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Jahrestages durch die NPD hat Folgen.« Damit war, gewollt oder nicht, eingestanden, daß an der Staatsspitze und in den Führungsgarnituren der Großparteien zunächst niemand daran gedacht hatte, dem Tag ein besondere Prägung zu geben. Erst als die martialischen Marschierer in Aktion traten und das Brandenburger Tor als Ziel ihrer Demonstrationsroute in den Visieren hatten, erfolgte die Erinnerung an den kurzfristigen Aufstand der Anständigen im November 2002 und dessen Gewinn. Wieder einmal sollte dafür gesorgt werden, daß das Deutschlandbild im Ausland nicht verdorben würde. So kamen die Deutschen, wie die Zeitung treffend befand, »unverhofft zu einem Feiertag«. Der erhielt das Etikett »Tag für die Demokratie«. Ungeachtet dieser Umwidmung, die von feinfühliger Rücksichtnahme auf alle zeugte, die sich mit den Begriffen Befreiung und Befreier nicht anzufreunden vermögen, unbeeinflußt von allen Beschwörungen, wonach die Bundesbürger ihre Geschichtslektion vorbildlich gelernt hätten, blieb der 8. Mai für die deutsche Rechte und die rechten Deutschen ein ungeliebter Tag – und das beträchtlich über die Anhängerschaft der NPD hinaus. Den einen stieß nach wie vor die »deutsche Niederlage« bitter auf, weil sie in ihr Nations- und Selbstbild nicht hineinpassen will. Anderen genügte, daß sich mit dem Tag eine Erinnerung an die Rote Armee, deren Verdienst und das eines ganzen Volkes verbindet, das damals – wie unvollkommen sie auch sein mochten – in gesellschaftlichen Zuständen ohne Kapitalisten und große Grundbesitzer gelebt hatte. Diese Erinnerung stört das bisher so erfolgreich auf Stalin, NKWD und Gulag reduzierte Bild der Sowjetunion. Der im Verlauf der Kampagne vor dem Jahrestag unvermeidlich entstandene Schaden war daher auszubessern. Unverzüglich. Während die Bild- Zeitung am Tage danach mit »Jetzt spricht die 15jährige« über »Meine Nacht mit dem Party-König« aufmachte und noch einmal einen Wehrmachtsveteran sprechen ließ, der vom Zweiten Weltkrieg nicht mehr begriffen hatte, als daß »alles so sinnlos« war, druckte Die Welt einen Artikel »Komplizen des Krieges«, als die sie Nazideutschland und die Sowjetunion in ihren Beziehungen nach dem August 1939 darstellte. Darüber plazierte sie großformatig das Foto, das Ribbentrop zeigt, vor Stalin und Molotow sitzend und den Nichtangriffsvertrag unterzeichnend. Selbstredend kein Wort über dessen Vorgeschichte. Die Welt am Sonntag hielt diesen 8. Mai für den geeigneten Tag, den eben zum Papst erhobenen Bayern Joseph Ratzinger zu zitieren, der von den deutschen Soldaten geschrieben hatte, sie hätten »ganz einfach ihre Pflicht ... zu tun versucht«. Diese Äußerung gefiel der Redaktion Politik so gut, daß sie daraus ihre Überschrift machte – mit einer kleinen, aber kennzeichnenden Korrektur: »Sie haben einfach ihre Pflicht getan «. Das ist nicht weniger als die Zurücknahme aller Erkenntnisse, die in Jahrzehnten über die Rolle der Wehrmacht angehäuft wurden. Gleiches geschieht in derselben Ausgabe des Blattes hinsichtlich der erarbeiteten kritischen Positionen zur Rolle der Kirchen in Faschismus und Krieg; ihr Verhalten wird nun wieder auf Verzagtheit, Opportunismus und aufs Wegschauen von Geistlichen reduziert. Die Wissenschaft setzt dieser Entwicklung jedenfalls auf offenem politischen Feld wenig entgegen. Wohl aber gewährt sie Beifall und Bestärkung. In derselben Wams -Ausgabe postuliert der an der Freien Universität Berlin lehrende Historiker Henning Köhler, den Gefühlshaushalt der Deutschen im Mai 1945 mit dem historischen Befund 2005 gleichsetzend: »Was die Deutschen fatalistisch als Zusammenbruch zu bezeichnen sich angewöhnt haben, war keine Befreiung«. Unzufrieden auch mit den geringen Anzeichen, die davon zeugen, daß sich eine womöglich wachsende Minderheit von Deutschen zur vorurteilsfreien Sicht auf den historischen Platz des Tages in ihrer eigenen Geschichte durcharbeitet, beklagt er Wirkungen der Rede Richard von Weizsäckers aus dem Jahre 1985: Seitdem sei ein Weg in die Sackgasse beschritten worden, gekennzeichnet »durch die Beflissenheit« – wo immer er die entdeckt haben mag – »zu feiern und sich auf die Seite der Sieger zu schlagen« und »die deutsche Schuld zu pflegen«. Hier bekennt sich hochschulbeamtete geistige Nachbarschaft mit jenen, die an diesem 8. Mai 2005 die Transparente mit dem Kampfaufruf gegen den deutschen Schuldkult durch Berlin trugen. Eine Bilanz des Gedenktages, die diesen Posten ausläßt, bediente die sprichwörtliche Augenauswischerei.
Erschienen in Ossietzky 11/2005 |
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