Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Der Berserker und die GenaunehmerHarald Kretzschmar Malhaut wird Farbkruste. Weiche Nuancen verknäueln und verknebeln sich zu Figürlichem. Lokalfarbe zählt nicht, wo Totalerleben von Stürzendem und Aufstrebendem gewollt ist. Die Bilderwelt des nun achtzigjährigen Malers Bernhard Heisig ist vom »Bildstoff« geprägt. Ein Lieblingswort des Bildschöpfers. Es meint immer das Thematische und das Sinnlich-Stoffliche gleichermaßen. Eine abgeklärte Komposition, formal ausgetüftelt und abgewogen in den Komponenten, wird man da vergebens suchen. Heisig, aus Breslau gebürtig, begann als Chaot, gierig aufs Kriegshandwerk wie Trutz Simplex und Mutter Courages Sohn Eilif. Geistig sehr bald danach sich selbst und die katastrophalen Zeitläufte sezierend, bewahrt er allein in seiner Malweise das Chaotisch-Ungeordnete. Planvoll agierend in den politischen Verhältnissen, tobt er auf dem Rechteck der Leinwand berserkerhaft. Corinth schielt vom Walchensee herüber. Kokoschka nickt anerkennend. James Ensor reibt sich die Hände ob des Geistesverwandten. De Kooning weiß um die Erleichterung durch Ekstase. Beckmann fühlt sich quer überholt. Heisig ist längst in der Weltkunst angekommen. Nur die Argwöhner und Genaunehmer vom Dienst begreifen nichts. Seit er selbst Ardennenschlacht und Festung Breslau todnah erlebte, klebt das Erlebnis an ihm fest für immer. Der Waffenrock, den er dabei trug, der mit den SS-Runen, ist längst zerfetzt. Mit jedem Bild zerreißt er ihn immer aufs Neue. Ob »Ikarus«, ob »Friedrich und Fritz« oder »Pariser Kommune« daruntersteht, es bleibt dabei: Hier wird Gewaltkult entzaubert. Hier wird der böse Triumph enttarnt. Schöne Oberfläche ist nicht gefragt. Weder die Malweise noch das, was Überausdruck an ihr ist, kann jemals »verordnet« gewesen sein. Die Schimäre eines lediglich »verordneten« Antifaschismus greift weder hier noch anderswo. Zumindest nicht bei all den bildnerischen und filmischen Leistungen, in denen Ost-Künstler West-Künstlern das mühselige Handwerk des Abarbeitens von Kriegsschuld abnahmen. Ausnahmsweise mal gesamtdeutsch gesehen. Die nunmehr in Leipzig zum 80. Geburtstag gestartete, nachher in Düsseldorf und Berlin weiterlaufende Ausstellung zeigt komprimiert das Lebenswerk des Meisters – dessen Leben durch die 44 in Leipzig verbrachten wichtigsten Lebensjahre denkbar eng mit dieser Stadt und der hier zu seiner Zeit aufgeblühten Kunst verbunden ist. Der Museumsneubau am Sachsenplatz mit seinen riesigen Räumen lechzt geradezu nach energiegeladener Kunstsubstanz, die zusätzlich zum Museumsbestand geistig ausstrahlt. Genau das tun die wichtigsten Werkzyklen, welche 71 Gemälde und 62 Graphiken bündeln. Die Hängung der Bilder bewirkt eine imposante Akzentuierung und verschafft ein besonderes Kunsterlebnis – so beeindruckend, daß der faszinierte Betrachter eigentlich keinen Bedarf an pedantischen Erklärungen des Warum, Woher und Wohin verspürt. Eine Vertiefung wäre, übrigens ganz im Sinne Heisigs, nur durch Musik oder Dichtung möglich. Warum eigentlich nicht die Bildbetrachtung durch Abspielen etwa des Mozart-Requiems oder Rezitieren von »Faust«-Versen intensivieren? Die enorme thematische, aber auch formale Brisanz dieser Kunst ist schnell zerredet. Wenn Christus sich protestierend die Dornenkrone vom Kopf reißt, so ist das nicht bürokratisch kommentierbar – etwa durch Parteiakten zum Thema im Katalog. Kurator Eckhart Gillen hat die Ausstellung »Die Wut der Bilder« genannt. Dem bilderwütigen Maler ständig auf die ideologischen Schliche kommen zu wollen, wird dieser prononcierten Bekenntniskunst nicht gerecht. Bernhard Heisig probt immer den Aufstand per Kunst. Ob das nun Politbürokraten gefällt oder den selbsternannten Marktführern recht ist. Bei jedem Pinselstrich zu fragen, ob er Einverständnis oder Widerstand bedeutet, ist kleinkariert – damit erledigt sich ein so konzipierter Katalog fast von selbst. Der Gipfel der Blasphemie ist an dem Punkt erreicht, wo die Seelenqual Bernhard Heisigs und Franz Fühmanns mit ihrer partiellen Nazivergangenheit in Beziehung gesetzt wird zur Weltspitzenpreismalerei Gerhard Richters. Der seinerzeit aus Dresden in die Arme seines als schwerbelasteter SS-Chefarzt im Westen lebenden Schwiegervaters geflüchtete Richter verdrängte im Gegensatz zu Heisig und Fühmann das Thema so erfolgreich, daß seine Kunst bis auf eine bläßlich gemalte Fotoidylle von einem Badeurlaub davon verschont blieb. Das ist und war zwar symptomatisch, wird von den Katalogmachern aber als selbstverständlich akzeptiert. Die Schatten der Vergangenheit sind halt etwas ungleich verteilt. Es ist üblich geworden, die Eigenständigkeit des Künstlerischen durch eine Überinterpretation in Frage zu stellen, die Vorgaben des Zeitgeistes gehorcht. Die Kunst, namentlich die aus dem deutschen Osten, darf aber nicht mehr nur aus den oft quälenden Umständen ihrer Entstehung erklärt werden, sondern als Ergebnis, als Werk. Immerhin haben die Chefs der drei veranstaltenden Museen in Leipzig, Düsseldorf und Berlin ihre generelle Meinung zu Bildern der »Leipziger Schule« so zusammengefaßt: »Angesichts dieser ebenso bewegenden wie imponierenden Bilderwelt bleibt vieles offen, vieles erscheint rätselhaft und beunruhigend. Mit einem Wort: Die Bilder der Maler stellen eine ständige Herausforderung dar, und das scheint ihnen das Überleben in zukünftiger Vergangenheit zu sichern.« Na bitte. Bleibt einzig die Frage: Was ist »zukünftige Vergangenheit«? »Bernhard Heisig. Die Wut der Bilder«, Ausstellung im Museum der bildenden Künste Leipzig, 20.3. bis 29.5.2005, täglich außer Montag 10–18 Uhr, Mittwoch 12 bis 20 Uhr
Erschienen in Ossietzky 7/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |