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Gerhard Schröder, Wahlkämpfer. – In Ihrer Osterpredigt in Bild am Sonntag haben Sie die deutschen Konzerne abgekanzelt: Ihre Regierung habe »gehandelt und schmerzhafte Reformen durchgesetzt« und auf diese Weise »einen Rahmen geschaffen, der für die Unternehmen in Deutschland allerbeste Voraussetzungen bietet«, deshalb müßten jetzt die Chefs der Großunternehmen »endlich mit dem ständigen Gerede von der Verlagerung der Betriebsstätten und Arbeitsplätze aufhören«. Mag sein, daß einige der Bosse Ihnen diesen Gefallen tun, denn die Drohungen haben ja ihren Zweck erfüllt: Lohnkürzungen sind auf breiter Front durchgesetzt: Tarifverträge sind das Papier nicht mehr wert, auf dem sie aufgeschrieben sind. Außerdem sorgt Ihre Regierung dafür, daß die Konzerne noch weniger Steuern zahlen als bisher schon. Die Bitte um rhetorische Rücksichtnahme hätten sie den Spitzenmanagern auch weniger auffällig mitteilen können, aber die Adressaten Ihrer starken Worte in BamS sind ja andere.

Michael Sommer, Basisaktivist. – Sie sind sich nicht zu schade, gesellschaftspolitische Alltagsarbeit zu leisten. Bei einem Gespräch mit der SPD-Bundestagsfraktion konnten Sie auf einen Erfolg verweisen: Zwei neue Mitglieder, so Ihre Mitteilung dort, haben Sie kürzlich gewonnen – für die SPD, was heutzutage nicht leicht ist. Die Abgeordneten, berichtete die Süddeutsche Zeitung , gaben Ihnen dafür begeisterten Applaus. Wenn Sie so weitermachen, wird kaum noch Zeit bleiben für Mitgliederwerbung zugunsten der Gewerkschaften.

Werner J. Patzelt, Politikdeuter. – An der Technischen Universität Dresden sind Sie als Parlamentarismusforscher tätig, da liegt ihnen die Frage nahe: Was tun gegen die NPD? Und siehe da, Sie haben ein Rezept: Wir sollen »dem verklemmten Patriotismusversuch der NPD einen stimmigen Patriotismus entgegensetzen..., eine authentische Position verfassungspatriotischer Vaterlandsliebe«. Die NPD habe sich »beim Klagen gegen Mängel an sozialer Gerechtigkeit am Feuer der PDS gewärmt«, ein »ehrenhafter« Patriotismus aber könne davon überzeugen, daß »tiefgreifende Reformen am Sozialstaat« notwendig seien. Auf Teile der sächsischen CDU habe es schon »befreiend gewirkt, sich für offen bekundeten Patriotismus nicht mehr schämen zu sollen«. Nachdem Sie dies alles zur Sprache gebracht haben, können wir uns auch erklären, weshalb offenbar Landtagsabgeordnete der sächsischen Christdemokratie die Neigung haben, der NPD ihre Stimme zu geben: aus patriotischer Vaterlandsliebe. Nur haben sie dabei die Verfassung vergessen. Man darf eben nicht zu viel verlangen.

Loki Schmidt, Exkanzler-Ehefrau. – Mit Berufsstolz weisen Sie darauf hin, daß Sie in Ihrer 29jährigen Lehrertätigkeit die Schüler vermöbelt haben, weil »ein kurzer Backs oft mehr als hundert Worte« helfe, wenn Schüler ihre Grenzen kennen lernen sollen. Lag es vielleicht auch an Ihnen, daß Sie mit der Hand schlagkräftiger waren als mit dem Mund?

Leserin in Flensburg. – Ob der Geburtshelfer oder die Geburtshelferin der Großen Koalition in Schleswig-Holstein wohl lange in der Anonymität bleiben könne, möchten Sie von uns wissen. Das können wir nicht vorhersagen; nach älteren Erfahrungen, zum Beispiel in Niedersachsen, vermuten wir es. Mit Sicherheit können wir prognostizieren: Der vielbeklagte Politikverdruß wird durch diesen Vorgang neue Nahrung bekommen. Was sollen denn BürgerInnen von einem parlamentarischen Verfahren halten, bei dem im Dunkel bleibt, wer aus welchem Grunde diesen Regierungswechsel herbeigeführt hat. Man erkennt nur, daß der (oder die) Abgeordnete, der bei der Ministerpräsidentenwahl anders abgestimmt hat als wiederholt öffentlich zugesichert, Gründe haben muß, die er der Öffentlichkeit nicht mitzuteilen wagt. Demokratie, heißt es in den Lehrbüchern, setze Transparenz voraus. Daran aber fehlt es nun in Kiel – und die Großkoalitionäre gehen zur Tagesordnung über, business as usual. Zu fragen bleibt, warum Regierungschefs allemal geheim gewählt werden. Die schleswig-holsteinische Verfassung schreibt das ebenso wenig vor wie das Grundgesetz.

Heinrich Fink, Ossietzky -Autor. – Zum 70. wünschen wir Ihnen viel Kraft für den Kampf wider die Abwicklung des Antifaschismus.

Erschienen in Ossietzky 7/2005