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Der Sachverhalt: Mitte Februar fand in München die NATO-gestützte sogenannte »Konferenz für Sicherheitspolitik« statt, bekanntermaßen ein hochrangig besetztes Treffen von Firmen und Politikern, die am Rüstungsgeschäft und infolgedessen an möglichst weiter Verbreitung und schnellem Verbrauch von Massenmord-Artikeln interessiert sind. Parallel zu dieser traditionell unter massivem Polizeischutz im noblen Ambiente der Superreichen-Absteige »Bayerischer Hof« durchgeführten gemeingefährlichen Zusammenrottung hatten als Gegengewicht 60 Friedensgruppen nun schon im dritten Jahr eine »Internationale öffentliche Friedenskonferenz« angesetzt. Planung und Organisation wurden unter allgemeiner Zustimmung – was läge näher – dem Landesverband Bayern der DFG-VK anvertraut. So weit so gut. Auf den ersten Blick sogar noch besser: Die rotgrün regierte Stadt München zeigte sich bereit, dem Friedenskongreß ihren traditionsbeladenen Festsaal des Alten Rathauses zu überlassen, und stellte überdies »einen kleinen finanziellen Zuschuß« in Aussicht. Geschehen noch Zeichen und Wunder? Nein, natürlich nicht, und wer das meint, hat noch nie etwas von Haken und Pferdefüßen gehört. SPD-Oberbürgermeister Christian Ude nämlich stellte schon bald seine Bedingungen. Saal und Zuschuß könnten nur dann bewilligt werden, wenn die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) von der Unterstützerliste der Konferenz gestrichen werde. Auch müsse der Text des Aufrufs geändert werden. Hatte es in der Originalfassung noch geheißen: »Nach den Kriegen gegen Jugoslawien, Afghanistan und den Irak...«, so sollte nach den Vorstellungen des spezialdemokratischen Stadtoberhauptes die Passage nun lauten: »Nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak...« (Hervorhebungen von mir; D.K. ). Daß es sich bei diesem Ansinnen keinesfalls um den stilistischen Verbesserungsvorschlag eines fürsorglichen Rathausgermanisten handelte, sondern um den unverfrorenen Versuch erpresserischer Einflußnahme seitens eines Regierenden auf den Inhalt politischer Meinungsäußerungen anderer, muß angesichts der Durchsichtigkeit des Verlangens kaum groß erklärt werden: Völkerrechtswidriger Angriffskrieg, was ist das? Statt nun aber auf Artikel 5 des Grundgesetzes zu verweisen (»Eine Zensur findet nicht statt«) oder die gebotene Strafanzeige wegen Nötigung gegen den Oberbürgermeister zu erstatten, fügt sich der in Sachen Friedenskongreß federführende Landesverband Bayern der DFG-VK in Gestalt seines Vorsitzenden Tommy Rödl der Zumutung widerspruchslos!!! Ohne alle unterstützenden und mitarbeitenden Gruppen und Organisationen zu befragen oder auch nur zu informieren, verfügt er die »Streichung« der DKP und läßt die inkriminierte Textstelle eilfertig und wunschgemäß verfälschen. Ist der Herr Rödl so geil auf den Renommier-Saal im Rathaus, daß er dafür alle demokratischen Grundregeln über Bord wirft und entgegen den Tatsachen flugs selber befindet, was die Bündnispartner unterschrieben haben sollen? Die Vokabel Manipulation wäre hier untertrieben. Gibt es in München sonst keine Säle? Es muß ja nicht gleich das Hofbräuhaus sein. Für wie viele und welche Textänderungen hätte man vielleicht sogar den »Bayerischen Hof« als Tagungsort bekommen, zusammen mit den Kollegen von der NATO? Vielleicht sollte man das Grundgesetz ändern? Artikel 5: »Eine Zensur findet jederzeit durch den Herrn Oberbürgermeister Ude zu München statt. Und zwar persönlich.« Der Herr hat ja nicht einmal seinen Stadtrat befragt. Und was den »kleinen Zuschuß« betrifft – eine genaue Höhe war bei Nachfragen nicht zu erfahren –, ab welcher Summe ist unsere Meinung käuflich? Abgesehen von der Schofeligkeit des Verfahrens im Falle DKP (wurde die überhaupt selbst von der obrigkeitlich gewünschten Eliminierung unterrichtet?): Soll die Deutsche Friedensgesellschaft allfällige Unterschriftensammlungen oder Spendenaufrufe etwa zukünftig mit der Formel abschließen: »Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung – vorbehaltlich der Zustimmung staatlicher Stellen«? Denkbar wäre auch die Formulierung: »Wir bitten um Unterschrift unter den obenstehenden Text, der sich nach Intervention eines Bürgermeisters oder aufgrund von Geldzahlungen interessierter Kreise später allerdings inhaltlich noch erheblich ändern kann.« Wäre es nicht erwägenswert, durch noch mehr Unterwürfigkeit noch mehr staatliche Sponsoren zu gewinnen? Wenn man etwa dem Bundeskriegsministerium das Recht auf kritische Durchsicht und verbindliche Änderungswünsche für alle Texte der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgeg- nerInnen gewährte, wäre aller Wahrscheinlichkeit durchaus mit Zuschüssen aus dem Hause Stuck zu rechnen. Möglicherweise dürfte der nächste Friedenskongreß dann sogar auf einer NATO-Luftbasis stattfinden? Als sinnvoll erweisen könnte sich bei Neuaufnahme von Mitgliedern wohl auch eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst oder gleich beim Hausmeister des Münchner Rathauses. Dringend notwendig wäre aber auf jeden Fall eine Umbenennung des Verbandsblättchens Zivilcourage (!!!) in »Der Opportunist«. * Bis hierher der erste Teil des Skandals. Wer nun allerdings glaubt, die Affäre ließe sich durch scherzhafte Übersendung einiger blauer Pillen zur Stärkung des Rückgrats gewisser Münchner Friedensfunktionäre abschließen, der irrt nachhaltig. Entgegen allen Regeln dramatischer Kunst folgt der Tragödie diesmal nämlich nicht das Satyrspiel, sondern ein zusätzlicher Akt, in dem sich die Perfidie des Schurkenstücks noch steigert. Empört über die geschilderten Machenschaften verließ ein großer Teil der Gruppen, darunter beispielsweise das »Münchner Friedensbündnis«, Attac oder der Münchner Kreisjugendring, den Unterstützerkreis. Die Friedensbewegung war damit gespalten, ganz so wie der Herr im Rathaus sich das wohl gedacht hatte. Nachfragen bei Mitgliedern des DFG-VK-Sprecherrats – dem nebenher auch Christian Rödl angehört – ergaben bestenfalls butterweiche Statements. Alles war offensichtlich auf Aussitzen geschaltet. Unter den Mitgliedern muß es dann aber doch erhebliche Unruhe gegeben haben, denn in München ging ein beschwichtigender Rundbrief »An die UnterstützerInnen der Münchner Friedenskonferenz 2005« heraus, der ausdrücklich davor warnt, »die Diskussion über die Schwierigkeiten im Vorfeld der Konferenz im Rahmen des internationalen Forums zu führen...« Logisch: Demokratisch legitimierte Kongresse zeichnen sich bekanntermaßen stets dadurch aus, daß die Erörterung unbequemer Themen verboten ist. Zum Ausgleich gab es dann unter dem Stichwort Bündnispolitik im Verbandsmagazin ein Interview mit Sprecherrat Rödl. Der legt fix noch ein Schäufelchen nach und äußert sich emphatisch über die Notwendigkeit der »Abgrenzung von linken Parteien, die sich von den herrschenden Parteien u.a. dadurch unterscheiden, daß sie noch keine Gelegenheit hatten, einen ›gerechten Krieg‹ zu führen.« Das ist natürlich Rabulistik; oder wären die Kriegsabstimmungen im Deutschen Bundestag etwa einstimmig verlaufen? Da hätten Abgeordnete linker Parteien doch durchaus Gelegenheit gehabt, einen Krieg mitzuführen. Sie wollten aber leider nicht. Und: Wie wäre es denn mit der Abgrenzung von den Berliner Blockparteien, die bisher mehrfach die Gelegenheit wahrgenommen haben, tatsächlich ihrer Auffassung nach »gerechte Kriege« zu führen? Na?! – Im Gegenteil: der Herr Ude als Repräsentant einer wirklich Kriege befürwortenden Partei darf die Friedensbewegung auf seine aufdringliche Art mitgestalten. Denn, so Rödl: »Die Friedenskonferenz in München ...wäre ohne die politische Unterstützung durch die rotgrüne kommunale Mehrheit nicht möglich gewesen.« Mehr noch, meine ich: Sie wäre ohne rotgrüne Berliner Kriegspolitik gar nicht so dringend notwendig gewesen. Fazit aus Rödls Interview: Diffamierung linker Friedensfreunde ist jetzt nicht mehr allein Sache der CDU/CSU, der Bundesregierung, des Bundesverbandes der Rüstungsindustrie, der NPD, des Reservistenverbandes oder gar der »Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik« der NATO. Auch Friedensfunktionäre mischen da schon kräftig mit. Meinen Mitgliedsausweis werde ich – vorläufig – behalten, solange mein Verein noch gegen Kriege ist. Und solange es noch Chancen gibt, Skandale wie den oben geschilderten verhindern zu helfen. Oder bis der Landesverband Bayern beim Herrn Ude nachfragen läßt, ob ich nach dessen maßgeblicher Meinung als Mitglied noch tragbar bin.
Erschienen in Ossietzky 9/2005 |
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