Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Alte und neue PrachtEckart Spoo Mein Kunst- und Biologielehrer Heinrich Pistor – der einzige im Lehrerkollegium, der nicht als Offizier am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatte, und deswegen von allen anderen verachtet wurde – sagte einmal, es war zehn Jahre nach dem Krieg: Ihn ängstige die Vorstellung, daß eines Tages alle zerstörten Häuser wiederaufgebaut seien. Denn so wie er die Deutschen kenne, würden sie dann schnell wieder Krieg führen. – In einigen deutschen Städten entschloß man sich damals, einzelne zerstörte Gebäude als Ruinen stehen zu lassen, damit sie zum Frieden mahnten: in Berlin die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, in Hannover die Aegidienkirche, in Dresden die Frauenkirche. Letztere wird nun in alter Pracht wiedererrichtet – wenngleich die Frömmigkeit in der sächsischen Hauptstadt bisher nicht solche Ausmaße angenommen hat, daß dieses Gebäude für Andachtszwecke dringend gebraucht würde. In Potsdam wird der Wiederaufbau der Garnisonkirche geplant, des preußischen Militärtempels, in dem sich 1933 Hitler und die Reichswehr feierlich verschworen. Und in Berlin soll das Hohenzollernschloß wiedererstehen, auch wenn niemand weiß, welchem Zweck – außer dem »Wir sind wieder wer« – der Kolossalbau dienlich sein könnte. Der Palast der Republik, den die DDR auf den Schloßplatz gestellt hatte, soll weichen, obwohl er genau so, wie damals konzipiert und realisiert, auch heute gute Verwendung finden würde: für Theater, Kabarett, Kunstausstellungen, Kongresse, Bowling, Essen, Trinken, als Treffpunkt für alle in der Mitte der Stadt. Auch in Braunschweig hat sich der Stadtrat entschlossen, das Schloß, das im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer beschädigt und 1960 auf Beschluß des damaligen Stadtrats abgerissen worden war, zu rekonstruieren – jedenfalls die Fassade. In diesem Fall ist sogar jemand da, der das Gebäude nutzen will: die Firma ECE-Otto. Der auf dem alten Schloßgelände entstandene Park soll komplett abgeholzt werden, damit eine Riesenkaufhalle mit 30 000 Quadratmetern Verkaufsfläche und einem Parkhaus für mindestens 1200 Autos entstehen kann. Zur besseren Vorstellung: Die Fläche ist etwa so groß wie fünf Fußballfelder. Der Braunschweiger Herzog Ernst August residierte einst nur ein Jahr in dem Schloß, von 1913 bis 1914, danach diente es als Lazarett. Später herrschten hier die Nazis, mehr als zehn Jahre lang: Von 1934 bis 1944 war das Schloß die Braunschweiger SS-Zentrale. Gründe zur Nostalgie? In der Braunschweiger Innenstadt – wie in vielen Innenstädten – stehen immer mehr Läden leer, etwa 80 in der Nähe des Schloßparks. In das Einkaufsschloß sollen über 130 Läden und Gaststätten einziehen. Die alten Einkaufsstraßen werden also weiter veröden. Die unternehmerische Absicht der Firma ECE (EinkaufsCenterEntwicklung, gegründet von dem Versandhauschef Werner Otto, jetzt von Alexander Otto geleitet) kann nur sein, möglichst viel von der vorhandenen Kaufkraft ins Einkaufsschloß zu ziehen. Zur Verzierung des schnöden Mammon hat sich die Stadtverwaltung bereit erklärt, einige Räume für kulturelle Zwecke und für das Standesamt anzumieten (was nicht notwendig gewesen wäre, weil sich Braunschweiger Brautpaare bisher schon in einem echten kleinen Schloß trauen lassen konnten). Die Stadt hat sich verpflichtet, dafür 30 Jahre lang jährlich 1,2 Millionen Euro Miete zu zahlen. Eine Bürgerinitiative für die Erhaltung des Schloßparks sammelte 30 000 Unterschriften, von denen die Stadtverwaltung 24 000 als gültig anerkannte. Das war eine ansehnliche Leistung, denn die Braunschweiger Zeitung , das örtliche Monopolblatt, ließ und läßt nur eine Meinung gelten: daß Braunschweig unbedingt wieder ein Schloß braucht. Das Bürgerbegehren wurde im Stadtrat rasch abgeschmettert. Aber der Protest geht weiter. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Robin Wood, das Braunschweiger Umweltzentrum und andere Verbände warnen in einer gemeinsamen Aktion »Für ein sauberes Braunschweig« vor den Folgen der geplanten Schloßpark-Bebauung: Am Bohlweg, der Braunschweiger Hauptverkehrsstraße, wurde mit 226 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft als Tagesmittelwert schon im Jahre 2003 bundesdeutscher Rekord gemessen. Der gesetzliche Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm und darf in einem Kalenderjahr höchstens 35 mal überschritten werden. Am Bohlweg wurde er im vergangenen Jahr 52 mal und in den ersten beiden Monaten dieses Jahres bereits 15 mal überschritten. Neben dem Tagesgrenzwert gibt es einen Jahresdurchschnittsgrenzwert, der bei 40 Mikrogramm liegt. Am Bohlweg betrug 2004 der Jahresdurchschnittswert 47 Mikrogramm. Durch die Bebauung des Schloßparks, so warnen die Umweltverbände, würde die Braunschweiger Innenstadt ihre grüne Lunge verlieren; ein Luftkanal für den Abtransport von Schadstoffen und für den Wärmeausgleich ginge verloren. Durch den Autoverkehr von Kunden und Lieferanten des Einkaufsschlosses würde sich die Feinstaubbelastung erhöhen. Die Verbände fordern, die Schloßparkbebauung zu unterlassen, innerstädtische Parkanlagen zu erhalten, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, den Rad- und Fußgängerverkehr zu fördern. Aber kann sich die Familie Otto – die sonst gern mit ihrem Engagement für die Umwelt wirbt – von solchen Einwänden aufhalten lassen? ECE hat noch viel größere Pläne: Einkaufszentren wie in Braunschweig sollen auch in den schönen alten Städten Oldenburg, Hildesheim, Hameln, Goslar, Heilbronn, Erlangen, Passau und so weiter entstehen. Prächtig.
Erschienen in Ossietzky 6/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |