Die roten Würfel sind gefallen

Gerhard Zwerenz

Im letzten stern vor dem sonntäglichen Untergang der SPD im rheinischen Urstromtal plauderte Kolumnist Jörges den Geheimplan aus: Statt des sozialdemokratischen Schreckens ohne Ende lieber ein schreckliches Ende mit Angela Stoiber. Die Hussiten werden vor Prag geschlagen, das Sudetenland zurückbesetzt, Erika Steinbach als Botschafterin nach Warschau entsandt, und sobald Bush endlich Fidel Castro im Sack hat, fordert Berlin von Rußland und China die unverzügliche Einführung der westlichen Demokratie, sonst wird ab morgen früh zurückgeschossen, weil wir aufs sibirische Öl nicht länger verzichten wollen.

Soviel zur bürgerlichen Außenpolitik. Innenpolitisch geht es auch flott voran. Lafontaine gründet eine westliche und Gysi eine östliche USPD, die sich zueinander verhalten wie CDU und CSU, also wie Katz und Maus. Die zurückbleibende Mehrheits-SPD erklärt sich offen für die Industrie, was völlig logisch ist: von der Arbeiter- zur Arbeitnehmerpartei. Doch woher Arbeit nehmen, sind die Arbeitsplätze alle exportiert? Da die Arbeiter nichts zu verlieren haben als ihre Arbeitsplätze, machen sie sich selbständig und werden Arbeitgeber mit Schröder als Vorsitzendem. Münte erläutert das so lange im Fernsehen, bis auch der letzte Sauerdeutsche gegen eine Spende von 1000 Euro seine Karte zur Fußball-Weltmeisterschaft erstanden hat. Mit angeschlossenem Parteibuch natürlich. Denn bei circa 80 Millionen Einwohnern mal 1000 Euro ergibt sich so viel Kohle, daß wir damit haushalten können, bis der nächste Kohl fett genug ist. Dann werden wir uns den USA oder China als x-te Provinz anschließen, je nachdem, wer uns am meisten liebt. Arbeiten jedenfalls muß dann keiner mehr, ausgenommen die armen Politiker und Milliardäre.

Erschienen in Ossietzky 11/2005