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Daß man damit dem Grundgesetz zuwiderhandelt (es erlaubt eine Neuwahl in der laufenden Legislaturperiode nur für den Fall, daß dem Kanzler die eigenen Abgeordneten abtrünnig werden, aber im Parlament keine Mehrheit für einen anderen Kanzler zu finden ist), bereitet der SPD-Spitze keine Kopfschmerzen, was bedeutet schon eine Verfassung? Der Kanzler muß jetzt eben dafür sorgen, daß der Bundespräsident und notfalls das Bundesverfassungsgericht ihm die Unwahrheit abnehmen, die Kanzlermehrheit sei bei der SPD-Fraktion im Bundestag nicht mehr herstellbar. Notfalls muß der Fraktionsvorsitzende Müntefering ein paar sozialdemokratische Parlamentarier zu entsprechenden Äußerungen veranlassen – Disziplinierung diesmal verkehrt herum. Der Parteivorsitzende Müntefering übernahm es, dem Gewaltstreich des Kanzlers eine volkstümlich gemeinte Rechtfertigung zu verleihen: Ein noch längeres Patt zwischen einer SPD-geführten Bundesregierung und einem von der Union beherrschten Bundesrat sei der Demokratie nicht mehr zuzumuten. Einigermaßen logisch wäre dieses Argument nur, wenn die SPD nun ausdrücklich darauf verzichtete, sich bei der vorgezogenen Neuwahl um eine Regierungsmehrheit zu bewerben. Denn da die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nach den jüngsten Landtagswahlen geklärt sind, läßt sich das Patt nur dadurch auflösen, daß die Union auch den Bundestag erobert. Ob Schröder selber eine Gewinnchance für seine Partei sieht, ist sein Geheimnis. Er ist aber gezwungen, dem Parteivolk eine solche einzureden – wie anders wäre es dahin zu bringen, sich noch einmal abzustrampeln? Eindeutig ist die Stoßrichtung des »Coups«: Die Funktionäre und Mandatsträger der SPD und auch die noch vorhandenen Mitglieder sollen durch Wahlkampfstreß davon abgehalten werden, Zweifel an der Weisheit der »Agenda-2010«-Politik in eine innerparteiliche Debatte umzusetzen; bei dieser würde Schröders Reputation Schaden nehmen. Mit der Wahlkampfparole »Nur Schröder kann uns vor der schwarzen Republik retten« will man die eigenen Genossen und vor allem auch die Gewerkschaften auf Parteitreue einschwören. Nachher kann man den Auszug aus dem Kanzleramt als ruhmreiche Niederlage inszenieren – das Wahlvolk in seiner Mehrheit hat sich dann eben des beherzten Retters, der sich anbot, als unwürdig erwiesen. So läßt sich verdecken, daß es exakt dieser sozialdemokratische Kanzler war, der mit seinen »Reformen« als Türöffner für eine Politik wirkte, die CDU/CSU/FDP, wenn sie erst die Bundesregierung stellen, auf bequeme Weise fortsetzen können; ohne die Vorarbeit der rot-grünen Bundesregierung wären sie dabei stark ins Schwitzen gekommen. Eine »schwarze Republik«, vor der uns Schröder mit seiner Partei nun angeblich schützen will – was kann sie sein? Ein Staat, der solidarische soziale Sicherungssysteme schubweise wegräumt? Der dem großen Kapital das Geld zuwirft? Der dafür sorgt, daß Armut sich ausbreitet? Der Militär für Angriffskriege bereitstellt und dem Waffenexportgeschäft unter die Arme greift? Der den Terrorismus als Schreckgespenst nutzt, um die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern zu beschneiden? Der die politische Willensbildung in die Hände von Beraterkommissionen gibt, außerhalb der Verfassung? Der den Weg freigibt für den weiteren Vormarsch von Medienkonzernen? Der Parlamente in Akklamationsorgane für Regierungschefs verwandelt? Diese »schwarze Republik« gibt es bereits – unter rot-grüner Führung. Nicht zu erwarten ist, daß eine SPD, die bei der kommenden Bundestagswahl in die Opposition zurückverwiesen wird, wieder zur sozialen und demokratischen Volkspartei mutiert, also noch einmal die Rolle übernehmen kann, die sie vor der Schröder-Ära spielte. Das ideelle und personelle Potential für eine solche Wende ist nicht mehr vorhanden, und das Wahlvolk würde eine Rückbesinnung auf sozialdemokratische Traditionen nicht glaubhaft finden. Die SPD wird sich fürs erste nicht in Luft auflösen, dafür sorgt für eine Weile noch die Kartellierung des Parteiensystems in der Bundesrepublik, aber als gesellschaftspolitisch wirksame Kraft hat sie ihre Zukunft hinter sich. Auch der Vergleich mit der britischen Labour-Partei, in der Blairs Neoliberalismus und gewerkschaftliche Orientierung anhaltend innerparteilich konkurrieren, trägt nicht; die Unionsparteien hierzulande sind nicht gleichzusetzen mit den Tories, die SPD hat ein anderes Gegenüber als Labour. Rüttgers, der nordrhein-westfälische Wahlsieger, kann sich als Vorsitzender einer »Arbeiterpartei« präsentieren. Offen ist, wie sich die deutschen Gewerkschaften positionieren werden. Ihre Basis ist nicht mehr darauf fixiert, sich gegenüber der SPD wohlzuverhalten, damit diese bei ihren großen Geschenken an das Kapital wenigstens ein paar kleine Gefälligkeiten fürs lohnabhängige Volk abfallen läßt. Aber wie sieht es in den gewerkschaftlichen Vorstandsbüros aus? Noch ist nicht ausgemacht, daß dort Schröders Operation »Letztes Gefecht« als fauler Zauber erkannt wird – als Kampf nicht fürs Menschenrecht, sondern zur geschichtslegendären Entlastung derjenigen, die bei der Demontage von Sozialstaat und Demokratie die Abbrucharbeiten an der Sozialdemokratie miterledigt haben.
Erschienen in Ossietzky 11/2005 |
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