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Richard Schröder, Theologe, Richter, Professor, maßgebender Sozialdemokrat. – Sie beklagen, daß die Befreiungsfeiern am 8. Mai in der DDR einseitig nur der Befreier gedachten. »Gleichzeitig waren eine ganze Reihe meiner Schulkameraden vaterlos, und das kam dabei gar nicht vor.« Diese Zurücksetzung der Wehrmachtssoldaten hat jetzt die NDP am 8. Mai in Berlin wieder gutgemacht. Sie führte Fahnen und Transparente mit: »Sie waren die besten Soldaten der Welt.« Zufrieden?

Oskar Negt, Sozialtheoretiker. – »Alle reden jetzt über den Kapitalismus..., aber wie soll es weitergehen?«, fragen Sie in der Frankfurter Rundschau und mahnen »politische Schritte derjenigen« an, »die dieses Thema aufgerissen« haben. Damit sprechen Sie die SPD und speziell deren Vorsitzenden an. Allerdings hat Franz Müntefering, anders als Sie annehmen, den Kapitalismus gar nicht in Frage gestellt. Aber mal angenommen, er wollte ihn, was Sie empfehlen, »domestizieren«, weil er »wild« geworden sei (der Kapitalismus, nicht Müntefering), wie soll das durch sozialdemokratische Regierungspolitik geschehen? Da sehen Sie eine Chance: »Vielleicht mit einer antikapitalistischen Fundierung und Ergänzung der Agenda 2010.« Sie muten Gerhard Schröder zuviel zu. Und so weltfremd ist er nicht, daß er sich an die Quadratur des Kreises wagen würde, nicht einmal rhetorisch.

Redaktion vorwärts . – Auf die Titelseite Ihres Magazins für die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei haben Sie im Mai die Schlagzeile gesetzt: »Nackte Profit-Maximierung gefährdet die Demokratie«. Da wir nicht unterstellen wollen, daß Sie sich von Prüderie leiten lassen, verstehen wir diese Titelei als Ratschlag an deutsche Kapitalstrategen: Bitte sorgt dafür, daß es beim Profitmachen etwas diskreter zugeht!

Peer Steinbrück, noch Ministerpräsident, Düsseldorf. – »Auf der Werteebene«, so Ihre Auskunft an Interviewer der Süddeutschen Zeitung , sei Ihnen die neu entbrannte Kapitalismusdebatte willkommen, denn: »Die Leute sind froh, daß wir überhaupt darüber reden.« Aber: »Die instrumentelle Ebene ist eine andere«, es müsse ja »nicht gleich der Instrumentenkasten gesetzgeberischen Handelns geöffnete werden«. Genau, denn das besorgt Ihre Partei ja bei anderen Gelegenheiten und durchaus nicht zu kapitalismuskritischen Zwecken. Unangenehm kann es für Sie freilich werden, wenn bei der anstehenden Landtagswahl Bürgerinnen und Bürger die Politikebenen durcheinanderbringen und die SPD nach ihrer instrumentellen Tätigkeit werten.

Michael Diekmann, Vorstandschef der Allianz. – Auch von Ihnen, dem obersten Manager des weltweit umsatzstärksten Versicherungskonzerns, erbat die Süddeutsche ein Wort zur Kapitalismuskritik. Ob Sie sich getroffen fühlen? »Nein, es ist gut, wenn die grundsätzlichen Dinge diskutiert werden, vor allem, wenn am Ende die richtigen Ergebnisse stehen.« In diesem Sinne antworteten Sie auf die Frage, warum die Versicherungsbranche so eifrig den Umstieg in die private, »kapitalgedeckte« Altersvorsorge vorantreibe, das Rentensystem also ganz und gar kommerzialisieren wolle: »Wir wollen als Unternehmer gar nichts für uns selbst. Es geht um unser Land.« Mit diesem Ergebnis läßt sich dann die Diskussion grundsätzlich beschließen: Das Kapital, auch im Versicherungsgeschäft, handelt aus purem Patriotismus, es will für sich nichts und bekommt am Ende alles. Eine Art Bergpredigtlogik bestätigt sich da, postevangelisch.

Guido Westerwelle, FDP-Spitzenmann. – »Deutschland«, so Ihr Aufschrei auf dem Parteitag der Liberalen, »ist gar kein kapitalistisches Land.« Die FDP sei so etwas wie eine Arbeiterpartei und als solche werde sie, das haben Sie ebendort geschworen, die Bundesrepublik von der »Gewerkschaftsplage befreien«. Dafür gebührt Ihnen Anerkennung: Mit Ihrem Beitrag zum Kapitalismusdiskurs haben Sie den Vogel abgeschossen.

Erschienen in Ossietzky 10/2005