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In den 90er Jahren wurde sie kurz vor der Pleite von BMW gekauft, dann aber, nachdem es den Münchenern nicht gelungen war, aus der Firma Profit zu schlagen, im Jahr 2000 für den symbolischen Preis von zehn Pfund an ein englisches Konsortium verschoben. Die Fabrik in Longbridge bei Birmingham produzierte mit 6000 Arbeitern und Angestellten – und weiteren rund 10 000 bei verschiedenen Zulieferern in der Umgebung – im letzten Jahr 120 000 Fahrzeuge, rund sieben Prozent aller auf der Insel hergestellten Personenkraftwagen. Da die Firma auch nach 2000 niemals in die schwarzen Zahlen kam, drohte Zahlungsunfähigkeit, und die Zulieferer begannen, um die Begleichung ihrer Rechnungen zu bangen. Die rettenden Engel sollten aus China kommen. Über den in Shanghai angesiedelten Autobauer SAJC war Peking bereit, Rover zu übernehmen, wenn, so die Presseverlautbarungen, die britische Regierung bis zu einer Höhe von 100 Millionen Pfund die Zahlungsfähigkeit von Rover garantiert. Die Verhandlungen sind jetzt geplatzt. Die Schuldfrage wird wie ein schwarzer Peter zwischen dem Management, der britischen und der chinesischen Regierung hin- und hergeschoben. Die Zulieferer verloren derweil – zwischen Papst-Begräbnis und Charles-Hochzeit – jedes Zutrauen und stellten die Versorgung von Rover ein. Die Produktion in Longbridge kam am 8. April zum Stillstand. Das hätte das Ende sein können. Aber das Sterben von Rover dauert noch an – aus mehreren Gründen. Der offenkundigste Grund ist die für den 5. Mai festgesetzte britische Unterhauswahl. Durch das reine Mehrheitswahlrecht, nach dem nur der Sieger eines Wahlkreises ins Parlament einzieht, bestehen zwischen den Prozentanteilen der Parteien an der Wahlurne und der späteren Sitzverteilung im Parlament große Unterschiede. Insbesondere die Politik der einzig wirklichen Oppositionspartei, der Liberaldemokraten, die gegen den Irak-Krieg opponierten, scheint viel Resonanz zu finden, so daß der Labour Party wichtige Sitze in Wahlkreisen verloren gehen könnten, die sie beim letzten Mal noch knapp gewonnen hatte. Solche Wahlreise liegen rund um Birmingham. Blairs Blitzbesuch diente auch dem Zweck, den Verlust von möglicherweise drei Wahlkreisen abzuwenden. Außerdem gilt es, das Labour-Wahlkampfkonzept zu retten, das auf dem vermeintlichen wirtschaftspolitischen Erfolg von Blair&Brown fußt. Vor allem deshalb wird Rover bis zum 5. Mai noch auf der Intensivstation liegen. Ob danach die Kreditzufuhr ganz eingestellt wird oder ob sich in Longbridge irgendein Nischenproduzent zum Beispiel von Sportwagen etablieren kann, wird erst nach Auszählung der Stimmen entschieden. Möglicherweise aber geht es bei Rover, das in Großbritannien zeitweilig mehr Schlagzeilen machte als Papst und Königshaus, um noch mehr als um die 16 000 Industriearbeitsplätze. Im Zeitablauf dieses Dramas gibt es ein paar Merkwürdigkeiten. Den Schlüssel zu Rover hält seit längerem Peking in der Hand. Die von Rover selbst genährte Erwartung, die Chinesen mit ihren Devisenreserven würden Longbridge retten, hatte die Gläubiger monatelang bei der Stange gehalten. Die Bevölkerung in den Midlands wird jetzt schon bei Burton-upon-Trent beim Befahren des großen »Toyota-Kreisels« daran erinnert, daß in der britischen Autoproduktion die Japaner das Sagen haben. Warum sollte sie sich nicht auch daran gewöhnen können, ein bißchen Chinesisch zu lernen. Die Option ist noch nicht ganz vom Tisch. Umso bemerkenswerter ist, wann die Chinesen den Wechsel haben platzen lassen: nur wenige Stunden nach der Verkündung des Wahltermins vom 5. Mai und mitten in die Papst-Beerdigung hinein. Auf einer anderen politischen Bühne bemüht sich die Regierung in Peking zur Zeit – gegen heftigen Widerstand der USA – um Aufhebung des seit den 80er Jahren bestehenden EU-Waffenembargos. Teile der EU – unter anderem der deutsche Kanzler Schröder – sind dazu bereit, aber Bushs Schoßhund in Europa, Anthony Blair, blockiert. Diejenigen, die Blair die Demütigung zufügten, noch in Trauerkleidung von Rom nach Birmingham hetzen zu müssen, sitzen am Platz des himmlischen Friedens. Wenn die britische Regierung ihre bislang heftig vorgetragenen Einwände gegen die Aufhebung des Waffenembargos demnächst abschwächt und wenn dann neben einem Toyoto-Kreisel in den Midlands ein Shanghai-Kreisel entsteht, in Longbridge wieder produziert wird und Blair auch deshalb die Wahl gewinnt, weil er in den Medien als Retter von Rover posieren kann, dann wird man diese Geschichte mit der Feststellung beenden können, daß der von den Chinesen eingefädelte Deal gelungen ist.
Erschienen in Ossietzky 8/2005 |
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