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Wie hieß es doch auf der ersten Seite des Verhaltenskodex: »Wal-Marts Geschäftsgrundlagen sind Ehrlichkeit, Respekt, Fairness und Integrität. Jeder von uns muss sein Möglichstes tun, dass diese Grundlagen erhalten bleiben, indem wir diese Werte jeden Tag an unserem Arbeitsplatz umsetzen.« Dafür bleibt den Mitarbeitern in Neunkirchen nun nicht mehr viel Zeit. Und das ist vielleicht auch gut so – wären da nicht die dramatische Arbeitslosigkeit in der Region und der überaus ernüchternde Umstand, daß die gesamte Einzelhandelsbranche nicht gerade zimperlich mit den Beschäftigten umgeht – wie schon das kürzlich erschienene »Schwarzbuch Lidl« zeigt . Was Wal-Mart seinen rund 13 000 Beschäftigten in den verbleibenden 90 Supermärkten in Deutschland künftig als »Unternehmensethik« aufzunötigen versucht, erinnert an George Orwells Roman »1984«. Ganz im Sinne des »Neusprech« wird der Ethik-Begriff in dem 33-seitigen Papier auf das verengt, was dem Unternehmen und den Profitinteressen seiner Aktionäre dient. Diese Maxime entwertet selbst so richtige Regelungen wie das Verbot der Diskriminierung am Arbeitsplatz – das hier nicht der Menschenwürde, sondern nur einem möglichst ungestörten Betriebsklima dient: »Wal-Mart fühlt sich verpflichtet, dass unsere Mitarbeiter die Verschiedenheit unserer Kunden und Gemeinden, in denen wir tätig sind, repräsentieren.« Was das für schwarze Arbeitssuchende in rein weißen Vororten in den USA bedeuten kann, ist unschwer zu erraten. Seit September letzten Jahres klagt ein abgewiesener Bewerber gegen Wal-Mart, weil er vermutet, der Konzern akzeptiere keine Schwarzen als Lastwagenfahrer. Ethik ist im Wörterbuch des weltgrößten Handelskonzerns das Synonym für bestmögliche Kapitalverwertungsbedingungen, die angeblich Arbeit schaffen und deswegen als sozial zu gelten haben, wie der politische Zeitgeist auch in Deutschland weiß. Warum dann noch nach den konkreten Arbeitsbedingungen fragen? In den USA und Kanada gibt es nicht in einem der über 3600 Supermärkte eine Arbeitnehmervertretung, wie mir kürzlich der US-Gewerkschafter Alan Spaulding berichtete. Noch so zaghafte Organisierungsversuche der United Food and Commercial Workers Union (UFCW) werden massiv unterdrückt. Zum Beispiel vor fünf Jahren im Staat Arkansas: Nachdem elf Mitarbeiter einer Wal-Mart-Metzgerei dafür gestimmt hatten, sich künftig gewerkschaftlich vertreten zu lassen, reagierte der Konzern postwendend und lagerte unternehmensweit die Fleisch-Abteilungen aus; die Kunden finden sie an gewohnter Stelle, aber die Mitarbeiter sind nicht mehr bei derselben Firma wie ihre Kollegen aus den anderen Abteilungen beschäftigt. Oder Anfang dieses Jahres im kanadischen Jonquiere in der Provinz Quebec: Die Mitarbeiter des dortigen Einkaufszentrums hatten mehrheitlich für eine Arbeitnehmervertretung votiert. Wal Mart gab daraufhin die Schließung des ganzen Zentrums bekannt. Daß in einem solchen Unternehmensklima einzelne Regelungen der »Unternehmensethik« geradezu skandalös ausfallen, scheint nur folgerichtig. So versucht Wal-Mart massiv Einfluß auf das Privat- und Liebesleben seiner Beschäftigten zu nehmen: »Sie dürfen nicht mit jemandem ausgehen oder in eine Liebesbeziehung mit jemandem treten, wenn Sie die Arbeitsbedingungen dieser Person beeinflussen können oder der Mitarbeiter Ihre Arbeitsbedingungen beeinflussen kann.« Und wo schon für Liebe kein Platz ist, kann der Kollege auch gleich als Denunziant in Aktion treten: »Wenn Sie erfahren, dass ein anderer Mitarbeiter ein Gesetz verletzt, oder wenn Sie von einem anderen Mitarbeiter, der dies tut oder von dem Sie annehmen, dass er dies tut, dazu aufgefordert werden, haben Sie darüber unverzüglich zu berichten.« Das gilt aber auch gegenüber dem Kunden, wie unter dem Stichwort »USA Patriot Act« zu lesen ist: »Sie sollten bei den folgenden Aktivitäten aufhorchen: (…) Ein Kunde oder ein Dritter, der keine vollständigen Daten angeben möchte, gibt falsche oder verdächtige Daten an oder möchte Vorschriften zur Aufzeichnung, Aufbewahrung und Weitergabe umgehen (…)«. Für sprachliche und logische Fehler in den Zitaten ist ebenso wie für ethische allein Wal-Mart verantwortlich. »Vertraulich und anonym«, so heißt es weiter, werde in der »Kontaktstelle für Berichte über Ethikangelegenheiten und Fragen zur Ethik« mit eingehenden Informationen umgegangen. Offensichtlich eine Art betriebsinterner Schnüffeldienst. Der Anruf ist kostenlos, haltlosen Verdächtigungen sind Tür und Tor geöffnet: »Jeder Angestellte, der in gutem Glauben über eine Missachtung berichtet, braucht für diesen Bericht keine negativen Konsequenzen zu fürchten.« Lieber ist dem Unternehmen der reuige Sünder und Liebhaber: »Selbstanzeige bei Missachtung von ethischen Prinzipien wird begrüßt und möglicherweise bei Festlegung der angemessenen disziplinarischen Maßnahmen Berücksichtigung finden.« Logischerweise wird eine Selbstanzeige wieder jene gefährden, die das Fehlverhalten nicht vorher gemeldet haben. Denn »angemessene disziplinarische Maßnahmen, bis hin zu Kündigung, sind gegen jeden Mitarbeiter zu ergreifen«, der die »ethischen Leitprinzipien verletzt« – also zum Beispiel bei bloßem Verdacht nicht denunziert. Ein wahrhaft orwellsches System der Spaltung und Kontrolle. Davon bleiben die Mitarbeiter in Neunkirchen nun unfreiwillig verschont. Allerdings wissen sie bis heute nicht, wer den Supermarkt übernehmen wird. Es kann bekanntlich immer noch schlimmer kommen…
Erschienen in Ossietzky 8/2005 |
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