historischen
Dimensionen ihres Projektes nicht zu erschließen, was vor dem Hintergrund der
mittlerweile auch in Deutschland stattfindenden öffentlichen Diskussionen zu
Implikationen und Folgen der deutschen Kolonialherrschaft auf eine erstaunliche
Resistenz verweist. Die Reproduktion kolonialer Blick-Verhältnisse, in denen
Schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter
Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen Dörflichkeit betrachtet
werden können und den Mehrheitsdeutschen als Inspiration für künftige
touristische Reiseziele dienen, ist wohl kaum als gleichberechtigte kulturelle
Begegnung zu verstehen. Abgesehen davon, dass der afrikanische Kontinent nicht
nur aus »Savannen« und »Dörfern« besteht und sich nicht unter einem singulären
Kulturbegriff (»African Village«) subsumieren lässt, spricht die gesamte
Herangehensweise der VeranstalterInnen von einer erschreckend ungebrochenen
Verdrängung historischer Kontinuitäten, mit der die Einverleibung vermeintlich
exotischer Orte und Menschen immer wieder neu begründet werden kann.
Wir möchten die VeranstalterInnen daran erinnern, dass in der Geschichte der
Völkerschauen nicht nur rassenanthropologische Untersuchungen an den
DarstellerInnen vorgenommen worden sind und dass viele von ihnen in Folge der
schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen starben. Wir weisen darüber hinaus mit
Nachdruck darauf hin, dass Schwarze deutsche Überlebende des Nationalsozialismus
von der Zwischenkriegszeit bis in die vierziger Jahre dazu gezwungen wurden, in
Völkerschauen aufzutreten, weil ihnen andere professionelle Sphären verschlossen
blieben.
Im ahistorisch situierten, geschmacklosen Kontext des Augsburger Zoos werden
also nicht nur die Überlebensgeschichten Schwarzer NS-Opfer verhöhnt, sondern es
ist darüber hinaus zu fragen, an wen sich der von den VeranstalterInnen explizit
artikulierte unbekümmerte Anspruch, »die Toleranz und Völkerverständigung (zu)
fördern«, dann eigentlich richten kann. Die AdressatInnen sind ganz sicher nicht
Schwarze deutsche Menschen oder solche mit Migrationshintergrund, denn sonst
gäbe es vor der – unserer Ansicht nach typisch deutschen Kulisse des Rotwild-
oder Wildschweingeheges vielleicht einige bayerische BergdörflerInnen zu
bestaunen, die uns mit ihrer Handwerkskunst und ihren kulinarischen
Spezialitäten die touristischen Weiten der deutschen Lande authentisch vor Augen
führen könnten.
Die Schwarze deutsche community ruft dazu auf, gegen die Veranstaltung »African
Village« im Augsburger Zoo zu protestieren, um jetzt und in Zukunft mit
kolonialrassistischen Traditionen zu brechen! (...)
Mit freundlichen Grüßen,
Peggy Piesche (Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Black European Studies,
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz),
Nicola Lauré al-Samarai (Geschichts- und Kulturwissenschaftlerin, TU Berlin),
Tahir Della (Vorstand ISD-Bund e.V./ München),
Jasmin Eding (Vorstand ADEFRA e.V./ München)
Sehr geehrte Damen und Herren,
(...) Ihr Schreiben spricht nur dafür, dass Sie sich überhaupt nicht dafür
interessiert haben, was während dieser Veranstaltung geboten wird – allein durch
den Titel »afrikanisches Dorf« (ist übrigens auch falsch, die Veranstaltung
heißt »African Village«) haben Sie den Eindruck gewonnen, dass ein Afrikanisches
Dorf dem staunenden Publikum vorgeführt werden soll.
Wenn Sie sich nur ein bisschen mit der Veranstaltung vertraut gemacht hätten,
wäre Ihnen sofort klar geworden, dass Ihre Vorwürfe absolut gegenstandslos sind.
Der Mitorganisator (übrigens nur am Rande erwähnt ein gebürtiger Afrikaner mit
schwarzer Hautfarbe) war bei der ersten Besichtigung begeistert vom
Veranstaltungsort, von der Steppenlandschaft unserer Afrika-Anlage und der
Atmosphäre im Zoo. Er führt übrigens bereits seit mehreren Jahren ähnliche
Veranstaltungen durch. Am Rande sei außerdem noch erwähnt, dass der Togoverein
e.V. aus Augsburg sich wegen eines Standplatzes während der Veranstaltung
erkundigt hat, den wir ihm selbstverständlich kostenlos zur Verfügung stellen.
Diese Tage sollen die afrikanische Kultur, afrikanische Produkte den Menschen
näher bringen. Natürlich wird dies von farbigen Afrikanern gemanagt, und zwar
sehr gerne – wir haben mehr Anfragen für Standplätze als wir befriedigen können.
Wenn Sie das mit »Zur-Schau-Stellen« meinen, dann dürften auch keine
internationalen Sportveranstaltungen mehr stattfinden, bei denen farbige
Menschen zu sehen sind. Diese Veranstaltung soll im Gegenteil die Toleranz und
Völkerverständigung fördern und den Augsburgern die afrikanische Kultur näher
bringen.
Sie können sicher sein, dass es sich nicht um einen Planungsfehler handelt und
Sie können sich ebenfalls sicher sein, dass wir keinen anderen Veranstaltungsort
suchen werden. Denn ich denke, dass der Augsburger Zoo genau der richtige Ort
ist, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln. Ich hoffe außerdem, dass
Sie beim nächsten Mal, bevor Sie einen derartigen Brief schreiben, sich vorher
genauer erkundigen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Barbara Jantschke
(Zoo Augsburg) [Direktorin]
Diese Dokumentation erschien zuerst in der in der Zeitschrift informationszentrum 3. welt (iz3w), Nr. 286.
https://sopos.org/aufsaetze/42c7f102b5a87/1.phtml
sopos 7/2005