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Was sind schon die Leiden der deutschen Zivilbevölkerung, die nichts im Kopf hatte, als das eigene Leben zu retten, verglichen mit der Tragik eines Mannes, der mit der bitteren Gewißheit in den Tod geht, daß sein ganzes Lebenswerk gescheitert ist! Ach, der? werden Sie sagen. Wissen Sie überhaupt, wieviel Bücher man seither über ihn geschrieben hat? Niemand hat sie gezählt. Und hat er nicht die Welt verändert und eine ganze Epoche geprägt? Man kann heute gegen ihn sagen, was man will, er bleibt eine historische Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts. Das geben selbst seine schärfsten Kritiker zu. Und dann muß man doch auch einmal den Menschen dahinter sehen. Die schwere Jugend, der Erste Weltkrieg, die Zeit der Arbeitslosigkeit in den Männerasylen, nicht zu vergessen die politischen Erfahrungen, die er als Polizeispitzel gesammelt hat: das formt doch einen Charakter. Schließlich seine Niederlage als Künstler. Da niemand seine Tuschzeichnungen haben wollte, wählte sein Gestaltungswille sich eben größere Gegenstände. Aber entscheidend für seine Laufbahn war sein rhetorisches Talent, das ist ihm zum Verhängnis geworden. Er selbst hat immer wieder betont, daß er aus bescheidenen Verhältnissen stammte und nie etwas anderes sein wollte als der erste Arbeiter des Volkes. Es waren die anderen, die ihn zum Gott erhoben und anbeteten, gegen seinen Willen. Und heute lassen sie kein gutes Haar an ihm. Selbst daß er die Worte »sozialistisch« und »Arbeiter« in den Namen seiner Partei aufnahm und in seinem Programm Enteignungen forderte, wird ihm jetzt vorgeworfen. Dabei war das doch nur eine Konzession an das Zeitklima, das vergißt man immer. Er war nie für die Gewerkschaften und wünschte aufrichtig Ruhe und Ordnung. Deshalb konnte er auch das Vertrauen und die Wahlspenden der Schwerindustrie und der Großbanken gewinnen, die sich dasselbe wünschten. Andere wiederum nennen ihn einen Verräter, weil er 1934 angeblich seine treuesten Freunde abgeschlachtet hat. Aber diese Leute wollten wirklich eine soziale Revolution, wie er sie vor 1933 versprochen hatte. Was blieb ihm da anderes übrig? Hätte er vielleicht abwarten sollten, bis sich in seiner eigenen Partei eine Opposition bildet? Daß er die Demokratie abschaffen und alle politischen Gegner und ihre Organisationen liquidieren mußte, zuerst natürlich die Kommunisten, versteht sich, so gesehen, beinah von selbst. Wie hätte er sonst je den Zweiten Weltkrieg vorbereiten und all die – zugegeben – harten Maßnahmen durchführen können, die so ein Krieg mit sich bringt? Daß die Massentötung von Frauen und Kindern wahrscheinlich nur eine Präventivmaßnahme aus Angst vor dem Bolschewismus war, darauf hat ja ein bekannter Historiker dankenswerterweise schon vor Jahren hingewiesen. Außerdem weiß man bis heute nicht, ob die Zahlenangaben in den erhalten gebliebenen Akten nicht seinerzeit von der SS aus Ruhmsucht aufgebauscht worden sind. Und schließlich führt uns die Ausländerpolitik heute doch täglich vor Augen, wie schwierig es ist, solche Probleme auf humane Weise zu lösen. Im übrigen ist es einfach nicht wahr, daß er es nur auf eine bestimmte Menschengruppe abgesehen hatte. Auch 30 bis 50 Millionen Slawen sollten verschwinden, um für die Deutschen Siedlungsraum im Osten freizumachen, das hat sein Freund Himmler selbst gesagt. Die Pläne dafür kann jeder studieren, dem es um die historische Wahrheit geht. Es ist schließlich nicht seine Schuld, daß sie nach 1945 nicht mehr ausgeführt und nur 27 Millionen von ihnen beseitigt werden konnten. Schuld trifft vor allem die Generäle, die ihn falsch beraten haben und zu feige waren, ihm die Wahrheit zu sagen. Er selbst war doch ein militärstrategischer Laie und auf professionelle Unterstützung angewiesen. Versagt hat aber praktisch das gesamte deutsche Volk, von dem er sich ja am Ende auch losgesagt hat, weil es seiner nicht würdig war. Die große Mehrheit der Deutschen war, wie sich nachträglich herausgestellt hat, stets gegen ihn. Zumindest innerlich. Es werden von Jahr zu Jahr mehr, die sich offen dazu bekennen. Aber selbst seine engsten Vertrauten intrigierten gegen ihn. Inzwischen weiß man doch, daß er die ganzen Kriegsjahre hindurch völlig isoliert und von Widerstandskämpfern geradezu umzingelt war. Nachträglich scheint es fast ein Wunder, daß er sich so lange an der Macht halten konnte. Kaum war er tot, da zeigten jene, die immer geheuchelt hatten, seine Anhänger zu sein, die ihm zugejubelt und jeden Vorteil wahrgenommen hatten, ihre wahre Gesinnung. Demokraten waren sie, in der Wolle gefärbt, einer wie der andere, Freunde des freien Worts und des Friedens unter den Völkern. Alle hatten sie nur zur Tarnung mitgemacht, das muß man sich einmal vorstellen. Zwölf Jahre lang haben die sich verstellt – und niemand hat es gemerkt.
Erschienen in Ossietzky 10/2005 |
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