Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. BemerkungenBrief aus CaracasDrei große Verlage betreiben in Venezuela das Geschäft, öffentliche Meinung herzustellen. Die Zeitung des Volkes aber sind die Mauern. An allen Wänden steht Chavez-Chavez. Früher rechtlose Menschen, die erst durch die nun vier Jahre alte Verfassung Bürgerrechte erhalten haben, schwören auf Chavez. Sie tanzen und ihre Augen leuchten, wenn sie singen: Uh-ah, Chavez no se va. In den Barrios, den Armenvierteln der Hauptstadt Caracas, läuft das Alphabetisierungsprogramm. Am Rande eines der ärmsten Viertel, La Vega, sieht man eine neue dreistöckige Schule. Es läuft das großzügige Gesundheitsprogramm mit kubanischen Ärzten, man sieht ein neues Krankenhaus, wo es früher gar keine medizinische Versorgung gab. Selbstorganisierte Stadtteilsender, Kulturheime, Nachbarschaftskomitees beteiligen sich am revolutionären Aufbruch. Arbeiter zeigen uns Werke, die sie wieder in Betrieb genommen haben, nachdem die Besitzer sie aufgegeben hatten, zum Beispiel eine Papierfabrik und eine Druckerei. Und wir lernen den Reichtum des Landes – die Erdölproduktion – kennen. Die Lagerstätten sind Eigentum des Staates, von der Armee bewacht. Aber vor allem außerhalb der Hauptstadt mit ihren sechs bis acht Millionen Einwohnern (genau ist das nicht feststellbar) fällt die weiterbestehende Diskrepanz zwischen Arm und Reich auf, die unbekümmerte Ausbeutung, das verbreitete Elend. Angesichts der permanenten Versuche, die bolivarianische Revolution zu bremsen, braucht Venezuela Solidarität. Klaus Waterstradt
Bushs Nähe zum FaschismusDie Verfassung ist noch die alte, aber das Politiksystem der USA hat sich unter George W. Bush verändert: Seit mit einer gewaltigen Lüge der Krieg begann, bildet sich eine militärische Nation heraus. Inzwischen haben die US-Truppen im Irak 15 000 Tote und 35 000 Verwundete zu verzeichnen, und auf der irakischen Seite sind mehr als 100 000 Menschen zu Opfern des Krieges und des Nachkrieges geworden. 30 000 Iraker sind inhaftiert, ohne Gerichtsverfahren, ohne Kontakt zu Anwälten oder Familien. Und auf US-Stützpunkten in anderen Ländern dieselbe Rechtlosigkeit der Gefangenen, dieselben Folterkammern. Genfer Konvention, Menschenrechte für militärische Gefangene? Nichts davon scheint mehr zu gelten. Der US-amerikanische Militärstaat hat manche Ähnlichkeiten mit jenen Praktiken, die einst faschistische Regime charakterisierten. George W. Bush will anderen Ländern seine Art von Demokratie aufherrschen, aber wie sieht die aus? Riesige Dollarbeträge fließen in den USA an Journalisten, die dann die Weltmission ihres Präsidenten in den schönsten Farben ausmalen. Die Medien stehen unter dem Druck der Regierung, kritische Publizisten werden an den Rand gedrängt. Bei der Post und beim E-Mail sind geheime Mitleser am Werk. Oppositionelle Gruppen werden mit Spitzeln gespickt. Unter dem »Patriot Act« drohen Verhaftungen ohne Beweismaterial, Denunziation genügt. Bibliotheken, Buchhandlungen und Telefongesellschaften müssen die Namen ihrer Besucher oder Kunden preisgeben, damit die Überwachung funktioniert. Und im Weißen Haus haben sich WASPs breitgemacht, White American Southern Protestants – es ist nicht übertrieben, sie als religiöse Faschisten zu bezeichnen. Alle historischen Vergleiche hinken bekanntlich. George W. Bush ist nicht der neue Mussolini, nicht der neue Hitler. Aber Schnittmengen der politischen Methodik zwischen dem Faschismus, wie er in den 1920er und 1930er Jahren in Europa seine Macht etablierte, und dem waffenstarrenden Imperialismus der USA heute sind unverkennbar. Kurt Singer Unser Autor fand einst als Nazi-Verfolgter Zuflucht in den USA. Um so bitterer ist es heute gerade für ihn, in seinem Exilland bedrohliche Tendenzen festzustellen, die ihn an den Faschismus erinnern. Er ist nicht der Einzige in den USA, der solche Sorgen äußert. So zog jetzt Senator Robert Byrd (West Virginia) einen direkten Vergleich mit Hitler, als er auf Bushs Attacken gegen den Senat antwortete. Dem Präsidenten mißfallen die parlamentarischen Prozeduren, die ihn daran hindern könnten, die Gerichte mit fanatischen Rechtsextremen zu besetzen. Red.
