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In den Standardreden – die, wie die des Bundespräsidenten Köhler, vielfach den erklärten Zweck hatten, uns Deutsche stolz zu machen – blieben viele Aspekte ausgespart. Ich will einige Beispiele nennen. Ein besonders dunkles Kapitel bundesdeutscher Geschichte ist bis heute ein Tabu-Thema geblieben. Es spielt in den 50er und 60 Jahren und handelt von politischer Verfolgung großen Ausmaßes – gerichtet nicht etwa gegen Alt- und Neonazis, sondern gegen über 200 000 Antifaschisten, Kommunisten, und andere Linke, und zwar wegen gewaltfreier Oppositionsarbeit: Da reichte es schon aus, gegen die Remilitarisierung des Landes zu kämpfen, um hinter Gittern zu landen. Die Verfolger in Polizei und Justiz waren nicht selten die alten Nazi-Täter, die systematisch wieder in den Staatsdienst eingegliedert worden waren. Und auch die Opfer blieben die gleichen: Menschen, die Widerstand gegen den Faschismus geleistet und in der NS-Zeit mit äußerster Härte verfolgt worden waren. Die Betroffenen sind bis heute nicht rehabilitiert. Vielen kommunistischen NS-Opfern wurden auch noch sämtliche Wiedergutmachungsansprüche verweigert – wegen politischer »Unwürdigkeit«. Hier zeigt sich: Nicht allein die Stasi-Geschichte der DDR ist es wert, aufgearbeitet zu werden, auch die großen dunklen Flecken der westdeutschen Staatsschutz-Geschichte müssen endlich der Verdrängung entzogen, die vergessenen Justizopfer des kalten Krieges schnellstens rehabilitiert und entschädigt werden. Auch heute noch werden Antifaschisten diskriminiert und mit Strafe bedroht. So hat erst kürzlich in Baden-Württemberg ein Lehramtskandidat Berufsverbot erhalten, nur weil er sich in einer antifaschistischen Initiative engagiert. Und in München wurde ein 78jähriger Antifaschist und ehemaliger KZ-Häftling verurteilt, weil er dazu aufgerufen hatte, sich einem Aufmarsch von Alt- und Neonazis entgegenzustellen. Solche Anklagen mehren sich. Die Kriminalisierung des Protests ist zum staatlichen Hindernis für die allseits geforderte zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Neonazismus geworden. Gerade die antifaschistischen Bündnisse, die sich vor Ort engagieren, müßten als wesentlicher Bestandteil der politischen Kultur verstanden und gewürdigt werden. Ohne den massiven Protest gegen den NPD-Aufmarsch am 8. Mai in Berlin, gegen die nationalistische Umdeutung der Geschichte, wäre die offizielle 8.-Mai-Feier kaum der Reden wert gewesen. Trotz aller Strafandrohung muß es bei dem Aufruf bleiben: Stellt Euch den Neonazis in den Weg, wo immer Ihr sie trefft! Seit 1990, dem Jahr der deutschen Vereinigung, sind mehr als 100 Menschen von Neonazis und anderen fremdenfeindlich eingestellten Tätern erschlagen, erstochen, aus fahrenden Zügen geworfen, zu Tode gehetzt oder verbrannt worden. Und die Terrorangriffe gegen Asylbewerber und Migranten, gegen Obdachlose und Behinderte, gegen Juden und Linke gehen weiter. Aber die Behörden tun immer noch meistens so, als wüßten sie von nichts – schon gar nicht von einem neonazistischen Hintergrund der Taten. Sie schweigen und leugnen oder, wenn das nicht mehr hilft, verharmlosen und sind überzeugt, damit dem Ansehen der Gemeinde, des Kreises, des Landes, der Bundesrepublik Deutschland zu dienen. Eine wichtige Konsequenz aus den leidvollen Menschheitserfahrungen mit zwei verheerenden Weltkriegen ist die Allgemeine Menschenrechtserklärung – genauso wie die Charta der Vereinten Nationen, die zur Wahrung des Weltfriedens auf das Prinzip der Gewaltfreiheit setzt. Doch seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 kommen Menschenrechte mehr und mehr unter die Räder, werden aggressive »Anti-Terror«-Kriege geführt, die im Namen der Sicherheit letztlich globale Unsicherheit produzieren. Deutschland hat der Devise »Nie wieder Krieg!« längst schon abgeschworen und sich selbst an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen beteiligt. Auch Europa rüstet für weltweite Kriseneinsätze zur militärischen Sicherung von Wirtschaftsinteressen. Mit der geplanten EU-Verfassung sollen die Mitgliedstaaten sogar zu Aufrüstung und globaler Kriegsbereitschaft ihrer Armeen verpflichtet werden – Aufrüstung als Verfassungsziel, ein einzigartiger Vorgang in der europäischen Verfassungsgeschichte, ein Subventionsversprechen an die Rüstungsindustrie. Und der Bundestag will sich jetzt das Recht herausnehmen, diesen Verfassungsvertrag zu ratifizieren – ohne jegliche Beteilung der Bevölkerung. Eine »Friedensmacht Europa« ist mit dieser Verfassung nicht in Sicht, stattdessen ein neuer Weltpolizist. Nein zu dieser Entrechtung und Militarisierung, Ja zu einem demokratischen, sozialen und friedlichen Europa! Der sogenannte Antiterrorkampf hat sich als ein gigantisches Umorientierungs- und Umgestaltungsprogramm herausgestellt: Wir sind Zeugen einer Demontage hergebrachter Standards des Völkerrechts und der Bürgerrechte – zivilisatorischer Errungenschaften, die über Jahrhunderte mühsam, unter schweren Opfern erkämpft worden sind, Lehren und Konsequenzen, die nicht zuletzt aus den schlimmen Erfahrungen mit Faschismus und Krieg resultieren. Zu diesen Lehren gehört ein humaner Umgang mit Asylsuchenden, die politischer Verfolgung entfliehen konnten. Doch längst ist das Asylgrundrecht zur Unkenntlichkeit demontiert worden, längst werden Migranten per Antiterrorgesetz unter Generalverdacht gestellt und einem rigiden Überwachungsregime unterworfen. Sie sind die eigentlichen Verlierer des staatlichen Antiterrorkampfes. Mit Otto Schilys Antiterror-Paketen ist der präventiv-autoritäre Sicherheits- und Überwachungsstaat in greifbare Nähe gerückt. Selbst die neoliberale FDP will das neuerdings erkannt haben. Doch was hat wohl ein Westerwelle aus der Geschichte gelernt, wenn er die Gewerkschaften allen Einflusses berauben will? Und was die famosen Kapitalismuskritiker der SPD, die zwar besonders krasse Erscheinungsformen des Kapitalismus beklagen, aber die strukturellen Ursachen von Arbeitslosigkeit und sozialer Ungleichheit ignorieren? Und wie glaubwürdig ist eine Partei, die internationale Investoren als asoziale Heuschrecken bezeichnet – ihrerseits aber rigoros Sozialabbau betreibt, also die Zerstörung sozialer Gerechtigkeit? Dieses Land braucht eine starke außerparlamentarische Opposition und widerständige Menschen, die die demokratischen Lehren aus Krieg und Faschismus der Verdrängung entreißen, die Bürger- und Menschenrechte neu erkämpfen, den Neonazismus, den Rassismus und alles Herrenmenschentum konsequent bekämpfen und sich allen Kriegen widersetzen. .
Erschienen in Ossietzky 10/2005 |
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