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Für ihn hatte ich meinen Lieferanteneingang extra verbreitert und vor Jahren eine seiner lichtvollen Erkenntnisse sogar zum Buchmotto erhoben: »Die Wirklichkeit ist ja eben doch anders als die Realität.« Indes: Die jungen Meister der Branche drängen nach. Jüngst ist ein neuer Stern am politischen Slapstick-Himmel aufgegangen. Mit unüberbietbar beiläufiger Nonchalance ließ nämlich das hoffnungsvolle Nachwuchstalent Wolfgang Clement in den Tagesthemen eine göttliche Pointe los: »Nein, das ist nicht die Wahrheit, das ist die Tatsache.« So schön dicht am Original. Der Politiker wächst halt mit dem Amt. * Sehr beliebt sind neuerdings Filme, die die Herstellung eines Films zum Thema haben. Solche praktischerweise gleich am Drehort per separater Kamera mitaufgenommenen hochkünstlerischen Filmwerbefilme benennt man deutsch mit dem knappen Fachausdruck »makin' of ... «. Wirklich interessant, wenn da ein Kameramann in pseudodokumentarischen Bildern dreht, wie ein anderer Kameramann dreht. (Sollte man nicht zukünftig vielleicht sogar die Entstehung eines besonders gelungenen »makin' of...«s per dritter Kamera durch ein eigenes Filmchen dokumentieren, gewissermaßen durch ein »makin' of makin' of.. . «? Die dritten Programme haben noch viel Sendezeit zu füllen.) Jeder Filmemacher, der etwas auf sich hält, gibt heute sicherheitshalber gleich ein solches Mach-Werk über sein Machwerk in Auftrag. Sonst blieben die Leute zu Hause vor der Glotze sich ja eventuell über seine epochale Bedeutung im Unklaren und die Kinosäle leer. Überdies geben die »makin' of...«s Darstellern, Regisseuren, vor allem jedoch Produzenten und mit ihnen befreundeten Zeit- oder Filmkritikern Gelegenheit, sich zu profilieren, also zu sagen, was sie dem zahlenden p.p. Publikum mit dem Film eigentlich sagen wollen. Andernfalls kämen die Zuschauer nämlich nach einem grandiosen filmkünstlerischen Ereignis aus dem Lichtspielhaus und wüßten bedauerlicherweise nicht, was ihnen mit dem kinematographischen Opus hatte gesagt werden sollen. Unlängst strahlte das NDR -Fernsehen N 3 einen langen »makin' of...« des Götterdämmerungsspektakels »Der Untergang« aus, das sich überraschenderweise jedoch tatsächlich mal als hochinformativ erwies. Eindeutiger nämlich, als der begnadete Hitler-Darsteller Bruno Ganz sie da persönlich zu enthüllen vermochte, hat bisher noch kein Kritiker der Führer-Schmonzette böse Absichten zu unterstellen gewagt. Geruhte der wackere Mime doch in feiner Zurückhaltung vor laufender Kamera glaubhaft zu erklären, er habe Hitler »natürlich nicht nur gehaßt«. Sonst hätte er ihn nicht spielen können. Da muß Charlie Chaplin den großen Diktator ja geradezu geliebt haben. Hier ist das Stinktier aus dem Sack. Weniger dezent formuliert kennen wir solche Sprüche schon länger: »Natürlich, der Führer hat auch Fehler gemacht... Das mit den Juden mußte so nicht sein... Aber man sollte auch das Gute sehen. Wer hat denn schließlich die Autobahnen...?« Das wissen viele Deutsche schon lange, und seit inzwischen 4,5 Millionen Zuschauer den »Führerfilm« (Volksmund) gesehen haben, noch einige mehr. Danke, Bruno, für das klare Wort. * Unsere nebenverdienstvollen VolksvertreterInnen pflegen allfälligen Vorhaltungen, ihre Bezüge seien zu hoch bemessen, gern mit dem Hinweis zu begegnen, in den kärglichen Diäten seien auch Entschädigungen enthalten für Aufwendungen, die dem Normalbürger (!) im Regelfall nicht entstünden; so etwa die Miete für eine Zweitwohnung in der Hauptstadt. Die Kosten dafür, hört man, müßten die Mandatare aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung im Einzelfall nicht erst groß nachweisen, weil diese selbstredend alle Parlamentarier gleichmäßig beträfen. Besonders gleich trifft es da sicher die Berliner Bundestagsabgeordneten. Sie