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Die eben vorgelegte Studie von Oxfam Deutschland e.V. und dem Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit versucht zu erklären, wieso Deutschland trotz seiner immer wieder beteuerten restriktiven Rüstungsexportpolitik zur Weltspitze der Rüstungsexporteure gehört. Der Hauptgrund liegt bei denjenigen Gütern, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen (neudeutsch: dual use). Selbst die Autoren Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz können an vielen Stellen nur mutmaßen. Von offizieller Seite ist kein Kommentar zu diesem Bericht zu erwarten, würde doch dadurch Aufmerksamkeit für ein Geschäft erregt, das man lieber im Dunklen, besser gesagt in einer Grauzone halten möchte. Über Lieferungen von Waffensystemen wie den 32 »Fuchs«-Spürpanzern an Saudi-Arabien (zugesagt) oder den »Leopard 2«-Kampfpanzern an die Türkei (abgelehnt) wird laut und lebhaft debattiert. Derweil geht der Export von Rüstungskomponenten, also Produkten, die zuweilen nicht einmal von Experten als Teile von Waffen oder Waffensystemen erkannt werden, ganz leise vor sich. 53 Prozent der Rüstungsexporte sind nachweislich diesem Bereich zuzuordnen, zu vermuten ist ein Anteil von mehr als 75 Prozent. Deutsche Rüstungstechnik dürfte damit auf mehr Kriegsschauplätzen vorhanden sein, als sich Pazifisten auch bei stärkstem Argwohn vorzustellen vermögen. So gelingt es der Bundesregierung, das Geschäft zu beleben und dennoch den Anschein einer restriktiven Rüstungsexportpolitik beizubehalten. Kommen wir zu einigen belegten Fakten. Deutsche Rüstungsgüter waren beim Angriff auf den Irak massenhaft beteiligt. Britische Panzerhaubitzen AS 90 bewegten sich auf Ketten der Firma Diehl Remscheid, in den Getrieben befanden sich Elemente der Zahnradfabrik Friedrichshafen. Heckler & Koch war mit Sturmgewehren des Modells SA 80 A 2 vertreten, die US-Kampfflugzeuge F 15 E und F 16 C/D erfaßten ihre Ziele mit Hilfe von Infrarot-Sensortechnik und Kühlsystemen der Firma AEG, Infrarotmodule und elektronische Zünder von Junghans Feinwerktechnik sowie Treibladungen von Nitrochemie sorgten zuverlässig für überlegene Feuerkraft, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Opfer dieser deutschen Wehrtechnik genau zu ermitteln, wird niemals gelingen. Innenpolitische Auseinandersetzungen über die Lieferung von Komponenten muß die Bundesregierung kaum fürchten. Die Rüstungsgüter gingen nämlich an NATO-Staaten, die bekanntlich keine Schurkenstaaten sind und sich selbstverständlich für berechtigt halten, Angriffskriege zu führen. Die Bundesregierung stellte sich aber auch selten quer, wenn ganz andere Staaten beliefert wurden, mochten dort noch so desolate politische Verhältnisse herrschen. Exporte landen zuweilen nach mehreren Zwischenstationen direkt in Krisenregionen oder in Staaten, über die offiziell ein Embargo verhängt ist. So wurde zwar beispielsweise der Export von Sturmgewehren G 36 nach Nepal untersagt, aber bedenkenlos ließ man diesem Land eine ballistische Meß- und Prüfanlage sowie Teile einer Produktionsanlage für Munition zukommen. Der Volksrepublik China gelang es trotz Embargo, zwei Baureihen gepanzerter Ketten- und Transportfahrzeuge mit Dieselmotoren der Firma Deutz auszustatten und in ihren konventionell angetriebenen U-Booten Dieselantriebe der Firma MTU Friedrichshafen einzubauen. Problemlos lieferte man ebensolche Aggregate an die Türkei, wo sie nun M44- und M55-Panzerhaubitzen bewegen. Bis 2003 erhielt dieser Kunde auch etwa 4000 Stinger-Boden-Luft-Raketen, zuweilen auf dem Umweg über Israel oder Südkorea. Elementare Menschenrechtsverletzungen, der Krieg gegen die Kurden oder die anhaltende Besetzung Nordzyperns waren in deutschen Augen kein Hindernis. Auf welchem Wege und in welchem Umfang deutsche Rüstungsgüter in Drittstaaten gelangen, ist kaum kontrollierbar. Nach dem Außenwirtschaftsgesetz wird alles, was nicht ausdrücklich als Rüstungsgut deklariert ist, für den Export genehmigt. Schließlich herrschen Vertrag- und Unternehmensfreiheit. Deutsche Dieselmotoren scheinen der Exportschlager zu sein – sie können ja auch in Traktoren eingebaut werden. Bei genauerer Betrachtung fragt man sich, wo die vielen Felder sind, die damit bestellt werden sollen. Aber seien wir nicht ungerecht, man kann Landschaften auch mit Panzern umpflügen. Nur am späteren Ernteerfolg könnte es hapern. Die Autoren stellen folgerichtig fest: »Ebensowenig wie es rein defensive Waffen gibt, gibt es vollkommen harmlose Rüstungskomponenten… Mehr noch als einige tausend Sturmgewehre (ohne Munition) ermöglicht eine gesicherte Munitionsproduktion das gewaltsame Vorgehen gegen die Opposition…« Vielleicht auch gegen andere Staaten. »Was heute noch unproblematisch erscheint, kann morgen schon zum Problem werden.« Siehe Afghanistan und Irak. Ende Juni will Gerhard Schröder das Waffenembargo gegen China aufheben. Zwar haben die USA dagegen interveniert, wofür wir ihnen aber kaum humanitäre Gründe unterstellen sollten; die Aufhebung des Embargos und die Entstehung eines oder mehrerer neuer Probleme infolge dieser Entscheidung werden sich etwas verzögern, mehr aber auch nicht.
Otfried Nassauer und Christopher Steinmetz: »›Made in Germany‹ inside – Komponenten, die vergessenen Rüstungsexporte«, www.oxfam.de
Erschienen in Ossietzky 8/2005 |
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