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Es wurde nicht mehr gefallen, es wurde nicht mehr geschossen, es wurden nicht mehr sogenannte Deserteure an Obstbäumen aufgehängt. Aber es war auch eine große Beschämung, als die KZs geöffnet wurden. Daß die Bombenangriffe aufhörten, war das entscheidende Glück der deutschen Zivilisten. Nur Böswillige, nur ein Idiot, der die Zeitgeschichte nicht kennt, können sagen: »Es war eine Niederlage.« D.: Sie sprechen von der deutschen Kollektivschuld. Aber trifft einen ungebildeten arbeitslosen SA-Nachläufer 1932 und einen Großindustriellen mit Doktor-grad, der Hitler finanziert hat, die gleiche Portion Schuld? H.: Auf die Frage (sinngemäß) »Warum haben Sie sich von Hitler benutzen lassen?« lachte der von Hitler zum Vizekanzler erwählte Franz von Papen und sagte: »Sie irren sich. Wir haben ihn uns engagiert.« Natürlich ist Hitler auch unglaublich unterschätzt worden. Bürgertum und Arbeiterschaft konnten nicht annähernd alles wissen, was er im Schilde führte. Aber die Entrechtung der Juden war in »Mein Kampf« glasklar schon ankündigt. Und sicher: Wer mehr Verantwortung trägt, wie etwa die von der Harzburger Front, den trifft auch ein höheres Maß an Schuld. D.: Sie wurden kürzlich von der Jungen Freiheit interviewt. Wußten Sie da, in welchem braunen Dunst diese Zeitung operiert? Und würden Sie dieser Zeitung heute nochmals ein Interview gewähren? H.: Die Frage läßt mich daran denken, wie jetzt gerade der Berliner Tagesspiegel mich und die Öffentlichkeit betrügt: Irgendein kleiner Schuft, der sich als Journalist ausgibt, hat in der Redaktion geprahlt, er habe Hochhuth interviewt, obwohl ich ihn schon nach 90 Sekunden vor die Tür gesetzt hatte, weil er ohne Tonband gekommen war. Von Interview keine Spur. Im Vergleich dazu hat mich die Junge Freiheit eher formal korrekt behandelt. Dennoch: Ich würde ihr nicht noch einmal ein Interview geben. Fast mit einer gewissen Erleichterung entnehme ich jedoch den Medien, daß selbst politisch versierte Leute wie Egon Bahr, prominente linke Politiker, die sogar persönliche Berater und einen Apparat besitzen, dem Blatt Interviews gegeben haben. D.: Sie haben da ihre persönlichen Beziehung zu David Irving dargelegt. Die ist für viele Ihrer Leser ebenso schwer nachvollziehbar wie die Bewunderung, die Irving etwa auch durch Ephraim Kishon erfahren hat. H.: Herr Irving hat mich kürzlich angerufen und hat gesagt: »Ich sehe gerade mein Tagebuch. Heute vor 40 Jahren sind wir uns das erste Mal begegnet.« Er ist ja durch einen Prozeß über sein Marine-Geleitzugsbuch »P.Q17« in England um Haus, Hab und Gut gebracht worden. Wegen der drückenden Gerichtsschulden konnte er nicht mehr in England wohnen. Ich hatte deshalb auch seine jetzige Adresse nicht. Ungefähr 20 Jahre hatte ich keinen Kontakt, gar nichts mehr gehört von ihm, ihn auch nicht mehr gelesen. Allerdings stehe ich zu meinen Worten, daß seine ersten Bücher bedeutende, seriöse Bücher gewesen sind, historisches Neuland aufgearbeitet haben. Wir Deutsche hatten vor Irvings damaligem Buch über die Generalität keine Ahnung, daß diese Generale, die sich nach dem Krieg als Widerstandskämpfer ausgegeben haben, wahre Verbrecher gewesen sind. Es waren ja die Wehrmacht und die Waffen-SS, die fremde Völker überfallen und unsere Angehörigen bedenkenlos verheizt haben. Das hat als erster David Irving beschrieben. Er fand so zum Beispiel in Amerika den Tagebucheintrag von Franz Halder, Hitlers Generalstabschef, drei Wochen nach dem Überfall auf die Sowjetunion: »Es ist nicht zuviel gesagt, daß die Wehrmacht in 14 Tagen Rußland geschlagen hat.« Drei Monate später entließ Hitler ihn, weil er unter Weinkrämpfen den Krieg verloren gegeben hatte. Solche Primärquellen hatten wir damals ausschließlich Irving zu verdanken. So beutete ich zum Beispiel für mein zweites Drama »Soldaten« Irvings frühe Bücher über die Vernichtung der deutschen Städte und speziell sein Dresden-Buch aus, und es fiele mir nicht ein, heute zu verleugnen, was ich ihm damals verdankt habe. Wäre es nicht ein bißchen verächtlich, mich zu benehmen wie Günter Grass, der Irvings Schlüsselwerk über die deutsche Luftwaffe und den zweiten Mann des Reiches, den Obergangster Hermann Göring, einst für einen seiner Romane verwendet hat, die Quelle aber nicht beim Namen nennt, sondern nur von einem »englischen Historiker« spricht? Ich will jedenfalls nicht verleugnen. Als ich vor Jahrzehnten wegen meiner Aufdeckungen in »Soldaten« einen Prozeß am Hals hatte, war Irving einer der wenigen, die mir geholfen haben, teilweise selbst unter Lebensgefahr, wichtige Beweisstücke zu sichern. Es ist mir rätselhaft, warum ausgerechnet jemand wie David Irving, Sohn einer jüdischen Mutter, über Auschwitz gesagt haben soll, dort seien keine Krematorien, sondern Attrappen. D.: Aber können Sie, der Autor bewegender Szenen im »Stellvertreter«, verfilmt von Costa Gavras, wo gezeigt wird, wie im Vatikan Auschwitz geleugnet wurde, akzeptieren, wenn jemand diesen fabrikmäßigen Massenmord erneut abstreitet? H.: Davon habe ich jetzt erst gehört, durch die Angriffe auf mich, und ich wollte es kaum glauben. Ich habe ja von Irving jahrelang gar nichts gelesen. Ich bin ein sehr unaufmerksamer Zeitungsleser, habe keine Tageszeitung abonniert, kann es mir kaum erlauben, jeden Morgen alle Nachrichten auf mich prasseln zu lassen. Manche Schriftsteller müssen, um ihr jeweiliges Thema zu bewältigen, aus-schließlich auf ihren jeweiligen Stoff konzentriert sein. Aber natürlich würde ich nie eine Aussage in Schutz nehmen, mit der Auschwitz geleugnet wird. Sowas ist zu bekämpfen, egal von wem es stammt. D.: Durch einen TV-Spielfilm wurde der Holocaust auch in der breiten Bevölkerung ein nur noch schwer zu verdrängender Begriff. Der Mord an Millionen Juden ist nicht mehr anzuzweifeln. Gilt das auch für die anderen Nazi-Opfer? H.: Ich kenne die bewegende Szene, wo Stalin zu Churchill sagt: »Die Rote Armee verliert am Tag 10 000 Mann«. Der Überfall Hitlers auf die Sowjetunion, der Terror gegen den weltweiten antifaschistischen Widerstand hat Millionen Menschen das Leben gekostet. Auch das muß zum 8. Mai noch viel öffentlicher gesagt werden. Wie hätten die Westmächte ohne Rußland Hitler besiegen wollen? Ich glaube, sie hätten es nicht gekonnt, denn die Atombombe war noch nicht erfunden. Die Wehrmacht ist nicht primär von den Westmächten, sondern von der Roten Armee verschrottet worden. D.: Nach Ihrem globalisierungskritischen Stück »McKinsey kommt« haben der Bundesverband der Industrie und die neoliberale Propagandistenriege geschäumt. Peter Hacks sagte einst: »Wie die Beaglehunde jagen die Medien in der Meute hinter dem selben Wild.« Haben Sie manchmal auch Angst? H.: Eigentlich hatte ich nie Angst… Na ja, allmählich doch. Neulich, nach einer Lesung in Köln, fragte mich jemand, ob ich mir noch erlauben könnte, alleine im Hotel zu wohnen – »es kann Ihnen doch etwas zustoßen«. Ich habe zuerst nur gelacht. Plötzlich wirkte das nach, bedrohlich, und ich sagte, ich hätte immer meine Frau dabei. Was nicht der Wahrheit entsprach, weil sie gerade im Oktober gestorben war. Wenn mich jetzt, neben dem vielen anderen, auch noch der Zentralrat der Juden mit ähnlichen Diffamierungen belegt, wie das soeben auch wieder der Vatikan getan hat… allmählich macht das schon Sorgen. D.: Hat sich, seitdem Sie in den Sechzigern die Rolle des Vatikans im Faschismus und sein Verhalten zu Auschwitz aufgedeckt haben, das Verhältnis zur katholischen Kirche nicht verändert? H.: Nein. Ich sehe das eher noch kritischer. Erst neulich hat ein französischer Historiker entdeckt, daß jüdische Kinder, die vor der Deportation versteckt worden waren, ihren Eltern oder überlebenden Verwandten nicht zurückgegeben werden sollten, ohne getauft worden zu sein. Pius XII. hat sogar über die Nuntiaturen schreiben lassen, die sollten nichts schriftlich dazu äußern. Er wollte buchstäblich ungetauften Kindern die Rückkehr in ihre Elternhäuser nicht gestatten Sonst sollten sie in Klöstern verschwinden. Pius XII. handelte noch weitaus verwerflicher, als ich vermutet hatte. D.: Paul Spiegel hat kürzlich zwar protestiert, als Kardinal Meisner Auschwitz verharmloste, indem er es in Bezug zur Abtreibung setzte, dann aber der katholischen Kirchenleitung das Gespräch angeboten. Wäre es nicht sinnvoll, wenn auch Sie weiterhin das Gespräch suchten? H.: An mir würde es nicht scheitern. Doch Paul Spiegel weicht dem offensichtlich aus. Der Rowohlt-Verlag hat ihm jetzt drei meiner Auschwitz-Gedichte gefaxt. Seine Sekretärin hat sie Herrn Spiegel vorgelegt, wie sie mir bestätigte. Er ließ mir aber sagen, er habe keine Zeit, mit mir fünf Minuten zu reden.
Erschienen in Ossietzky 6/2005 |
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