Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Krieg als KinderspielMartin Petersen Es war einmal, vor dreißig und mehr Jahren, da wagten die Regisseure des New Hollywood den Aufstand gegen die ausgelaugten Erzähltraditionen des klassischen Unterhaltungsfilms. Statt die Denkfähigkeit ihres Publikums mit süßlichen Melodramen zu lähmen, warfen diese Filmemacher einen ungeschönten Blick auf die politischen und gesellschaftlichen Abgründe ihrer Zeit. Mit Filmen wie »Easy Rider«, »Die letzte Vorstellung«, »Einer flog übers Kuckucksnest« oder »Network« schufen sie eine lange Reihe von Meisterwerken der Kinogeschichte und bescherten mit ihren mutigen Zelluloid-Alpträumen der amerikanischen Traumfabrik das aufregendste und wichtigste Jahrzehnt ihrer Geschichte. Einer der größten Hoffnungsträger des US-Kinos war der junge Regisseur und Drehbuchautor George Lucas, der 1973 mit seinem autobiographisch gefärbten »American Graffiti« ein kleines Filmjuwel ablieferte. Doch Lucas besann sich bald anders. Er, der nie ein Geheimnis aus seiner Bewunderung für Leni Riefenstahls Nazistreifen machte, wollte die alten Melodramen nicht nur wiederbeleben, sondern sie radikalisieren. Ihm schwebte ein epischer Kampf zwischen Gut und Böse vor, in dem Menschen nur als Bedienpersonal für Kriegsmaschinen vorkamen. Charakterkonflikte, psychologische Beweggründe, nachvollziehbare Dramatik – darauf verzichtete er. Bei einer Vorpremiere dieses Machwerks erntete der abtrünnige Regisseur von seinen Kollegen Hohn und Ablehnung. Lediglich Steven Spielberg sagte voraus, daß Lucas' »Krieg der Sterne« ein Kassenerfolg werde. Tatsächlich wurde dieser Film der größte Kassenschlager, den die Filmgeschichte bis dahin kannte. »Star Wars« sollte seinen Erfinder im Laufe der Jahrzehnte vor allem durch zahllose Lizenzartikel zum Milliardär machen. Das Weltraummärchen legte aber auch fest, wie ein erfolgreicher Film auszusehen hat und womit er sich beschäftigen soll. Lucas hatte einen gewaltverherrlichenden Kinderfilm gedreht, an dem sich auch Erwachsene erfreuen durften – erzählte er doch gerade zwei Jahre nach der US-Niederlage in Vietnam die Geschichte eines gerechten Krieges, den die »Guten« haushoch gewinnen. Diese waren daran zu erkennen, daß sie fast ausnahmslos amerikanisches Englisch sprachen. Als nach drei Jahren die erste von bis heute fünf »Star-Wars«-Fortsetzungen in die Kinos kam, war New Hollywood tot. Lucas machte sein Versprechen, sich kleinen, künstlerisch wertvollen Projekten zu widmen, nie wahr. Das Kino kehrte zu seinem Ursprung zurück: Es wurde wieder Jahrmarktsattraktion. Spielfilme wurden teurer, schneller, alberner, in den Vereinigten Staaten und anderswo. Daß wirklich talentierte Filmemacher wie Martin Scorcese, Robert Altman oder Woody Allen heute überhaupt noch arbeiten können, grenzt an ein Wunder. Noch viele Jahre werden unzählige Menschen Eintritt dafür zahlen, daß Lucas ihnen in abgedunkelten Kinosälen eine audiovisuelle Tracht Prügel nach der anderen verpaßt. Er selbst sieht sich als Erzieher: »Das Ganze ist für Teenager gedacht, die sich auf der Schwelle zum Erwachsensein befinden. Auf diese Art möchte ich ihnen sagen, was die Gesellschaft von ihnen erwartet, welche Werte wir ihnen vermitteln müssen; Werte, die sie in unserer Welt benötigen.« Welche Werte meint der Mann? Lucas' Filme erziehen zum Haß, zur Kriegsbegeisterung, zum Sado-Masochismus, zur Angst vor der Liebe, zur Schweigsucht, zum Wunderglauben, zur Dummheit. Wenn das neueste Spektakel »Die Rache der Sith« kritische Töne gegenüber Präsident Bush anschlägt, dann nur, weil Drehbuchautor Lucas gar nicht anders kann: Wie ein Schwamm saugt er Umgebungsreize auf – Bibel, Shakespeare, Comics, Western- und Kriegsfilme, Nachrichten –, um sie dann, zu unverdaulichen Brocken zerkaut, seinem Publikum von der Leinwand herab ins Gesicht zu speien. Der sechste und angeblich letzte Teil der Filmserie wurde in Deutschland so aggressiv vermarktet wie wohl noch nie ein Film zuvor. Ein TV-süchtiger Bekannter teilte mir mit, daß nahezu alle deutschsprachigen Fernsehsender während der Woche vor dem Kinostart Unmengen Schleichwerbung für »Die Rache der Sith« in ihre Sendungen einbauten – »und überall dieselben Ausschnitte, wie bei einer Gehirnwäsche«. Die Marketingstrategen von Lucasfilm verkauften ihr Produkt wie ein historisches Großereignis; das Publikum sollte seine Kinokarten möglichst schnell kaufen, bevor es dahinterkam, wie schlecht der Film ist. Schlecht ist er wirklich, obwohl angeblich der renommierte Bühnenautor Tom Stoppard das Drehbuch überarbeitet hat. Lucas engagierte sogar einen Dialog-Lehrer für seine Schauspieler, weil er selbst kaum Zeit habe, mit ihnen zu sprechen – geholfen hat es nicht. Sätze, wie Lucas sie schreibt, sind hölzern, peinlich und sinnfrei, egal wie man sie ausspricht. Die Spezialeffekte sind von eiskaltem Glanz, so perfekt, daß sie nur langweilen und ermüden. Die Handlung dürfte niemanden überraschen. Auch dieser »Krieg der Sterne« ist wieder absolut humor- und keimfrei, leb- und lieblos, eine bloße Fußnote der Filmgeschichte. Wenn doch die Guten und die Bösen am Ende ihr ganzes Universum in die Luft sprengten! Dann könnte es jedenfalls keine Fortsetzungen mehr hageln. Leider arbeitet Lucas an den Konzepten zweier Fernsehserien, die im Star-Wars-Universum spielen. Ab nächstem Jahr stürmen alle sechs Streifen in die Kinos zurück, diesmal als 3-D-Versionen. Und wenn in dreizehn Jahren die Spielzeug-Lizenzen für »Star-Wars«-Produkte neu verhandelt werden, wird es auch die einst verkündete, heute aber von Lucas aus guten Gründen geleugnete dritte Trilogie geben (den letzten Teil muß man schließlich gesehen haben; den viertletzten nicht). Wer weiß heute noch, daß Dean Martin der erfolgreichste Hollywood-Schauspieler der Sechziger Jahre war? Wer kennt auch nur einen der Filme, die er damals zu Welterfolgen machte? Das Schicksal, zu Recht vergessen zu werden, wird auch Lucas und seinen Sternenblödsinn ereilen. Aber wie viele wirklich gute Filme konnten nicht entstehen, weil sie ohne Spezialeffekte eine Geschichte über echte Menschen erzählen wollten – und keine Produzenten fanden? Wie kann das Kino für Erwachsene je wieder aus der Nische herausfinden, in die »Star Wars« es gedrängt hat?
Erschienen in Ossietzky 11/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |