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Katalog (64 Seiten, 9,80 Euro) und Ausstellung sind Hans Christian Andersen zum 200. Geburtstag gewidmet. Was erwarten Arbeiter – Polen etwa –, die wie Nomaden umherziehen, immer dem Job nach? »Our new friends« sitzen abends um ein wärmendes Feuer, im Hintergrund ihr Wohnwagen-Anhänger, und träumen von der Braut. Oder ist es die Jungfrau Maria, die da im langen weißen Kleid erscheint? Auch dieses Bild ist von Till Gerhard gemalt, 2005. Wohnwagen hier oder amerikanische Einfamilienhäuser in Texas – ein Endlos-Video von Teresa Hubbard und Alexander Birchler gibt Einblick in eine schreckliche Idylle. »Single Wide« ist der Name eines Fertighauses, das in seinem Horror vorgeführt wird. Dann eine völlig verzweifelte junge Frau in ihrem Wagen vor dem Haus, gibt Gas und fährt hinein. Stille, nur ein Telefon klingelt, von draußen zirpen Grillen. Ist das Haus aus Blech oder gar aus Pappe? Sie begutachtet ihre – nur leichten – Verletzungen vor dem Spiegel. Dann beginnt alles von vorn. Sie setzt sich ins Auto, fährt gegen die Wand, bricht durch ins Zimmer. Bei Gregory Crewdson ist es ein Baum, der das Dach des Schlafzimmers zerschlagen hat – aber die Wurzel hängt in der Luft am Seil, mitten im Raum. Soll der »bedroom tree« im Zimmer eingepflanzt werden, mitten in der Nacht? Die inszenierte Photographie macht viele Geschichten möglich. Der 1970 geborene Henning Kles läßt die Bäume blattlos. Sie wachsen am modrig violetten Wasser der »Ludergrube«. Im chromoxydgrünen Gras steht ein Junge und starrt auf die Giftpilzkolonie zu seinen Füßen. Oder die Natur wird aufgerollt wie eine Ölsardinen-Dose. Christian Hahns Riesenkolibris in schreienden, aber kalten Farben stören, sind eine »Brutstätte« – wofür? Ein Mann in Schutzkleidung muß sie wegsprühen wie Insekten. Auf Dennis Scholls Zeichnungen sind merkwürdige Wesen dargestellt. Marsbewohner? Oder geklonte Menschen? Die Phantasien des 25jährigen – er ist der Jüngste – sind von Horrorfilmen, von Science-Fiction getrieben. Nicht Klone auf Papier, nein, grinsend im Raum stehend, nackt oder mit Ballettröckchen, mit Vampirzähnen oder knallgelb angemalt, das sind die Kinder, die Pia Stadtbäumer aus Wachs oder Kunststoff schuf. Sie tragen ein Schäfchen um die Schulter gelegt oder eine Schießscheibe auf dem Bauch, irritierende Puppen. Ein Kind hat sich in die Ecke eines großen Bettes verkrochen, über ihm hängt kopfunter eine grauenerregende dunkle Gestalt, mit Fingern, die erwürgen wollen. Alle Grautöne in raffinierter Malweise. Der Albtraum – ein Märchen von Andersen. »A night to remember« nennt Ena Swansea ihr Bild. Der bekannteste unter den jungen Künstlern ist Neo Rauch, 1960 in Leipzig geboren. Er setzt Figuren aus einer vergangenen Reklame-Welt in eine Natur, die genauso künstlich wirkt, mit Hinweisschildern, auf denen kein Wort steht. Die Arbeiten, die verrichtet werden, scheinen sinnlos. Jonas Burgert (Jahrgang 1969) zeigt in seinen Riesenbildern Rätselhaftes. Das Gemälde »Milch bleichen«, von der Kunsthalle angekauft, ähnelt in seiner Absurdität Rauchs Bildern. Tiere, Affen vor allem, sind an die Stelle der Menschen gesetzt, sie können auch Waffen tragen. Auf dem Bild »Begleiter« ist es ein Kind mit Gewehr, das seine beiden Schutzengel – hier Geier – durchs Gebirge führt. Ein »Vorkämpfer« ist ein Affe, auf einem Altartuch sitzend, der gelaust wird von kleinen Affengerippen. Ein Mensch, »Streiter« genannt, steht mit Geweih auf dem Kopf in einer Wohnküche im Waschbecken. Kämpfend. An der Wand, ein Blatt angepinnt, ein »Wilder« mit Lanze. Auf dem Bild »Selbstjäger« hat sich vorn, ganz klein wie ein Stifter, der Maler selbst dargestellt mit vertrocknetem Palmzweig in der Hand. Geschichtenerzähler ja – doch anders als bei Andersen. * Eine zweite Ausstellung der Hamburger Kunsthalle, »Begierde im Blick«, widmet sich ganz der surrealistischen Photographie zwischen 1924 und 1939. Viele Künstler, so auch der bekannteste, Man Ray, mußten dann emigrieren, weil Paris nicht mehr sicher war. Ihre antiklerikale und antipatriotische Einstellung verband die Surrealisten, doch mit dem Eintritt Bretons und Eluards in die kommunistische Partei Frankreichs – sie wurden bald wieder ausgeschlossen – waren nicht alle einverstanden. Es gab Abspaltungen. Breton gründete später eine antifaschistische Kampfvereinigung revolutionärer Intellektueller. Dali dagegen zeigte Sympathie für die Faschisten. Von der Internationalen Ausstellung der Surrealisten in London 1936 ist im Katalog (224 Seiten, 25 Euro) ein skurriles Detail zu entdecken. Dali trat dort im Taucheranzug auf, um sein »Eindringen ins Unbewußte« zu demonstrieren. Es ist überliefert, der Helm habe sich beinahe nicht mehr öffnen lassen, so daß Dali, der Ungeliebte, fast erstickt wäre. Paris war die wichtigste Stadt der Surrealisten, und so wird die berühmte Internationale Ausstellung 1938 ausführlich beschrieben und mit Photos belegt. Ein begehbares Modell hilft bei der räumlichen Vorstellung, zeigt etwas von der Atmosphäre der wilden Jahre. Dora Maar, Picassos Muse und Geliebte, lernen wir hier als eigenwillige Photographin kennen. Sie nahm auch die verschiedenen Fassungen des Guernica-Bildes mit der Kamera auf.
Erschienen in Ossietzky 10/2005 |
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