Ein ZahlenkünstlerPeer Steinbrück, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, hat Grund zur Sorge. Die Arbeitslosenzahl steigt weiter an, die Schuldenlast seines Bundeslandes ebenfalls, die Umfragewerte für seine rot-grüne Koalition sinken ab, und im Mai ist Landtagswahl. Nun hat die Frankfurter Rundschau Peer Steinbrück, den sie als »Finanzpolitiker mit exzellentem Ruf« vorstellt, nach seinen Reformideen gefragt. Zumindest eine hat der Sozialdemokrat ganz konkret vorzuweisen: »Die Unternehmensbesteuerung wettbewerbsfähig zu machen. Die Analyse von Wolfgang Clement ist zutreffend, daß die deutschen GmbHs und Kapitalgesellschaften im internationalen Vergleich mit einem Steuersatz von 38,6 Prozent zu hoch besteuert sind.« Ganz klar, wenn die Unternehmer so viel von ihren Erträgen der öffentlichen Hand überlassen müssen, dann reicht es nicht mehr für Investitionen, und deshalb will unser Fachmann für Finanzpolitik es dem Kapital leichter machen, »Jobs zu schaffen«. Sollen die LeserInnen denken. Es könnte aber sein, daß sie auch mal in anderen Tageszeitungen blättern, zum Beispiel in der Bielefelder Neuen Westfälischen . Die meldete Zahlen der Oberfinanzdirektion Münster über die Steuereinnahmen im ersten Halbjahr 2004 in Ostwestfalen-Lippe, einer Region, in der nicht nur die Weltfirma Bertelsmann ansässig ist und prächtige Gewinne macht, sondern auch manches andere Unternehmen floriert. 3,4 Milliarden Euro haben die Finanzämter in diesem Teil des Landes NRW eingenommen, davon 1,6 Milliarden aus der Lohnsteuer und 1,2 Milliarden aus der Umsatzsteuer. Die Einkommensteuer erbrachte nur 8,4 Millionen. GmbHs und Aktiengesellschaften insgesamt trugen nicht einen Cent zum Steueraufkommen bei, sie bekamen 82 Millionen Euro Rückerstattung. Merke: Der Steuersatz sagt noch nichts aus über den realen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens. Der Ministerpräsident will offenbar sein Publikum für dumm verkaufen. Bleibt hinzuzufügen: Sein Konkurrent ums Amt, Jürgen Rüttgers von der CDU, will ebenfalls die Unternehmenssteuern senken, echt alternativ. Marja Winken KompetänzereienBeamte in Baden-Württemberg haben einen Anspruch auf Potenz steigernde Mittel, sofern sie von Ärzten verordnet sind. So war es jedenfalls in der Presse zu lesen. Das sollte man überall auch für Politiker einführen, nur mit der Auflage, daß sie selber zahlen müssen. Und die von Neurologen zu verordnenden Mittel sollten nicht Potenz steigernde, sondern Kompetenz steigernde Mittel sein. In Sachsen war die CDU bekanntlich flügellahm geworden und hatte ihren sicheren Weitflug verloren. Und die sächsische SPD war nach dem schockierenden Wahlergebnis froh, von ihr unter die geschwächten Fittiche genommen zu werden. Doch kaum war die Koalition gebildet, begann das Hickhack. Da weigerte sich zum Beispiel ein zum stellvertretenden Regierungssprecher ausersehener SPD-Abgeordneter namens Beese, seinen Vertrag zu unterschreiben, weil er mit dem Verdienst (im Volksmund: mit der Kohle) nicht einverstanden war. Dann wurde um die Einstufung der Pressesprecherin im Wissenschaftsministerium namens Wahrheit in die Besoldungsgruppe B 6 (gut 6000 Euro monatlich) gerangelt. Angebliche Kompetenzstreitigkeiten in der neuen Sachsenregierung erwiesen sich rasch als Streitereien um hohe Gehälter. Kompetanz ums goldene Kalb. Der sächsische Haushalt schleift beim sinkenden Gleitflug der CDU und der mitfliegenden SPD in deren Fängen über den Boden und wird mächtig