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Identisch kann Vergangenes und Gegenwärtiges niemals sein. Wohl aber existieren unverkennbare Übereinstimmungen. Ein Beispiel führt in die frühen 20er Jahre, in denen sich rechtsextreme Kräfte formierten und Gehör zu verschaffen suchten. Schlaglichtartig erhellten am 21. August 1921 und am 24. Juni 1922 die Attentate auf Matthias Erzberger und Walther Rathenau, wohin die Weimarer Republik sich vollends wenden würde, sollten ihre monarchistischen, konservativen, völkischen und faschistischen Gegner immer mehr Spielraum gewinnen. Fehlender Schutz dessen, was in der Revolution von 1918 und mit der neuen Verfassung erreicht worden war, erleichterte alle Attacken der Rechten auf Parlamentarismus, Demokratie und Republik. Ungestraft durfte die der katholischen Zentrumspartei nahestehende Kreuz-Zeitung noch Ende August 1921 verkünden, »jedes andere Land würde solchen Verschwörern unbegrenztes Verständnis entgegenbringen«, konnten deutschnationale Zeitungen vom »Gefühl der Befreiung« sprechen, wenn sie über politische Morde an Linken und Demokraten berichteten. Schutz der Republik stand auf der Tagesordnung. Doch Reichskanzler Joseph Wirth reagierte 1921 kaum auf den konkreten Entwurf eines Republikschutzgesetzes, den die USPD vorgelegt hatte. Erst das Attentat auf Rathenau rüttelte wach, noch mehr die große Welle des Protestes. Es hieß, wie aus den Regierungsakten hervorgeht, nur ein Schutzgesetz sei in der Lage, »die große Bewegung in dem werktätigen Volke in geordneten Bahnen zu halten«. Man könne doch nicht wollen, dass »die Linke die Republik mit Gewalt schütze«. Schließlich begann der Reichstag am 5. Juli 1922 über einen Entwurf aus der Feder des Justizministers Gustav Radbruch und des Sozialdemokraten Adolf Köster zu beraten. Rechte Abgeordnete schäumten gegen ihn als »pietätlose Ausschlachtung der Bluttat«. Und sie bemühten sich, alle »Giftzähne« zu ziehen, die als allein gegen rechts gerichtet erscheinen konnten. Gerade mal 75 Millionen der arg inflationsgeschädigten Mark wurden für Maßnahmen zum Schutze der Republik bewilligt. Am 18. Juli verabschiedete der Reichstag das auf fünf Jahre befristete Gesetz, am 21. Juli 1922 trat es in Kraft. Es bot durchaus einen hinlänglichen Rahmen für die Vereitelung und Verfolgung republikfeindlicher Äußerungen und Aktivitäten, von Mord und Verhetzung. Das 1927 und 1929 noch einmal verlängerte Gesetz zum Schutze der Republik ließ seine Herkunft von links und seine antimonarchistische Stoßrichtung erkennen. Wäre damals übrigens ein Vorschlag aus Sachsen durchgedrungen, hätte das Gesetz möglicherweise mehr bewirken können: In den Artikel 129 der Weimarer Verfassung sei einzufügen, daß – wenn es das Wohl der Republik erfordere – Beamte, also auch Richter und Staatsanwälte, einstweilen in den Ruhestand versetzt werden könnten; zudem sollte ihnen die Dienstentlassung mit Wegfall der Ruhegehaltsbezüge angedroht werden können. Es kam leider anders. Gerade die deutsche Justiz sollte sich als ein besonders verläßlicher Stützpfeiler der Reaktion erweisen. Die Warnung der Kommunisten in der Roten Fahne vom 9. Juli 1922 war völlig berechtigt: »Das ›Gesetz zum Schutz der Republik‹ ist nicht gedacht als Ausnahmegesetz gegen monarchistische Mordbuben ... Dafür werden die reaktionären Beamten und Richter schon sorgen.« Bitter klang schließlich das Fazit, das Carl von Ossietzky in seinem Artikel »Rotkoller« ( Die Weltbühne , 18.2.1930) zog: »Das Gesetz hat seine Funktion niemals erfüllt. Die Monarchisten haben seine Schärfe niemals wirklich zu spüren bekommen, leidtragend war allein die äußerste Linke ... Es war zur Lüge geworden.« An gleicher Stelle schlußfolgerte ein anderer: »Wir Republikaner sind von unserem Staat verlassen. Wir müssen die Republik schützen nicht nur gegen Rechtsradikale, sondern mit gleicher Intensität gegen die Organe des Staates selber ...« Ein zweites Beispiel für geschichtliche Parallelen: Am 12. Februar 1935 schrieb Franz Seldte, der konservative »Stahlhelm«-Gründer, der erst Monate nach seiner Berufung als Reichsarbeitsminister der NSDAP beigetreten war, an Hitlers Staatssekretär Hans Heinrich Lammers fordernd: »Die Lohnbildung im deutschen Baugewerbe hat mit dem Jahr 1927 eine wirtschaftlich sehr bedenkliche Entwicklung genommen. Kleine Interessentengruppen auf Arbeitgeberseite haben damals die Löhne, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der gesamten Wirtschaft und ohne Widerstand bei den Unternehmern zu finden, maßlos in die Höhe getrieben und dadurch die private Bautätigkeit zuletzt fast lahm gelegt. Diese übersteigerten Löhne, die sich wegen der Schlüsselstellung des Baugewerbes wirtschaftlich besonders verhängnisvoll auswirkten, wurden zwar in den letzten Jahren erheblich abgebaut. Aber es kann noch nicht die Rede davon sein, daß wir zur Zeit wirtschaftlich und sozial angemessene Bauarbeiterlöhne aufzuweisen haben.« An anderer Stelle fielen die Worte: »Am meisten überhöht sind noch die Baufacharbeiterlöhne in den östlichen Provinzen.« Nun, Hitler – der jüngst von Götz Aly gepriesene Sozialpolitiker – billigte diese Überlegungen und stimmte ganz selbstverständlich auch den konkreten Schlußfolgerungen zu, die da besagten, um welche Beträge die angeblich überhöhten Löhne gesenkt werden sollten und wie dies am besten zu kaschieren sei. Allerdings waren die von Rudolf Heß eingeholten Stellungnahmen der Nazi-Gauleiter durchweg negativ; alle rieten von einer Lohnsenkung ab. Widerstand war befürchtet worden, ebenso ein weiteres Absinken des »Ansehens« der NSDAP. Welches Maß an Übereinstimmung mit aktuellen Verhaltensweisen und Erscheinungen! Groß mag das Erstaunen sein, größer noch das Erschrecken, nimmt man innen- und wirtschaftspolitische Ereignisse aus der Vergangenheit unter die Lupe und wirft zugleich einen Blick auf das Tagesgeschäft heutiger Machthaber. Unabhängig von veränderten Herrschaftsformen bewirken nun einmal gleiche gesellschaftliche Verhältnisse vergleichbare Machtbestrebungen. Und diese richten sich in aller Regel gegen »links« und gegen »unten«.
Erschienen in Ossietzky 5/2005 |
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