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Daß in Torgau – 1943 bis 1945 Sitz des Reichskriegsgerichts – jetzt in einer Dauerausstellung NS-Täter zu unschuldigen Opfern gemacht werden, ist ein Signal, das nicht nur uns, die letzten überlebenden Opfer der NS-Militärjustiz, beunruhigen muß. Torgau an der Elbe war zentraler Verfolgungsort der Wehrmachtsjustiz im Zweiten Weltkrieg. Hier wurden rund 1000 Todesurteile verhängt. Im Torgauer Fort Zinna litten zehntausende Gefangene der Wehrmachtsjustiz unter unmenschlichlichen Haftbedingungen; viele von ihnen starben daran. Ich selbst bin dort als verurteilter Deserteur mißhandelt worden und habe viele Erschießungen »zur Abschreckung« miterleben müssen. Nach dem Krieg war Fort Zinna zunächst sowjetisches Speziallager, in der DDR wurde es zur Justizvollzugsanstalt. Als solche wird es auch heute genutzt. In der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, in der die Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz jahrelang mitgearbeitet hat, bestand zunächst Klarheit: »Der Schwerpunkt der ständigen Ausstellung soll auf der Darstellung der NS-Militärjustiz liegen.« Doch in der Arbeit der Stiftung hat sich dieser Schwerpunkt ständig verschoben. Bezeichnend ist folgendes, auch von Peter Fischer vom Zentralrat der Juden kritisiertes Beispiel: Von den vielen NS-Tätern, die nach dem Krieg von der sowjetischen Besatzungsmacht in den Torgauer Speziallagern gefangen gehalten wurden, wird in der Gedenkausstellung der Stiftung nur ein einziger gezeigt. Es ist eine Frau, eine Jüdin: Stella Kübler. Sie hat der Gestapo hunderte untergetauchte Juden ausgeliefert. Ihre von den Sowjets verhängte Haftstrafe mußte sie zum Teil in Torgau verbüßen. Zweifellos ist sie eine Täterin. Aber daß ausgerechnet sie und kein anderer der unzähligen in Torgau inhaftierten deutschen NS-Täter gezeigt wird, ist ein Skandal. Am Fort Zinna, dem zentralen Ort unserer Verfolgung, haben die nach 1945 Verfolgten seit 1992 eine Gedenkstätte. Sie wurde errichtet von der Vereinigung der Opfer des Stalinismus und dem Bund der stalinistisch Verfolgten und soll erhalten bleiben als »Gedenksymbol zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft 1945 bis 1989« (Stiftungsgeschäftsführer Norbert Haase). Wir dagegen haben dort bisher nicht einmal einen Platz, an dem wir für unsere Opfer Blumen niederlegen können. Nun aber soll uns gegen unseren entschiedenen Widerstand eine Gedenkstätte in direkter Verbindung zur Gedenkstätte der nach 1945 Verfolgten aufgezwungen werden. Auf der Informationstafel der Gedenkstätte für die Opfer der NS-Militärjustiz soll stehen: »Die Mehrzahl der in Torgau inhaftierten Gefangenen waren wegen Verstößen gegen die militärische Disziplin bzw. krimineller Straftaten verurteilt.« Und weiter heißt es, daß »die zugrunde liegenden militärischen Straftaten unter Anlegung rechtsstaatlicher Maßstäbe auch in einem Rechtsstaat hätten bestraft werden müssen«. Das ist eine Verhöhnung jeder Rechtsstaatlichkeit. Es waren die höchsten Wehrmachtsrichter, welche den »Barbarossa- Kriegsgerichtsbarkeitserlaß« verfaßten. Mit ihm wurden ausdrücklich alle Verbrechen an der sowjetischen Zivilbevölkerung von der Strafverfolgung ausgeschlossen. Mindestens 13 Millionen Zivilisten fielen der Vernichtung zum Opfer – in vier Jahren der größte Völkermord der Geschichte. Nicht einer der Mörder wurde von der NS-Militärjustiz bestraft. Dagegen verfolgten die Militärrichter auch Bagatellfälle, wie den Diebstahl eines Feldpostpäckchens, mit der Todesstrafe. An den Opfern der NS-Militärjustiz ist die blutigste juristische Verfolgung der deutschen Geschichte begangen worden: über 30 000 Todesurteile und viele 10 000 Zuchthausstrafen. Mehr als 20 000 Todesurteile wurden vollstreckt. Überlebt haben KZ, Torgau und die Strafbataillone weniger als 4000 Verurteilte. Der Bundesgerichtshof brandmarkte in seinem Urteil vom 16. November 1995 die Wehrmachtsjustiz als eine »Blutjustiz«, deren Richter sich »wegen Rechtsbeugung in Tateinheit mit Kapitalverbrechen hätten verantworten müssen«. Viele dieser Blutrichter waren nach 1945 in Torgau inhaftiert; später wurden sie in der Bundesrepublik dafür entschädigt. Für die Stiftung gelten nicht sie und ihre Urteile als kriminell, sondern ihre Opfer. Noch bis zur pauschalen gesetzlichen Aufhebung unserer Urteile im Mai 2002 hat Sachsen gemeinsam mit Bayern versucht, über den Bundesrat unsere Rehabilitierung zu verhindern. Für Sachsen war dafür sein Justizminister zuständig. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Eine Gedenkstätte, in der die NS-Täter zu Opfern gemacht werden und die NS-Opfer zu Tätern, wäre ein Schandmal, das uns daran hindern würde, den Ort unserer Verfolgung und unser Leiden je wieder zu betreten.
Erschienen in Ossietzky 5/2005 |
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