geschrammt. Es geht überhaupt nur ums liebe oder verhaßte Geld: Ressortchefs gegen Ressortchefs, Landräte gegen Bürgermeister, Gewerbegebiete gegen Gewerbegebiete, Städte gegen Städte, Dörfer gegen Dörfer, Schulen gegen Schulen, Ehefrauen gegen ihre Ehemänner, Kinder gegen ihre Eltern. Wer gewinnt, überlebt. Die daraus entstehende Willkür macht immer mehr kleine Leute zu Opfern. Die Abgeordneten der beiden geschwächten Regierungsparteien in Dresden sollten sich zwischen ihrer Zerhackerei auch einmal im Saal umsehen, wer da dank einer verhängnisvollen Politik und der daraus in manchen Familien entstandenen Dumpfheit Platz genommen hat und sich ins Fäustchen lacht, fein in Anzüge und Schlipse gewandet, Haare wieder wachsen lassend, die Schnürstiefel gegen Lackschuhe getauscht. Es glimmt im sächsischen Landtag, die Feuermelder blinken. Bestimmt riechen manche den Schwelgeruch. Aber es gibt anscheinend auch welche, die gar nichts merken. Wenn sie einen Anspruch auf Kompetenz steigernde Mittel hätten, würden sie sie gewiß einnehmen. Oder wären sie vielleicht erst dann dazu bereit, wenn ihnen die Tropfen auf Kosten der Steuerzahler verabreicht würden? Wolfgang Eckert GeschichtspolitikIn Tageszeitungen war eine Kurzmeldung der Deutschen Presse Agentur wiedergegeben: »Mit seinem neuen Buch ›Hitlers Volksstaat‹ hat der Historiker Götz Aly nach Meinung von Fachkollegen eine neue Deutung der Massengefolgschaft in der NS-Zeit vorgelegt. Er sehe die Zustimmung der deutschen Bevölkerung zum Hitler-Regime nicht allein im mörderischen Antisemitismus, heißt es in einer Rezension der Zeit . Der Autor beleuchte, wie die Nazis Rückhalt systematisch durch sozialpolitische Wohltaten bei mittleren und unteren Einkommensgruppen sicherten.« Götz Aly hat, man ist es von ihm nicht anders gewöhnt, in dem erwähnten Buch viele wichtige Tatbestände dargelegt, darunter auch bisher unbekannte. Und Volker Ullrich hat in der Zeit Aly deswegen gelobt, zugleich jedoch Einwände gegen das Buch vorgebracht. Aber was ist mit der »neuen Deutung« des NS-Regimes? Wer die bisherige Literatur zur Geschichte des »Dritten Reiches« einigermaßen zur Kenntnis genommen hat, weiß schon längst: Die Nazi-Führung hat größten Wert darauf gelegt, die »Volksgenossen« (soweit sie nicht als »gemeinschaftsfremd«, »marxistisch verseucht« oder sonstwie gegnerisch galten) durch sozialmaterielle Zugeständnisse bei Laune zu halten. Und das nicht ohne Erfolg. Wobei nur nicht vergessen werden sollte, daß die »oberen Einkommensgruppen«, um im dpa -Sprachgebrauch zu bleiben, ganz überwiegend von vorn herein am NS-System interessiert waren und bis weit in den Krieg hinein von ihm profitierten. Weshalb nun in manchen Medien die Begeisterung über eine angeblich neue Deutung? Götz Aly hat, außerhalb seines Buches, Geschichte aktualisiert: Die rot-grüne Bundesregierung stehe »vor der historischen Aufgabe«, den »langen Abschied von der Volksgemeinschaft« zu organisieren. Das läßt sich so verstehen: Dem Sozialstaat geschieht es recht, wenn er verschwindet – denn er ist belastet durch seine NS-Vergangenheit. Volker Ullrich nennt in der Zeit diesen von Aly nahegelegten Gedanken »abwegig«. Aber gerade das teilt uns die dpa -Meldung nicht mit. Arno Klönne Der Mittelteil eines TriptychonsIm Kampf um einen möglichst hohen Anteil vom Buchmarkt versprechen Verlage und Autoren in Titeln und Untertiteln ihrer Produkte immer häufiger mehr, als sie eigentlich anbieten. Wohltuende Bescheidenheit ziert hingegen die Aufmachung dieses Bandes, der nicht, wie sich vermuten ließe, eine Sammlung von Biographien enthält, sondern ein veritables Lexikon darstellt. Ein Unternehmen zudem, für das es keinen Vorläufer gibt – merkwürdigerweise, denkt man an die Konzentration von Verlegern, Publizisten, Schriftstellern und Geisteswissenschaftlern, die in mehreren Generationen zum Berliner Judentum gehörten. Dessen Geschichte harrt in vielen Aspekten nach wie vor der Erforschung und mehr noch der Verbreitung. Aus teils komplizierten Recherchen hervorgegangen und auf ein breiteres Nutzerpublikum zielend, ist dieses Buch Bestandteil der Reihe »Juden in Berlin«, die drei Bände umfassen soll. Der voraufgegangene, ein Überblick, 2001 erschienen, ist inzwischen auch ins Englische übersetzt und wird, wenn die für den Druck erforderlichen Mittel aufgetrieben sind, auch in Russisch herauskommen. Der nachfolgende soll Dokumente bieten und ist für das nächste Jahr angekündigt. Auf wen kann ein Suchender auf den Seiten des vorliegenden treffen? Das berührt die für alle Unternehmen dieser Art schwierige Frage der Auswahl, denn weit mehr als die hier vereinten nahezu 2000 Personen wären in Kurzbiographien zu erfassen, vorausgesetzt, es ließe sich das Material zusammentrommeln. Das erweist sich namentlich für viele jener deutschen Juden als extrem weitläufig, die seit 1933 von den Nazis vertrieben wurden. Nächst dem Kriterium, daß Lebende nicht berücksichtigt werden sollten, war für die Aufnahme bestimmend, daß die Erwähnten eine Beziehung zum »Jüdischen« besaßen und daß sie im Leben Berlins eine mehr oder weniger deutliche Spur hinterlassen haben. Es mußte also in der Stadt weder geboren noch gestorben sein, wer mit seinen Lebensdaten, Titeln seiner Schriften oder Werke (maximal drei) und weiteren Fakten, so Verweisen auf Biographien, Aufnahme fand. Daher fehlen im Band weder die Rabbiner und führenden Gestalten der Gemeinde noch Atheisten beispielsweise aus dem Autorenkreis der Weltbühne . Die Herausgeber und Autoren des Nachschlagewerkes, zu denen Studenten und Doktoranden des MosesMendelssohn-Zentrums der Potsdamer Universität gehören, hoffen, mit ihm einen Anstoß für fortführende Arbeiten zu geben, und sie erbitten Ergänzungen ebenso wie Korrekturen. Kurt Pätzold »Juden in Berlin. Biografien«, Hg. Elke-Vera Kotowski, Henschel Verlag, 304 Seiten, 25 €
Ein erschreckendes Bild IsraelsDie Ereignisse im Irak haben einige Monate lang die Nachrichen vom zweiten Kriegsschauplatz im Nahen Osten überdeckt. Die Neuordnung des palästinensischen Staatswesens nach dem Tode Jassir Arafats hat die Mehrzahl der großen Medien sogar zu der Voraussage veranlaßt, ein Frieden zwischen Israel und den Palästinensern sei in greifbare Nähe gerückt. Wie sich inzwischen zeigte, hat der Krieg jedoch nur kurz seinen Atem angehalten – seine Ursachen sind allesamt geblieben. Michael Warschawski entstammt einer in Frankreich ansässigen jüdischen Familie und lebt seit 1965 in Israel. 