haben ihren privaten Wohnsitz ja ohnehin hier. Eigentlich eine unzumutbare Belastung, jedesmal während der Sitzungsperioden des Deutschen Bundestages vom trauten heimischen Herd in die kümmerliche Dienstbleibe zwei Straßen weiter umziehen zu müssen, bloß weil der Steuerzahler Geld dafür gibt. Jede Mühe hat ihren Preis. Und werden dem Staat auf diese Weise nicht auch horrende Gratis-Reisekosten der Lufthansa oder gar der Deutschen Bahn AG beim steten Pendeln zwischen dem fernen privaten Erst- und dem hoheitlichen Zweitwohnsitz erspart? Natürlich können mit den Diäten nicht alle Aufgaben und Bedürfnisse der Volksvertreter vollständig abgedeckt beziehungsweise befriedigt werden. Deshalb gibt es diverse Sonderzahlungen. Beispielsweise eine geringfügige Pauschale für Unterhaltung. Und zwar die eines Wahlkreisbüros. Sie beträgt monatlich 3589,– Euro und ist ebenfalls nicht beleg- oder abrechnungspflichtig. Zwar führen durchaus nicht alle Abgeordneten ein solches Büro, aber das Geld dafür erhalten sie selbstverständlich trotzdem. Fürsorglich. Es könnte ja sein, daß der eine oder die andere irgendwann doch mal Lust verspürt, sich durch eine derartige PR-Einrichtung den Wählerinnen und Wählern gegenüber zu profilieren... Zu denen, die kein Wahlkreisbüro betreiben, es sich aber dennoch bezahlen lassen, gehört auch der Freie Demokrat Jürgen Koppelin MdB. Er mache Arbeit und Bürgerbetreuung lieber daheim, hat er erklärt, und die 3589,– Euro monatlich gebe er weitgehend für Benzin aus. Ich habe nachgerechnet. Angenommen der Herr führe ein Auto, das auf hundert Kilometer fünfzehn Liter Super-Benzin zu je 1,10 Euro verbraucht, so bedeutete dies eine Fahrleistung von 21 752 Kilometern monatlich beziehungsweise 725 Kilometern täglich. Oder jährlich rund sechseinhalbmal um den Erdball. Nur Luftlinie natürlich. Legen wir jetzt großzügig eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 Kilometern zugrunde, so heißt das: Der arme Mann hockt sommers wie winters, werk- wie feiertags und ohne jeden Urlaub tagtäglich neun Stunden im Auto. Wahrlich ein Berufskraftfahrer! Genau da wird es dann kriminell: Würde man nämlich noch die aus Gründen der Verkehrssicherheit gesetzlich vorgeschriebenen Mindest-Ruhezeiten und die einschlägigen Vorschriften des Sozialgesetzbuchs berücksichtigen, so ergäbe sich aus dieser Rechnung zweifelsfrei, daß der bedauernswerte reiselustige Liberale täglich mindestens rund 16 Stunden auf der Straße liegt. Billigen wir ihm nun knappe sechs Stunden Schlaf zu – wir wollen doch nicht hoffen, daß er die im Plenarsaal abmacht – und gönnen wir ihm täglich eine Stunde für Körperpflege, Mahlzeiten und Diverses, bleiben für die Bundestagsarbeit bestenfalls sieben Wochenstunden. Ein klassischer 400-Euro-Minijob. Und daß der gestreßte Langstrecken-Schumi da keine Zeit hat, in seiner Eigenschaft als Volksvertreter noch ein Wahlkreisbüro zu unterhalten, versteht sich von selbst. Ich habe versucht, den parlamentarischen Ritter der Landstraße telefonisch in seinem Berliner Abgeordnetenbüro (das hat er aber wirklich!) zu erreichen, um noch ein paar Einzelheiten für meinen Artikel zu recherchieren. Erwartungsgemäß vergeblich; der Herr jagte wahrscheinlich gerade irgendwo zwischen Alt-ötting und Zusmarshausen die Wahlkreisbüro-Pauschale durch den Auspuff. Dafür kam ich jedoch ins Gespräch mit einer Fraktionsangestellten. »Das habe ich mir gleich gedacht«, seufzte sie, »daß irgendwer mal wegen dieser Geschichte nachfragen würde. Es ist immer dasselbe: Die Abgeordneten reden, ohne zu überlegen, irgendwas drauflos, und ich muß es dann hinterher ausbaden.« Recht hat sie. So ist es eben auch sonst in der Politik: Sie reden egalweg irgendetwas daher, und wir müssen es dann ausbaden.
Erschienen in Ossietzky 6/2005 |
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