Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Bomben für den FriedenRalph Hartmann »Bomben für den Frieden. Stoppt die Nato die Serben?« Mit dieser Schlagzeile überschrieb der Spiegel im Februar 1994 seine Titelgeschichte über den Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina. Was war geschehen? Am 5. Februar 1994 waren bei einem Bombenanschlag auf den kleinen Markale-Marktplatz in Sarajewo 68 Menschen ums Leben gekommen und 200 verletzt worden. Die Nachrichten und Filmberichte der Medien über das blutige Massaker verbreiteten weltweit Entsetzen. Was die deutschen Fernsehstationen sendeten, ging bis an die Grenze des Erträglichen. Die Bilder der verstümmelten Leichen, der toten Kinder, der blutüberströmten Männer und Frauen, aufgenommen mit einer hin- und herzuckenden Kamera, trugen das Grauen in jedes Wohnzimmer, und ein spontanes Verlangen ward übermächtig: Dieses Blutvergießen muß beendet werden, den Mördern muß das Handwerk gelegt werden! Die Kommentatoren der schockierenden Bilder wiesen den Gefühlen Richtung und Ziel. Die Explosion hatte sich gerade ereignet, die UNO-Beobachter und Blauhelme vor Ort hatten mit der Untersuchung von Ursachen und Schuld noch nicht einmal begonnen, da wußte der ARD -Korrespondent Friedhelm Brebeck in seinem erschütternden Tagesschau -Bericht vom 5. Februar schon, daß es sich um eine »serbische Granate« gehandelt habe. Dabei blieb es, auch als es sich herausstellte, daß die Opfer an der unteren Körperhälfte getroffen waren, niemand an diesem Tag überhaupt einen Granatenabschuß in Sarajewo gehört hatte, auf dem Marktplatz keine Granatenteile zu finden waren und die moslemische Seite sich mit der Begründung, mit Mördern könne man nicht zusammenarbeiten, weigerte, einer nationalen Untersuchungskommission zuzustimmen. Als dann schließlich international Berichte erschienen, die Explosion sei von moslemischer Seite herbeigeführt worden, und die UNO in einem offiziellen Untersuchungsbericht von der »Unmöglichkeit« sprach, »die Granate vom 5. Februar einer der beiden Seiten – der serbischen oder der bosnischen – zuordnen zu können«, wurde das von der Mehrheit der bundesdeutschen Medien ignoriert. Einmal Serben, immer schuldig! Es gab keinen Grund, sie zu entlasten, zumal dem eiligen Schuldspruch unter dem Beifall der erregten Öffentlichkeit die Strafe auf dem Fuße gefolgt war: Die NATO drohte den Serben mit dem Einsatz der Luftwaffe. Als sich am 20. August 1995 auf dem selben Marktplatz ein zweiter Anschlag ereignete, dem 37 Menschen zum Opfer fielen, wurde ungeachtet anderer Erkenntnisse den Serben wiederum die Schuld zugeschoben. Und die NATO begann ein zeitlich unbefristetes Dauerbombardement gegen die serbische Bürgerkriegspartei. Der Kriegspakt hatte den Angriff lange zuvor geplant. Die Toten von Sarajewo lieferten lediglich den Politikern und Militärs den Vorwand und den Propagandisten die grauenhaften Bilder der Opfer der Gewalt, die ihrerseits nach Gewalt schrieen. Den Serben wurde ein Kainsmal eingebrannt, »Markale« wurde zum Symbol ihrer Grausamkeit. In jüngster Zeit ist die Diskussion um die Schuldigen an dem Massaker jedoch wieder aufgeflammt. Die kroatische, in Zagreb erscheinende Wochenschrift Globus berichtete, daß nicht die Serben die Bluttat begangen haben, sondern daß der Kommandeur des Kroatischen Verteidigungsrates HVO (Hrvatsko vijece obrane) im Raum Sarajewo, Ivica Rajic, verdächtigt wird, dafür verantwortlich zu sein. Globus berief sich dabei auf ein zehnseitiges Geheimdossier des kroatischen militärischen Abwehrdienstes. Der auflagenstärksten Belgrader Zeitung, Vecernje novosti , gab dieser sensationelle Bericht Veranlassung, mit dem in Petersburg lebenden ehemaligen russischen Obersten Andrej Demurenko, 1994 Stabschef eines Sektors der UN-Blauhelme in Sarajewo und Kommandant des russischen UNPROFOR-Kontigents, zu sprechen. Dieser berichtete, auf Druck der Amerikaner sei unmittelbar nach der Explosion auf dem Markt in Sarajewo eine Analyse erstellt worden, die den Serben die Schuld zuwies. Nach einer Untersuchung des Ortes, von dem angeblich serbische Granatwerfer das tödliche Geschoß abgefeuert hatten, sei er, so Demurenko, zu dem Schluß gekommen, daß von dieser Stelle nach allen militärtechnischen Gesichtspunkten unter keinen Umständen der Marktplatz zu treffen war. Nachdem er darüber die Medien informiert habe, hätten die Amerikaner von Moskau seine sofortige Ablösung verlangt. Noch heute sei er der festen Überzeugung, daß weder die Kroaten, also auch nicht Rajic, noch die Serben den Platz bombardiert hätten, sondern daß es sich nach allen Anzeichen bei der Explosion um einen ferngesteuerten Sprengsatz gehandelt habe. Die Amerikaner seien nicht bereit gewesen, diese Variante zu untersuchen. Im Unterschied zu dem russischen Offizier geht der damalige Kommandeur der UN-Friedenstruppen, der französische General Philippe Morion, von einem Beschuß des Marktes aus. Bereits im vergangenen Jahr erklärte er in einem Interview für die in Sarajewo erscheinende Zeitung Slobodna Bosna , er wisse nicht, wer die Granate auf Markale abgefeuert habe: »Die bosnische Regierung unter Izetbegovic hat einen guten Grund gehabt, daß das geschah. Alle hatten einen guten Grund, daß das geschah, sogar dafür, auf die eigene Bevölkerung zu schießen.« In die gleiche Richtung, wenn auch wesentlich direkter, wies die französische Krankenschwester Ives Crepen, die 1994 der UNPROFOR zugeordnet war. Im Prozeß gegen Slobodan Milosevic vor dem Haager Tribunal sagte sie aus, daß alle Experten und Offiziere vor Ort überzeugt waren, daß das Massaker das Werk moslemischer Kräfte gewesen sei. Major Pierre-Henri Bunel, der als Stabschef im Büro des französischen Vertreters im Militärausschuß der NATO diente und Belgrad vor dem Überfall auf Jugoslawien ein detailliertes Einsatzkonzept mitsamt der Ziele der Luftangriffe zugespielt haben soll, sieht dagegen in ausländischen Kräften die Verantwortlichen für den Anschlag. In seinem Buch »Kriegsverbrechen in der NATO« bezeichnete er die Serben als die »wahren Opfer der Bombardierung von Markale«. Befragt, wie er zu dieser Schlußfolgerung komme, äußerte er gegenüber der bereits erwähnten Vecernje novosti : »Darüber gibt es Geheimdienstangaben... Es gibt interessante Befunde des Radars Cimbelin (für die Beobachtung der Flugbahn von Minenwerfergeschossen) mit den Koordinaten darüber, woher die Projektile abgeschossen wurden. Zwei Radare haben uns bestätigt, daß die Lokalität, von der aus geschossen worden war, in der Nähe der Moslems lag. Während meiner Dienstzeit habe ich geheime Aufnahmen gesehen, auf denen Leute auf Motorrädern auf die moslemische Seite flüchteten, und zwar genau von dem Ort aus, von dem gefeuert worden war. Diese Personen ähnelten überhaupt nicht Jugoslawen. Im Gegenteil, sie ähnelten Russen oder Amerikanern. Das waren große Leute mit blonden Haaren.« Dragan Todorovic, Vorsitzender des Exekutivausschusses der Serbischen Radikalen Partei, schließt Russen als Täter völlig aus. Nach seiner Auffassung wurden die Markale-Verbrechen vom CIA organisiert. Wie dem auch sei, die Aussagen sind unterschiedlich, zum Teil widersprechen sie einander. In einem aber stimmen sie überein: Es waren nicht die Serben, die die folgenschweren Anschläge verübten. Doch weder der Spiegel noch die anderen Medien, die seinerzeit so schreiend und rachedurstig über die serbische Untat auf dem kleinen Stadtmarkt in Sarajewo berichtet haben, verschwenden bisher auch nur eine Zeile über die jüngsten Enthüllungen. Warum sollten sie auch? Hat doch Markale seinen Zweck erfüllt, genauso wie später das angebliche Massaker an der albanischen Zivilbevölkerung in Racak: Die NATO-Raketen konnten fliegen – »für den Frieden«.
Erschienen in Ossietzky 8/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |