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Ob der Vorstoß einzelner Parlamentarier von SPD und Grünen vom Dezember 2004 Erfolg haben wird, ist fraglich geworden. Ziel eines Informationsfreiheitsgesetzes ist es, den Bürgern freien Zugang zu allen in der öffentlichen Verwaltung vorliegenden Informationen zu sichern. International ist das längst Standard. Informationsfreiheitsgesetze gibt es beispielsweise in Schweden, Finnland, Dänemark, Frankreich, Spanien, Portugal, Niederlande, Griechenland, Italien, Belgien, Irland, Österreich, Polen, Ungarn, Slowakei, Litauen, Estland, Lettland, Rußland und Tschechien. Am 21. Februar 2002 empfahl der Europarat allen Mitgliedsstaaten, solche Gesetze zu erlassen. In der Bundesrepublik aber tat sich nichts, obwohl SPD und Grüne das Gesetz schon in der Koalitionsvereinbarung von 1998 versprochen hatten. Ein Bürgerrecht auf Einsicht in Behördenunterlagen besteht also immer noch nicht. Bestimmte Register wie etwa das Grundbuch dürfen bei berechtigtem Interesse eingesehen werden. Ansonsten hat nur derjenige Recht auf Akteneinsicht, der selbst an einem Verwaltungsverfahren beteiligt ist. Einen Fortschritt in einem Teilbereich brachte das Umweltinformationsgesetz von 1994. Informationsfreiheitsgesetze existieren zudem in den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Um Bewegung in die Diskussion zu bringen, legten Bürgerrechts- und Journalistenverbände am 2. April 2004 einen Gesetzentwurf vor. Diese Initiative wurde auch von den Datenschutzbeauftragten unterstützt. Vertreter der Humanistischen Union, von Transparency International, des Netzwerks Recherche, der zur Gewerkschaft ver.di gehörenden Deutschen Journalisten-Union (DJU) und des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) übergaben vor dem Berliner Reichstag den Gesetzentwurf an Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). »In Deutschland gibt es zwar eine Auskunftspflicht der Behörden gegenüber den Medien. Doch aus der Pflicht ist längst eine Ausnahme geworden«, beschrieb Thomas Leif, Vorsitzender des Netzwerks Recherche, die bisherige Situation. »Was Behörden und Ministerien nicht paßt, bleibt Amtsgeheimnis. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz werden die Blockaden der Bürokratie gelockert . « Der Anspruch auf Zugang zu Informationen sollte nach dem Verbändeentwurf jeder Person als subjektives Recht zustehen und damit deutlich weiter gefaßt werden als bisher. Informationsansprüche müßten dann nicht mehr begründet werden. Im Gegenteil: Nach dem Entwurf müßten staatliche Stellen ihrerseits begründen, warum sie den Zugang zu Informationen verweigern. Die Beweislast würde also zugunsten von Bürgern und Medien umgekehrt. Die Verbände erklärten, sie erhofften sich neue Möglichkeiten für die Aufklärungsarbeit der Medien, Vorbeugung gegen Korruption und eine Lösung des Interessenkonflikts zwischen Informationspflicht und Amtsgeheimnissen zugunsten der Informationsfreiheit und einer besseren demokratischen Willensbildung. Die Bundesministerien erwiesen sich als natürliche Feinde jeglicher Transparenz. Daher kam es nie zu einem Kabinettsbeschluß. Einzelne engagierte Koalitionsabgeordnete wie der SPD-Medienpolitiker Jörg Tauss oder die grüne Innenpolitikerin Silke Stokar brachten nach langen Mühen im Dezember 2004 endlich einen Fraktionsentwurf auf den Weg. Dabei lagen sie aber an der kurzen Leine der Bundesregierung und durften nur Minimalregelungen vorschlagen. Zwar heißt es in § 1: »Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.« Aber die Begründung des Gesetzentwurfs zeigt den Pferdefuß. Dort heißt es, daß jede Auskunft ein berechtigtes Interesse des Bürgers voraussetze. Es wird also zwar kein rechtliches, aber ein berechtigtes Interesse verlangt. In der Praxis wird sich für den Bürger nichts ändern. Ihm wird nur wieder einmal etwas vorgeflunkert. Ein Parlament, das sich so tief demütigte, ein Gesetz mit dem Namen »Parlamentsbeteiligungsgesetz« zu beschließen, mit dem es auf bisherige Rechte bei Entscheidungen über Militäreinsätze verzichtete, hätte wohl auch keine Skrupel, ein »Informationsfreiheitsgesetz« zu erlassen, das den Zugang zu Informationen versperrt. Daher sollten sich die von schweren staatlichen Eingriffen Betroffenen wie beispielsweise die Opfer von Berufsverboten keinen Illusionen hingeben. Ihre Situation wird sich nicht verbessern. Soweit es um individuelle Daten zur eigenen Person geht, bringt das geplante Gesetz eben keine Informationsfreiheit. Dafür gelten die üblichen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Wer also bisher nicht erfahren konnte, was der Schnüffelstaat alles über ihn zusammengetragen hat, wird das auch künftig nicht erfahren. Gegen das Gesetz, wie es jetzt im Entwurf vorliegt, spricht auch, daß es keine Rechtsklarheit herstellt, denn viele andere Gesetze enthalten ebenfalls Regelungen über den Umgang mit Informationsansprüchen der Öffentlichkeit, etwa im Lebensmittel- oder im Umweltinformationsgesetz. Richtig wäre ein einheitlicher, umfassender Anspruch auf Informationen. Davon ist aber der rot-grüne Gesetzentwurf weit entfernt. Er enthält nämlich in § 3 eine lange Liste von Ausnahmen. Ganze Behörden sind von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen. Beispielsweise gibt es immer dann kein Informationsrecht der Bürger, wenn fiskalische Interessen des Bundes beeinträchtigt werden. Die Behörden aus dem Bereich des Finanz-, Verteidigungs-, Innen- und Außenministeriums sind weitgehend von der Auskunftspflicht freigestellt. Ob wenigstens diese Miniaturausgabe eines Informationsfreiheitsgesetzes kommt, steht auf der Kippe. Im Bundestag wurde die für 13. Mai angesetzte Abstimmung über das Gesetz kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Als Vorwand diente ein Brief des Verbandes der gesetzlichen Krankenkassen vom 28. April. Darin wurde behauptet, Patientendaten könnten anderen Kassen und der Pharmaindustrie bekannt werden. Solche Daten sind aber als Betriebsgeheimnisse ohnehin geschützt. Die SPD griff zum Ärger der Grünen zu diesem Vorwand, um das Gesetz erst einmal zu verschieben. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt beharrte auf der Absetzung des Entwurfs. Damit wurde eine Chance vertan. Wenn nun im Herbst ein neuer Bundestag gewählt werden soll, wird der alte bis dahin nur noch sechsmal tagen. Da ist es zweifelhaft, ob das Informationsfreiheitsgesetz überhaupt noch auf die Tagesordnung kommt. Falls ja, müßte immer noch die Hürde Bundesrat genommen werden. – und für ein Vermittlungsverfahren bliebe vor der Auflösung des Bundestags keine Zeit mehr.
Erschienen in Ossietzky 11/2005 |
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