Berlin könnte gerettet werden

Lothar Kusche

Die Hauptstadt hat, was (mit dem Wunsch nach Almosen) fast in alle Welt hinausposaunt wird, gewisse Probleme finanzieller Art. Vielleicht liegt es daran, daß in diesem Ort einflußreiche Originale ihr besonderes Talent vorführen, welches darin besteht, das Geld, das man nicht hat, mit beiden Händen aus dem Fenster einer dubiosen Bankgesellschaft hinauszuwerfen. Der Finanzsenator sieht neuerdings nicht besonders glücklich aus, was Kenner aber nicht auf Schrumpfung kommunaler Gelder zurückführen, sondern auf ein nervöses Problem des Beamten. Möglicherweise ist dieses Problem sogar indirekt durch die Ebbe in der Stadtkasse entstanden. Aber da ich nur wenig von Wirtschaftsführung und noch weniger von Psychosomatik verstehe, möchte ich keine Vermutungen äußern. Heiter zeigt sich indes der gelegentlich auch Regierende Bürgermeister von Berlin, weil die berühmten »Eisbären« feine sportliche Siege errungen haben. Das ist sehr erfreulich! Und da scheint mir auch des Pudels Kern begraben zu liegen. Schon aus einem volkstümlichen Lied ist bekannt: »Mit Humor und guter Laune hat man manches schon erreicht.« Na also.

Wissen Sie, was uns hier in Berlin zu fehlen scheint? Wir haben hierorts noch nicht genügend Denkmäler. Im Tiergarten gab es mal mehr Denkmäler als Bäume, von Tieren ganz zu schweigen (außer wilden Kaninchen); das hat sich durch Kriegs- und Nachkriegs-Einwirkungen geändert. Vom Brandenburger Tor zum Reichstag führt die »Kanzler-U-Bahn«, die man aber von oben leider nicht sieht, weil sie, wie viele U-Bahnen, unterirdisch fährt, falls sie fährt. Weit und breit aber kein Denkmal! Irgendwo gibt es zum Entzücken von Frau Merkel schon ein Denkmal für Herrn Adenauer, und in der SPD-Zentrale befindet sich eine relativ unkenntliche Willy-Brandt-Skulptur. Nicht im Tiergarten.

Peter Gauweiler (CSU) und Willy Wimmer (CDU) sind nun, vielleicht beim letzten Oktoberfest, auf die Idee gekommen, hinterm Brandenburger Tor mittels eines Standbildnisses drei Männer »zu ehren, weil ohne sie die Überwindung der Mauer, der Sieg der Freiheit und die deutsche Einheit nicht möglich geworden wären«. Also vielleicht ein Monument für den Vater der Einheit, Helmut Kohl, der bekanntlich, nachdem er diese gezeugt hatte, uns auch noch den Euro schenkte? Wer aber sind dann die beiden anderen Helden der neueren Geschichte? Die das Grenz-Bauwerk überwinden wollten, und manchen ist dies gelungen, gingen ein gefährliches Risiko ein. Gauweiler und Wimmer meinen aber offenbar nicht die Überwindung, sondern die Beseitigung der Mauer. Es lebe die deutsche Einheit; über die deutsche Sprache unterhalten wir uns später – die überwinden wir beiläufig auch noch.

Um es kurz zu machen: Die plastische Menschen-Troika (die Berlin zumindest moralisch retten könnte) soll darstellen und rühmen den verstorbenen Papst Johannes Paul II., den ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und natürlich, der ist immer dabei, den »früheren sowjetischen Staatschef« Michail Gorba-tschow. Darauf würde ich gern einen nach ihm benannten Wodka trinken, aber sowas hat er mir damals mit seiner Anti-Schnaps-Kampagne, die nur an Kollegen Jelzins starker Persönlichkeit abprallte, verekelt. Reagan und Wojtyla mögen sich im Himmel dazu beglückwünschen, welche Überwindungen, Siege und Einheiten sie auf Erden ermöglicht haben. Und wie Gauweiler und Wimmer sie nun dafür auszeichnen wollen. Sollte das Monument entstehen, würde ich gern mal mit dem Hausschlüssel dran klopfen, um zu hören, was ich längst von dem polnischen Dichter Stanislaw Jerzy Lec weiß: Die meisten Denkmäler sind hohl.

Erschienen in Ossietzky 9/2005