1967 schloß er sich einer linken Studentengruppe an und entwickelte sich in der Folge zu einem der radikalsten Sprecher der israelischen Friedensbewegung. Nach seiner Autobiographie »An der Grenze« ist nun ein zweiter Band mit aktuellen Texten in deutscher Sprache erschienen. Die Situation in Israel, wie Warschawski sie darstellt, ist erschreckend. Der im Jahre 1947 gegründete Staat hat bis heute weder klar definierte Landesgrenzen noch eine Verfassung. Offensiver Nationalismus und Diskriminierung des nicht-jüdischen Bevölkerungsteils gehören zur Staatsdoktrin. Seit dem Jahre 1995 sieht der Autor die israelische Gesellschaft außerdem in einem rapiden moralischen Verfall begriffen, der sich auch in allmählicher Auflösung der demokratischen Institutionen zeige. Nach Warschwskis Darstellung hat der Mord an Ministerpräsident Rabin durch einen rechtsextremen Fanatiker zu einer Kapitulation der gemäßigten Linken vor den Forderungen der Rechten geführt. Binnen kurzem besetzten Militärs, extreme Nationalisten und religiöse Fundamentalisten maßgebliche Regierungsämter; der Staatsapparat wurde durch Korruption und mafiöse Verstrickungen zunehmend diskreditiert. Warschawski, der beim heutigen Premier Sharon keinerlei Friedens- und Kompromißbereitschaft zu erkennen vermag, beklagt die Verrohung der israelischen Armee in ihrem unerklärten Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung, und er zieht das düstere Fazit: »Die ganze Gesellschaft ist krank, schwer krank. (...) Das Verhalten Israels auf der internationalen Bühne macht den jüdischen Staat in der ganzen Welt verhaßt, gar nicht zu reden von den Vorwänden, die es Antisemiten aller Couleurs liefert...« Doch noch immer gebe es in Israel linke Kräfte, die sich für Frieden und Verständigung einsetzen – im Widerstreit mit einer politischen Führung, die das Land mit Höllentempo in den Untergang führe. Gerd Bedszent Michael Warschawski: »Mit Höllentempo – Die Krise der israelischen Gesellschaft«, Edition Nautilus, 128 Seiten, 10,90 €
Vom Geist der WeizsäckersWie seriös ist ein Sachbuchautor, der heutzutage folgendes veröffentlicht: »...die Unterdrückung politischer Gegner betrieb sie (die DDR; B. H. ) kaum weniger brutal... als das NS-Regime.« Das ist nicht nur unsolide. Das ist historischer Unsinn. Geäußert von einem Historiker. Wie nun noch Ulrich Völklein vertrauen? Er ist der Verfasser dieses Satzes, der im dritten Teil seines Buches »Die Weizsäckers« zu finden ist. Völklein hat keine Familiengeschichte, keine Zeitchronik verfaßt. »Die Weizsäckers« ist ein Buch, das vor allem die geistige Verfassung dreier Persönlichkeiten darstellt und dadurch Verständnis für die Motive und das Handeln des Einzelnen ermöglichen will. Besser als das Porträt des Staatssekretärs im Drittenreichsaußenministerium und Diplomaten Ernst von Weizsäcker und als das des Atomphysikers und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker ist das des Ostfrontoffiziers und späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker geeignet, den Wandel des Gewissens im Laufe eines Lebens zu erhellen. Bernd Heimberger Ulrich Völklein: »Die Weizsäckers. Macht und Moral – Porträt einer deutschen Familie«, Droemer Verlag, 444 Seiten, 22.90 €
Blasphemie vom FeinstenBlasphemische Texte standen früher auf dem Index, und es ließ sich kaum verhindern, daß sie berühmt und öffentlich wurden. Schade, daß die gestrengen Hüter der weltlichen und kirchlichen Lehren so nachgelassen haben. Hätten sie das neue Buch von Fritz Rudolf Fries entdeckt, wäre es bestimmt der Geheimtip. Drei Schutzengel niederer Kategorie werden ausgeschickt, einen simplen Erdenbürger namens Daniel Abesser in die Unterwelt zu holen. Er soll für einen höheren Zweck, den die Engel anfangs nicht kennen, geprüft werden. Daniel Abesser, aufgewachsen als Sohn eines DDR-Ministers, ist mittlerweile israelischer Kriegsberichterstatter und hat sich eine jüdische Herkunft mit neuen Eltern ermogelt. Verheiratet ist er mit Ribka, Fernsehansagerin, gebürtig