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Einen Verzicht auf bis zu 30 Prozent erwarten die Unternehmer in der Papierverarbeitung von ihren Beschäftigten, bis zu 40 Prozent weniger sollen es in Druckindustrie und Zeitungsverlagen sein. Um diese Forderungen – im Interesse des Gemeinwohls, versteht sich – durchzusetzen, haben die Unternehmerverbände beider Branchen die wichtigsten Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten gekündigt. Zur Disposition stellen sie fast alle Regelungen für die Arbeitszeit, die Arbeitszeitgestaltung, Überstunden- und Wochenendzuschläge, Gesundheitsschutz, Kündigungsfristen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub, Urlaubsgeld und Jahresleistung. All das soll gestrichen oder radikal gekürzt werden. Allein die direkt auf Lohnbestandteile zielenden Forderungen bedeuten für einen Schichtarbeiter der Druckindustrie Einbußen von 25 Prozent seines bisherigen Gehaltes. Für die Verhandlungen, die die Unternehmerverbände und die zuständige Medienabteilung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) seit Monaten ohne jedes Ergebnis führen, hat die Kapitalseite jüngst noch einmal ihr Dogma bekräftigt: Die Gewerkschaft muß der 35-Stunden-Woche adieu sagen. Wenn ver.di nicht in eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit um bis zu fünf Stunden ohne Lohnausgleich einwilligt, wollen die Unternehmer überhaupt keinen Flächentarifvertrag mehr abschließen, drohte Wolfgang Pütz, Verhandlungsführer des Bundesverbandes Druck und Medien. Manfred Lantermann, der die papierverarbeitende Industrie vertritt, schließt auch eine Rückkehr zur Sechs-Tage-Woche nicht aus. »Starrsinnig« und »betonköpfig« (O-Ton Unternehmer) hat sich die Gewerkschaft bislang allen Zumutungen verweigert. Besonders in der Frage der Arbeitszeit will sie nicht weich werden, betont ver.di-Verhandlungsführer Frank Wernecke. Diese Haltung ist breiter Konsens unter den Beschäftigten, die haben dramatisch erfahren haben, daß die Digitalisierung der Produktion Arbeitsplätze zu Tausenden vernichtet. Sie können sich ausrechnen, wieviele Entlassungen zu erwarten wären, falls alle länger arbeiten müßten. Angesichts des rasanten Produktivitätsfortschritts gab es in ver.di Rufe, mit der Forderung nach der 30-Stunden-Woche in die Tarifauseinandersetzung zu ziehen. Die Mehrheit aber schätzte die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als zu ungünstig ein, um diesen Kampf zu wagen. Doch wenigstens in akuten betrieblichen Notfällen will ver.di erreichen, daß Arbeitszeitverkürzungen zwingend Vorrang vor Entlassungen haben. Das durchzusetzen, wird ein schwieriger Kampf. »Die Belegschaften sind durch ein Säurebad gegangen«, beschreibt ein ver.di-Tarifsekretär die zwiespältige Stimmung in etlichen Betrieben. 30 000 Arbeitsplätze wurden in den vergangenen Jahren allein in der Druckindustrie abgebaut. Das schüchtert viele ein und fördert die Versuchung, sich trotz aller Empörung über die Gier der Unternehmer wegzuducken. Hinzu kommen Erpressungsversuche der Firmenleitungen nach dem Motto: Wer Entlassungen vermeiden will, muß klein beigeben, nämlich auch der Ausgliederung ganzer Abteilungen, der Hereinnahme billiger Fremdfirmen oder der Preisgabe sämtlicher übertariflicher Leistungen zustimmen. Daß Betriebsräte damit – wie bei der Bremer Tageszeitungs AG – ausgerechnet am 24. Dezember erpreßt wurden, gehört zum Stil der arrogant auftretenden Unternehmerfunktionäre. Angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Hartz IV spekulieren sie darauf, daß Angst die Belegschaften lähmen, ihre Verzichtsbereitschaft fördern, ihre Streikbereitschaft zähmen wird. Doch in der bislang als eher kampfschwach geltenden Papierverarbeitung laufen bereits überraschend kraftvolle Warnstreiks. »Seit 29 Jahren ist unser Betrieb zum ersten Mal wieder im Arbeitskampf«, berichtet zuversichtlich ein Betriebsrat der norddeutschen Firma Danapack von »wachsender Wut«, »großem Zulauf zur Gewerkschaft« und von einem Chef, der von den Streikenden nicht mehr gegrüßt werden will. Mehr als 12 000 Beschäftigte dieser kleinen Branche sind bereits tageweise in den Ausstand getreten. Umgerechnet auf die Metall- und Elektroindustrie würde dies 400 000 Streikende bedeuten. So viel Gegenwehr haben die Unternehmer erkennbar nicht erwartet. In der Druckindustrie und bei den Zeitungen endet am 30. April die tarifliche Friedenspflicht. Die Gewerkschaft richtet sich auf einen der längsten Arbeitskämpfe ein, die in der an harten Auseinandersetzungen nicht armen Geschichte dieser Branche bislang geführt worden sind. Haben sich die Unternehmer und ihre neoliberale Theokratie verrechnet? Das täte allen Ungläubigen gut. Doch noch predigt Norbert Walter, der Chefexorzist der Deutschen Bank: Es müsse endlich Schluß sein mit der Wahnvorstellung, ein Beschäftigter allein könne mit seinem Arbeitslohn eine ganze Familie ernähren; drei bis vier – also Mann und Frau, Opa, Kind und Kegel – müßten sich schon fürs Überleben krumm machen.
Erschienen in Ossietzky 9/2005 |
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