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März dieses Jahres. »Ein Meisterwerk«, wie der Informationsbrief Weltwirtschaft und Entwicklung findet: »In einer Mischung von visionärer Kraft und pragmatischem Durchsetzungswillen legt er einen feingesponnenen Fahrplan für weltpolitische Weichenstellungen auf dem Millennium+5-Gipfel (im September) vor.« Das klingt wie der Kommentar des Handelsblatt zu einer Rede des Bundespräsidenten. In der Tat, dieser Bericht ist ein echter Ruck-Aufruf, die jetzt vorhandene Chance zu ergreifen und die Millenniumsziele »als gemeinsame Visionen der Entwicklung« in die Tat umzusetzen. Es sind sieben Entwicklungsziele, die zwar schon Jahrzehnte alt, aber, da immer noch uneingelöst, eben doch ganz jung sind: 1. Beseitigung der extremen Armut und des Hungers, 2. Verwirklichung der allgemeinen Schulbildung, 3. Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Frau, 4. Senkung der Kindersterblichkeit, 5. Bekämpfung von AIDS, Malaria und anderen Krankheiten, 6. Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit, 7. Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft. Man kann bemängeln, daß wichtige Ziele fehlen wie die vollständige Abrüstung und der Verzicht auf Nuklearwaffen. Ungeklärt bleibt auch, warum der Generalsekretär gerade dieses Jahr als »Moment der Geschichte« bezeichnet, in dem der Durchbruch im Kampf gegen Not und Armut gelingen kann. Weil China und Indien deutliche Entwicklungsschritte gemacht haben? Weil der Irak ein sicheres Protektorat der G7 geworden ist? Weil dies Annans letzte Amtsperiode ist, die 2006 endet? Weil Bolton als Bushs Rottweiler droht? Die UNO steht in der Tat unter mächtigem Reformdruck. Im Juli 1997 hatte Annan der Generalversammlung einen 90 Seiten starken Bericht »Erneuerung der Vereinten Nationen: Ein Programm zur Reform« und 2000 seinen Millenniumsbericht »Wir, die Völker« vorgelegt. Bereits 1995 hatte sein Vorgänger Boutros-Ghali zwei wichtige Agenden für Frieden und Entwicklung verfaßt. So liegen nun vier Enzykliken vor, um die herum hochrangig besetzte Expertengruppen weitere Berichte erstellt haben, die helfen sollten, die Ziele zu erreichen. Doch nichts kann gelingen, solange sich die USA verweigern, denen hauptsächlich daran gelegen ist, daß die UNO billiger und schwächer wird. Dem Drängen Washingtons nachgebend hat Annan die Position eines stellvertretenden Generalsekretärs geschaffen, die er mit der Kanadierin Louise Frechette besetzt hat. Er hat die Kürzung der jährlichen Ausgaben um 13 Prozent und die Verringerung der Zahl der Mitarbeiter um 25 Prozent versprochen, die Verwaltungskosten sollen von 38 auf 25 Prozent sinken – bei einem Gesamthaushalt der UNO, der in etwa dem der Stadt Gießen entspricht und kaum das Budget der New Yorker Polizei erreicht, ein wahrlich protestantisches Reformprogramm. Und dennoch hat er den US-Kongreß nicht dazu bewegen können, die 1,3 Milliarden US-Dollar Schulden an die UNO zu begleichen. Überdies ist äußerst zweifelhaft, daß sich die USA – ob mit Bolton oder einem anderen – von all den zukunftsweisenden Vorschlägen zum Kampf gegen Armut, Hunger, Analphabetentum und Überschuldung beeindrucken lassen. Die Errichtung neuer Kommissionen und die Umstrukturierung alter Organisationen wie des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC), des überflüssigen Treuhandrats, der UNIDO in Wien oder der Menschenrechtsorganisation in Genf werden nur insoweit ihren Beifall finden, als sie kostenneutral sind und keine Stärkung der UNO bewirken. Die von Annan angeregte Umwandlung der Menschenrechtskommission in einen kleineren, permanent tagenden Menschenrechtsrat, um ihre »schwindende Glaubwürdigkeit und abnehmende Professionalität« wiederherzustellen, muß noch von den 191 Staaten beschlossen werden. Ob die damit bezweckte Trennung von allbekannten »Schurkenstaaten« wie Libyen oder Iran die Professionalität garantieren wird, ist nicht sicher. Auch sogenannte unabhängige Experten werden die alljährlichen ideologischen Konfrontationen um die Resolutionen gegen Kuba, China und Israel nicht umgehen können. Zentrum der UNO-Reform ist auch für Kofi Annan die Veränderung der Zusammensetzung des UN-Sicherheitsrats, der repräsentativer und demokratischer werden soll. Deutschland hat die Erfüllung dieses Zieles immer mit seiner Aufnahme als ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat verwechselt. Das sehen nicht nur die USA und Italien, sondern zumindest ein harter Kern von weiteren 15 Mitgliedstaaten anders. Sie haben bereits 1997, als sich die noch in Bonn residierende Regierung auf der 52. Generalversammlung den Durchbruch von einer Rahmenresolution zur Erweiterung erhoffte, eine Entscheidung verhindert. Acht Jahre später stehen die Sterne nicht günstiger. Ob das Modell A mit sechs neuen ständigen und drei nichtständigen Sitzen oder das Modell B mit acht erneuerbaren vierjährigen Sitzen und einem zusätzlichen nichtständigen Sitz – beide von Annan zur Diskussion gestellten Modelle rütteln nicht an dem Veto-Recht der fünf ständigen Mitglieder. Es soll ihnen nicht genommen, aber auch nicht auf weitere Staaten ausgedehnt werden. Gewiß macht es einen Unterschied, ob die UNO von einem Mann wie Annan mit humanen und sozialen Absichten organisiert wird oder von Verächtern der UNO wie Bolton, Wolfowitz oder Rumsfeld. Seine Macht und Visionen enden jedoch ebenso schnell an den Interessen der großen Industriestaaten wie vor 30 Jahren der Versuch, eine neue Weltwirtschaftsordnung zugunsten der armen Staaten zu entwerfen. Damals ließen die Paviane des Weltmarkts die »Charta der ökonomischen Rechte und Pflichten« von 1974 und das dazu verabschiedete Aktionsprogramm noch mit Stimmenthaltung die Generalversammlung passieren. Anschließend wurden die Beschlüsse im Rahmen des GATT unterlaufen, keine der Reformen ließ sich seinerzeit durchsetzen. Nur die 0,7 Prozent des Bruttonationalproduktes, die für öffentliche Entwicklungshilfe ausgegeben werden sollten, haben überlebt – als Ziel. Damals lag der Durchschnitt bei 0,35, heute bei 0,28 Prozent. Annans Bericht würde auf jedem Dritte-Welt- oder Sozialforum viel Beifall erhalten. Solange die Regierenden ihre Politik jedoch in Davos abstimmen statt in Sao Paulo oder Bombay, wird er ihnen lediglich als Vorlage für Festreden dienen.
Erschienen in Ossietzky 9/2005 |
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