in der Sowjetunion. Was beide in Fries' Buch erleben, entzieht sich einer strikten Nacherzählung. Im Buch berichten es jeweils unterschiedliche Leute – sämtlich Diener konkurrierender, nicht zuletzt himmlischer Geheimdienste. Schließlich erweist sich der Auserwählte als ungeeignet für den gottnahen Posten des Menschen auf »Hesekiels Maschine«, nicht als »Verdammter oder Anbeter, sondern als ein Teilhaber an göttlicher Gewalt«. Abesser läßt sich weder mit Heilsideen noch mit Einschüchterungen durch irdische Qualen verleiten. Die Liebe zur schönen Ribka geht ihm über Ideologien und Versprechungen, und ihn schrecken auch nicht von den Engeln hergstellte Zukunftsbilder, die das Verlöschen des Liebesfeuers ausmalen. Fries fabuliert hinreißend und frech. Er brilliert mit Bibel-, Geschichts- und Philosophiekenntnis, parliert in mehreren Sprachen und rechnet ab mit absoluten Wahrheiten und allem, was allgemeine Verehrung genoß oder noch genießt. Nichts ist ihm heilig. Sowohl das Paradies, wo es besten Jazz gibt, als auch die weitaus größere Hölle befinden sich im Moskauer Hotel Lux. Arthur Koestler und Stephan Hermlin, Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque, aber auch Oskar Matzerath und Adrian Leverkühn verbringen hier ihre Nächte – wartend und diskutierend über Irrtum, Verrat und Treue. Stefan Heym stößt gerade hinzu. Abessers Minister-Vater, noch unter den Lebenden, ist nach der Wende Müllfahrer geworden und endlich bei den Zeugen Jehovas gelandet. Die Einfälle scheinen unerschöpflich, in jedem Abschnitt ein Satz, den man sich merken möchte oder eine »Stelle« zum Wiederlesen, Widersprechen, Nachdenken. Vor lauter »Feuerwerk« der Phantasien scheint der Faden verloren gegangen. Doch nein, alles ist Besichtigung und Befragung einer »Endzeit« – im Himmel und auf Erden. Was ist geblieben, gibt es eine Chance? Der Moralist und Skeptiker Fries ist bei aller Verneinung verhalten optimistisch. Beispielweise erinnert er an den »unerklärbaren Rest, der sich im großen Staunen auf den Gesichtern Chaplins oder Keatons manifestiert, wenn ihnen gegen jede Logik etwas gelungen ist«. Und auch sein Protagonist Abesser ist eine Hoffnung, der sich trotz allem für das irdische Jammertal entscheidet. Christel Berger Fritz Rudolf Fries: »Hesekiels Maschine oder der Gesang der Engel am Magnetberg«, Das Neue Berlin, 319 Seiten, 19.90 €
Walter Kaufmanns LektüreWem, wie mir, Eva Strittmatters Gedichtzyklus »Der Schöne« viel bedeutet hat, der wird auch zu ihrem »Winter nach der schlimmen Liebe« greifen. Gedicht für Gedicht (es sind nahezu achtzig) sinnt sie einer gescheiterten Liebe nach, und aus subjektivsten Empfindungen entsteht ein kunstvolles Geflecht, das jeden ansprechen muß, der je geliebt und verloren hat. Durch ihre Verse sich selbst befreiend, hilft Eva Strittmatter auch anderen auf den Weg zur inneren Befreiung. Frauen besonders werden sich zu diesen Gedichten bekennen – die ein Echo in ihnen auslösen werden. »War es ein Wahnbild, dem ich einst verfiel, eine Täuschung?« Sich das fragend, wie die Dichterin es sich fragte, werden sie die Einheit von Inhalt und Form schätzen lernen, die Melodie der Worte in sich nachklingen lassen, die Schönheit der Verse nachempfinden. Und auf wundersame Weise auch werden manche unter ihnen die zerbrochene Liebe der Eva Strittmatter als eine Erfahrung begreifen, die sie irgendwann mit ihr geteilt haben – oder teilen könnten. W. K. Eva Strittmatter: »Der Winter nach der schlimmen Liebe«, Gedichte, Aufbau Verlag, 80 Seiten, 12.50 €
