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Eine Partei, die darum kämpft, statt wie zuletzt nahezu 370 000 nur noch etwa 260 000 Wähler für sich zu gewinnen? Eine solche Partei kann es nicht geben, sollte man meinen. Aber es gibt sie. Im Berliner Roten Rathaus regiert sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten: die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Ihr stellvertretender Landesvorsitzender Klaus Lederer erklärte unlängst in einem Interview der jungen Welt, bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im kommenden Jahr wolle die Partei 15 bis 18 Prozent der Stimmen erreichen. Welch hehres Kampfziel! Im Jahre 2001 stimmten 366 292 Berliner und damit 22,6 Prozent der Wähler für die demokratischen Sozialisten. Jetzt dümpelt die Partei in den Umfragen bei elf bis zwölf Prozent potentieller Wähler, von denen viele, darunter vor allem ältere parteitreue Genossen und Sympathisanten, nur mit argen Bauchschmerzen ihr Kreuz an der entsprechenden Stelle machen würden. Die Ursachen für diesen jähen Absturz der PDS in der Hauptstadt sind bekannt. Es ist nicht allein ihre Beteiligung an der rosa-roten Regierung, sondern ihr tagtägliches Verhalten: ihre Servilität, ihr Anbiedern an die SPD des Herrn Regierenden Wowereit. Das begann mit dem unsäglichen Koalitionsvertrag, dessen geschichtsverfälschende Präambel die Verantwortung für das Leid der Menschen im Kalten Krieg »ausschließlich bei den Machthabern in Ost-Berlin und Moskau« sieht und dessen Kern darin besteht, die von der früheren Berliner CDU- und SPD-Politik angehäuften immensen Schulden durch rigorosen Sparkurs und Sozialabbau zu verringern. Nach dreieinhalb Jahren rosa-roter Senats-tätigkeit können die Einwohner Berlins, vor allem die sogenannten Unterschichten – ein Begriff, der sich in Deutschland wieder eingebürgert hat – ein Lied davon singen, wie statt des Schuldenberges die sozialen Leistungen abgebaut wurden. Diese Senatspolitik wird auch nicht dadurch besser, daß die PDS-Senatoren einige soziale Grausamkeiten abgeschwächt haben. In jüngster Zeit verkünden sie zum Beispiel nicht ohne Stolz, daß aufgrund der energischen Haltung der Sozialsenatorin Knake-Werner (PDS) weniger ALG-II-Empfänger zwangsumziehen müßten, als es Finanzsenator Sarrazin (SPD) vorgesehen habe. Da werden die vielen Tausende, die trotzdem zum Umzug gezwungen werden, laut jubeln. Ebenso wie die Berliner, die sich das dank der PDS wieder eingeführte, aber teurer gewordene 32-Euro-Sozialticket für die öffentlichen Verkehrsmittel nicht leisten können und nun hoffen dürfen, eines der gebrauchten Fahrräder abzubekommen, die die Diakonie mit ihrer Aktion »Rad statt ratlos« zur Verfügung stellt. Vielleicht wird dieser Jubelgesang dann von den kostenlos auftretenden Berliner Symphonikern musikalisch unterstützt, denen der PDS-Parteitag Anfang 2004 noch andächtig lauschte und denen der Senat jetzt alle Zuwendungen strich, obwohl, wir erinnern uns gut, der Spitzenkandidat der PDS, Gregor Gysi, vor der Wahl versprochen hatte, bei Bildung und Kultur noch was draufzulegen. Doch hier wie in anderen Bereichen hat sich die Berliner PDS-Spitze der SPD gebeugt, um ja nicht die Koalition zu gefährden. Mit diesem Scheinargument hat sie sich nun auch entgegen dem Versprechen im Wahlkampf für das Europäische Parlament 2004 und dem eindeutigen Beschluß des Potsdamer PDS-Parteitages im gleichen Jahr geweigert, den Koalitionspartner im Senat wenigstens zur Stimmenthaltung bei der Abstimmung über die EU-Verfassung im Bundesrat zu zwingen, wie es die Koalitionsvereinbarung für den Fall unterschiedlicher Auffassungen vorsieht. Die Sprecherin der Kommunistischen Plattform der PDS, Ellen Brombacher, hat dieses Verhalten zu Recht als »Wahlbetrug« charakterisiert. Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) schert das wenig, er bleibt bei seiner merkwürdigen Begründung: Es gehe nicht um »Sag mir, wo Du stehst«, sondern auch darum, »welchen Weg Du gehst«. Ein schönes Lied, nur Wolf singt es falsch und unvollständig. Auf dem Weg, auf dem er und seine Getreuen gehen, erleidet die gesamte Partei schweren Schaden. Aus tausend guten Gründen hat die PDS Hartz IV als »Armut per Gesetz« verurteilt. Aber Wolf, Landesvorsitzender Liebich und andere fühlen sich in der Regierungsverantwortung berufen, das Armutsgesetz, Sozialraub und miserabel bezahlte Zwangsarbeit durchzusetzen. Dieses Verhalten hat es den anderen Parteien erleichtert, ja geradezu erlaubt, ihre asoziale Politik zu betreiben. Was wäre denn geschehen, wenn die führenden PDS-Genossen in der Bundeshauptstadt nach der Verkündung der »Agenda 2010« und der Vorbereitung ihres Kernstücks, der Hartz-IV-Reform, die Koalition aufgekündigt hätten? Hätte es die rot-grüne Bundesregierung überhaupt gewagt, unter solchen Bedingungen Hartz IV in dieser abscheulichen Form zu verabschieden, um den Preis, daß die demokratischen Sozialisten als glaubwürdige Alternative beträchtlichen Aufschwung erleben? Dann müßte die PDS jetzt nicht darum zittern, in der Hauptstadt statt 22,6 wenigstens 15 Prozent zu erreichen und bei der Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. Daß es die Gruppe um Wolf und Liebich ist, deren Verhalten die PDS in eine beklagenswerte Glaubwürdigkeitskrise geführt hat, spricht sich herum. Unbeantwortet ist bisher allerdings die Frage, welcher Teufel diese Leute reitet, eine solche selbstzerstörerische Politik zu betreiben. Manche Kritiker billigen den PDS-Koalitionären redliche Motive zu. Eine Partei, die fast ein Viertel der Wählerstimmen gewonnen habe, könne sich nun einmal der Regierungsverantwortung nicht entziehen, und in Koalitionen müsse man schließlich auch Kröten schlucken. Die berühmten Sachzwänge! Die stellvertretende PDS-Vorsitzende Dagmar Enkelmann hat vor einiger Zeit auf die Frage, wie die PDS mit den sogenannten Sachzwängen umgeht, zutreffend die Notwendigkeit betont, »daß wir auf allen politischen Ebenen als sozialistische Partei erkennbar bleiben«. Doch ist die Berliner PDS unter ihrer jetzigen Führung noch als sozialistische Partei erkennbar? Andere sehen die Ursache für den Wolf-Liebich-Kurs in der Abgehobenheit von der Parteibasis, im Bestreben, um jeden Preis einflußreiche Ämter auszuüben. Macht korrumpiere, und die Sucht, sich politische Pfründe zu sichern, verneble den Verstand. Aber kann man so dumm sein, mit einer wählerabstoßenden Politik ständig an dem Ast zu sägen, auf dem man sitzt? Unter verunsicherten Anhängern der PDS wird sogar geargwöhnt, in die Berliner Parteiführung könnten V-Leute eingedrungen sein, einzelne Mitglieder könnten geheimdienstlich gesteuert werden. Nach herrschender Meinung sind die Linken allemal eine größere Gefahr als die Rechten. Nach wie vor überwacht das Verfassungs-schutzamt die PDS; da liegt die Vermutung nahe, daß es sie auch mit V-Leuten unterwandert – nicht anders als die NPD, wie durch den gescheiterten Verbotsantrag ans Licht kam. Aber mit konspirativen Hilfsdiensten wären schwerlich die Grobheiten zu vereinbaren, mit denen sich zum Beispiel der ursprünglich von den Grünen kommende Wirtschaftssenator nicht nur beim antisozialen »Sparen« hervorgetan, sondern auch bei der systematischen Entstellung der DDR-Geschichte aufgewartet hat. Erinnert sei nur an seine Rede in der Gedenkstätte Plötzensee am Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler vom 20.Juli 1944, in der er sich nicht entblödete, eine Kontinuität zwischen dem Widerstand gegen den Hitlerfaschismus, dem 17. Juni 1953 und dem November 1989, dem Ende der DDR, herzustellen. Vielleicht verhält es sich einfach so, daß Wolf und die Seinen innerlich der SPD immer näher gerückt sind und ihren Frieden mit dem Kapitalismus geschlossen haben. Doch warum wechseln sie dann nicht gleich zur SPD, die vigilanten und biegsamen Genossen beste Chancen bietet? Nein, die Frage nach den Ursachen der Berliner PDS-Politik bleibt vorerst unbeantwortet. Worin sie auch bestehen mögen, mit dem gegenwärtigen Kurs wird die Partei bei der kommenden Wahl zum Abgeordnetenhaus weit nach unten rutschen – erst recht, wenn sich Wolf wieder als Spitzenkandidaten bewerben sollte. Auf dem dann fälligen Landeswahlparteitag werden die Berliner Symphoniker schwerlich aufspielen. Für sie könnten die Altgedienten des »Oktoberklubs« in die Bresche springen und dem Wirtschaftssenator das Lied vorsingen, das er in seiner Argumentation für die faktische Zustimmung zur EU-Verfassung verkürzt benutzte. Das aber lautet so: »Sag mir, wo Du stehst und welchen Weg Du gehst! Wir haben ein Recht darauf, Dich zu erkennen, auch nickende Masken nützen uns nicht. Ich will beim richtigen Namen Dich nennen, und darum zeig mir Dein wahres Gesicht!«
Erschienen in Ossietzky 11/2005 |
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