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Alle Versuche, den Prozeß gegen Chodorkowski und Lebedew einfach als politische Rache des Kreml darzustellen, erscheinen mir heuchlerisch – trotz eines Geruchs von Ungerechtigkeit, der in der Moskauer Luft hängt; darauf werde ich zurückkommen. Weder die Anwälte noch alle eifrig mitredenden Menschenrechtler konnten ein einziges Beispiel beibringen, um ihre Behauptungen zu belegen. Ebenso wenig gelang es ihnen, die Beweise der Staatsanwaltschaft zu widerlegen, die auf Betrug, Unterschlagung, Steuerhinterziehung und Anstiftung zum Mord lauteten. Die Ölgesellschaft YUKOS wurde für 43 Millionen Dollar erworben, ihr Marktpreis aber betrug damals mindestens 42 Milliarden Dollar, also etwa das Tausendfache. Das ist freilich kein Einzelfall. Alle in den wilden 90er Jahren angehäuften großen Vermögen – so hat einer der Oligarchen einmal öffentlich zugegeben – sind ausschließlich mit kriminellen Methoden entstanden. Insofern gäbe es allen Anlaß, jeden unserer Neureichen hinter Gitter zu stecken. Der Sicherheitschef von YUKOS, Pitschugin, wurde wegen Auftragsmordes bereits zu lebenslanger Haft verurteilt. Konkurrenten in der Ölbranche wurden niedergemacht – teilweise von professionellen Killern. Mit einer Maschinenpistole erschossen wurde aber beispielsweise auch der Bürgermeister der sibirischen Stadt Neftejugansk, Petuchow. Er hatte sich energisch dagegen gewehrt, daß Chodorkowski ihm, dem gewählten Chef der Stadtverwaltung, alle wichtigen Entscheidungen streitig machte. Der Magnat versuchte, die Stadt finanziell zu erpressen, was ihm aber nicht gelang, weil Petuchow hartnäckig blieb – wofür er mit seinem Leben bezahlte. Die Staatsanwaltschaft hat bereits angekündigt, daß Chodorkowski und Lebedew nach Beendigung des laufenden Prozesses eine weitere Anklage als Schreibtischmörder zu gewärtigen haben. In juristischen Feinheiten kenne ich mich nicht aus. Ich kann nicht beurteilen, ob die Wahrheitsfindung im Chodorkowski-Lebedew-Prozeß über jeden Zweifel erhaben ist. Aber einige der Vorwürfe gegen die Prozeßführung kommen mit einfach lächerlich vor – zum Beispiel wenn Rechtsanwälte darüber lamentieren, daß die Angeklagten im Gerichtssaal in einem Gitterkäfig untergebracht sind. Das sieht zwar nicht besonders menschenfreundlich aus. Es sei aber daran erinnert, wann diese Absperrungen eingeführt wurden: nachdem in einem früheren Verfahren einige Kriminelle gewaltsam aus dem Gerichtssaal ausgebrochen waren. Und wer von den Menschenrechtlern aus aller Welt, die sich jetzt so besorgt um Chodorkowski zeigen, hat sich je für den Vater von vier Kindern interessiert, der kürzlich in einem solchen Käfig saß? Ein Oligarch hatte ihm ein halbes Jahr den ihm zustehenden Lohn nicht ausgezahlt, was leider heutzutage in Rußland oft vorkommt: Die Betroffenen hungern und laufen Gefahr, wegen Mietschulden per Zwangsräumung auf die Straße gesetzt zu werden. Der verzweifelte Familienvater überfiel den Unternehmer und verletzte ihn mit einem Messer. Das Gericht fand für ihn – wie oft in solchen Fällen – keine mildernden Umstände; keiner der renommierten Rechtsanwälte (von professionellen neoliberalen Menschenrechtlern ganz zu schweigen) eilte ihm zu Hilfe. Solche wie er werden offensichtlich nicht als Opfer von Menschenrechtsverletzungen bemitleidet. Das Einzige, was mich am Chodorkowski-Lebedew-Prozeß stört, ist dies: Warum wird nur gegen dieses Duo ermittelt? Warum untersucht die Justiz nicht zum Beispiel auch die Umstände, unter denen der Norilski-Nickel-Konzern, der jährlich 1,5 Milliarden Dollar Gewinn abwirft, für nur 180 Millionen Dollar verhökert wurde? Wer von unseren Machthabern hat davon profitiert? Viele haben sich an der Privatisierung der russischen Wirtschaft rücksichtslos bereichert. Jetzt sitzen sie in hohen Positionen. Notfalls sind sie solidarisch miteinander. Dieser Tage wurde in der Schweiz der ehemalige russische Atomminister Adamow verhaftet. Die US-Behörden beschuldigen ihn, bei russisch-amerikanischen Urangeschäften neun Millionen Dollar unterschlagen und in die eigene Tasche gesteckt zu haben. Interessant an der Geschichte ist vor allem dies: Die Antikorruptionskommission der Staatsduma hatte genau diese Vorwürfe schon vor drei Jahren gegen den damaligen Minister Adamow erhoben. Beweiskräftige Unterlagen wurden der Staatsanwaltschaft, der Regierung und dem Präsidenten zugeleitet. Reaktion: null. Jetzt aber, da die Möglichkeit besteht, daß die Schweiz Adamow an die USA ausliefert, erwacht plötzlich die russische Staatsanwaltschaft. Jetzt will sie unbedingt selbst gegen den Ex-Minister ermitteln und verlangt seine Überstellung nach Moskau. Den Kommentar dazu überlasse ich den Ossietzky-Lesern.
Erschienen in Ossietzky 11/2005 |
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