Kafkas VerwandlungDie Bezeichnung Taschenbuch paßt nicht recht zu diesem wunderbar dicken Wälzer, der weder in genormte Hosen- noch in Jackentaschen passen will. Um aber dieses Buch dabeihaben zu können, nimmt man gern die Last einer Umhängetasche oder eines Rucksacks auf sich. Der Frankfurter Fischer Taschenbuch Verlag hat Reiner Stachs monumentale Biographie »Kafka – Jahre der Entscheidungen« zwei Jahre nach dem zu Recht mit viel Kritikerlob begleiteten Ersterscheinen nunmehr als Paperback veröffentlicht. Stache hat in diesem literarischen Genre neue Maßstäbe gesetzt. Seine Darstellung der Persönlichkeit Kafkas fasziniert nicht allein in ihrer Detailfreudigkeit, sondern auch in ihrer scheinbar spielerisch leichten Diktion. Dem Autor gelingt das Kunststück, Faktenreichtum mit großer erzählerischer Meisterschaft zu kombinieren. Welche Skrupel ihn vor, während und nach der Niederschrift plagten, macht er in einer Vorrede kenntlich, die von der (Un-)Möglichkeit spricht, gelebtes Leben angemessen darzustellen: »Selbst der methodisch gewiefteste Biograph kommt über das Bild eines Bildes nicht hinaus.« Und doch: Während der Lektüre dieses Meisterwerks wird der Leser Zeuge einer kafkaesken Verwandlung: Aus dem bis dato körperlosen Dichter wird ein ganzer Mensch! Kai Agthe Reiner Stach: »Kafka – Jahre der Entscheidungen«, Fischer Taschenbuch Verlag, 671 Seiten, 14,90 €
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
An die LokalpresseWenn ich meine Verwandten in den neuen Bundesländern besuche, und ich habe fast überall welche zu wohnen, denn wir waren zu Hause elf Kinder, und die haben sich alle werweißwohin davongemacht oder werweißwohin verheiratet, fallen mir in vielen Orten die leerstehenden Häuser und Wohnungen auf. Da kann man doch mal sehen, daß es im Osten ganz schön vorangegangen ist, denn früher bestand ja bei denen da drüber eine riesige Wohnungsnot. Ich finde es gut, daß die nicht mehr bewohnten Blöcke abgerissen – Verzeihung, zurückgebaut – werden. Wo kämen wir denn hin, wenn sich da Obdachlose einnisten würden. – Elfriede Töricht (62), Jungunternehmerin, 29416 Abbau * Wie im Berliner Kurier zu lesen war, haben Wissenschaftler herausgefunden, daß Ratten, die mehrere Stunden in Laufrädern gehalten werden, besonders großen Durst und Hunger entwickeln. Nun berichten Sie aber, daß das Kaufverhalten von ALG II-Empfängern und Obdachlosen immer weiter zurückgeht. Das brachte mich auf folgende Idee: Könnte man in einer wissenschaftlichen Studie nicht auch einmal untersuchen, ob sich ein amtlich verordnetes, medizinisch und juristisch begleitetes Laufrad-Training bei diesem Klientel eventuell positiv auf den Kaufrausch auswirken würde? – Bastian-Melchior Strebinger (29), ass. jur., 17139 Hungerstorf * Wie ich einem offiziellen Bericht über die Kriminalität in Deutschland entnehmen konnte, ist die Anzahl der bewaffneten Überfälle auf Bank- und Postfilialen in den Jahren 2003 und 2004 erheblich zurückgegangen. Als Wachmann, der sich im vorgerückten Dienstalter befindet und sich deshalb nicht mehr gerne mit Ganoven herumschießt, begrüße ich eine solche Entwicklung sehr. Ich muß aber auch einräumen, daß die Banken und die Deutsche Post selbst einen wesentlichen Anteil an dieser positiven Tendenz haben. Durch die Einsparung von Bank- und Postfilialen wurden die Chancen der Räuber immer geringer, und es ist zu vermuten, daß die Überfälle nach der Schließung der letzten Filialen eines Tages völlig ausbleiben werden. Diese gute Erfahrung sollte man dann auch auf andere Einrichtungen übertragen, zum Beispiel auf Tankstellen, Bahnhöfe, Supermärkte und die Agenturen für Arbeit. – Kurt Knallgas (62), Wachmann, 53757 St. Augustin * Ich möchte der Bundesregierung sehr herzlich dafür danken, daß sie unbeirrt ihren Weg fortsetzt, gefährliche Waffen außer Landes zu bringen. Jetzt werden wieder 20 moderne Panzer vom Typ »Fuchs« und 100 Militärlastwagen in den Irak geliefert und können folglich in Deutschland keinen Schaden mehr anrichten. Das nenne ich echte Friedensarbeit! Wenn schon wegen der Arbeitsplätze in Deutschland weiter Waffen hergestellt werden müssen, das sieht ja jeder ein, müssen sie wenigstens schnell ins Ausland verkauft werden. – Friedegund-Malvine Sanftleben (54), Friedenszentrum Pax Christi, Himmelpfort * Ich möchte mich recht herzlich bei der Berliner Verkehrsgesellschaft bedanken. Wenn man wie ich am Stadtrand wohnt, kann man sich doch nur darüber freuen, daß durch die Einstellung von Bus-Linien die Straßen noch stiller werden! Und als älterer Mensch braucht man einfach mehr Ruhe, das weiß doch jeder! Außerdem wird einem dazu verholfen, nicht mehr so viel Fahrgeld auszugeben, und das kann man dann anderweitig verwenden, zum Beispiel für stabiles Schuhwerk. – Melanie Theurkauf (66), Rentnerin, 13458 Waldessaum b. Berlin * Im Berliner Kurier habe ich mit Genugtuung gelesen, daß die Polizei den Feuerteufel vom Tirschenreuther Ring in Tempelhof hat festnehmen können. »Nun wird geprüft«, so heißt es wörtlich im Kurier , »ob er für weitere sechs Brände in Frage kommt.« Dazu meine Frage: Ist schon bekannt, wo die sechs Brände gelegt werden sollen? Und ist es wirklich sinnvoll, damit wieder denselben Brandstifter zu beauftragen? Vielleicht könnten auch 1-Euro-Job-Inhaber dafür eingesetzt werden, wodurch es zu einer deutlichen Verringerung der Arbeitslosenzahlen käme. – Eduard Brandstifter (46) Löschmeister, Berlin-Tem-pelhof Wolfgang Helfritsch
Press-KohlDie Deutsche Presse-Agentur informierte: »Christa Wolf will mehr Ehrlichkeit in der Politik«. Begrüßenswert. Wie werden die Politiker reagieren? Gar nicht? Oder mit der Erklärung: »Die Politiker wollen mehr Ehrlichkeit in der Literatur«? Vielleicht kommt der Appell der Schriftstellerin ein bißchen zu spät. Am 6. 3. 2005 hat sie »Politiker und Wirtschaftsführer aufgefordert, ohne Täuschungen mit der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland umzugehen. Bei der Entgegennahme des mit 2500 Euro dotierten Hermann-Sinsheimer-Preises sagte sie, für die meisten Arbeitslosen sei eine Rückkehr ins Berufsleben vermutlich völlig ausgeschlossen...« Ver-mutlich. Dies traue sich aber niemand offen auszusprechen (abgesehen von Frau Wolf). Das Gleiche gelte für die Tatsache, daß in breiten Bevölkerungsschichten eine Lustlosigkeit gegenüber der parlamentarischen Demokratie vorherrsche. Liegt das nun an den ebenso lustlosen wie breiten Bevölkerungsschichten oder an der hierzulande praktizierten Spielart parlamentarischer Demokratie? Gesetzt den Fall, die Sinsheimer-Preisträgerin hätte sich entschlossen, ihre Prämie den Arbeitslosen zu stiften – was wäre dabei herausgekommen? Nichts für die Notleidenden und allenfalls eine vielleicht ins Einstein-Jahr passende Denksportaufgabe für Knobelfreunde: Wie teilt man 2500 Euro durch 5 200 000 Arbeitslose? Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 6/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |