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Schon einmal, vor genau einem Vierteljahrhundert, drohte dem NDR das Aus, nachdem der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) den Staatsvertrag gekündigt hatte. Aber es bildeten sich Bürgerinitiativen, Unterschriften wurden für den NDR gesammelt, Protestdemonstrationen organisiert. Auch tausende NDR-Beschäftigte gingen auf die Straße. Jetzt tun sie kaum einen Mucks. Warum bleiben sie so still? Eine Gefährdung des NDR, des nach dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) und dem Südwest-Rundfunk (SWR) drittgrößten Senders in der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD), müßte eigentlich Tagesgespräch sein. Schon deshalb, weil er im ARD-Auftrag die wichtigsten deutschen Fernsehnachrichtensendungen produziert, Tagesschau und Tagesthemen . Warum also das Schweigen? Der NDR, organisiert nach den Prinzipien des Öffentlichen Rechts und geleitet vom Intendanten Jobst Plog (SPD), basiert seit 1991 auf einem erweiterten Staatsvertrag zwischen den Bundesländern Hamburg (jetzt CDU-regiert), Niedersachsen (CDU/FDP), Schleswig-Holstein (nachdem das dortige Bündnis von Sozialdemokraten und Grünen bei der Wahl einige Prozentpunkte verloren hat, zittert Ministerpräsidentin Heide Simonis ihrer Wiederwahl entgegen) und Mecklenburg-Vorpommern (SPD/PDS). Der Staatsvertrag beschreibt unter anderem die Leitungs- und Aufsichtsorgane des Senders und deren Kompetenzen, den Programmauftrag und die Programmrichtlinien, und er regelt die Geschäftsführung. Am Schluß enthält er Kautelen für seine Kündigung. Ursprünglich war dort eine Kündigungsfrist bis 28. Februar 2005 genannt. Der Vertrag sollte sich bis zum Jahr 2012 verlängern, falls niemand Gebrauch vom Kündigungsrecht macht. Mittels Kündigungsdrohung erreichte Wulff zunächst eine Einigung auf den 31. Juli dieses Jahres als neuen Kündigungstermin. Das ermöglichte ihm, den schleswig-holsteinischen Wahlausgang in seine Strategie einzubeziehen. Nach der Regierungsbildung in Kiel wird der Niedersachse wissen, wie weit er bei der Unterwerfung des NDR unter die eigenen Interessen und die der CDU gehen kann. In den kommenden vier Monaten soll nach seinem Willen jedenfalls ein den NDR stark verändernder neuer Staatsvertrag durch die vier Länderparlamente gedrückt werden. Das Ende der Vertragslaufzeit wurde zudem auf das Jahr 2007 vorgezogen – die Option für weitere Eingriffe, falls dieses Mal noch nicht sämtliche gewünschten Änderungen durchzusetzen sind. Wulff suchte seine machtpolitischen Ambitionen nur dürftig zu tarnen: Er wolle »mehr Programmanteile für Niedersachsen« und im übrigen eine »schlankere Verwaltung des Senders«. Eine Zerschlagung des NDR sei nicht beabsichtigt. So vermied er, sich wie Ernst Albrecht mit einer Staatsvertragskündigung das Image eines machtgeilen Kaputtmachers zuzuziehen. Albrecht hatte 1980 die geplante NDR-Auflösung »größer als (den geplanten Bau des Atommüll-Endlagers; V.B. ) Gorleben« genannt. Erst ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin hatte das Zerstörungswerk gebremst. Was Albrechts politischer Ziehsohn Wulff (der eine Albrecht-Tochter zur Ministerin gemacht hat) wirklich will, mutmaßen nicht nur Ministerpräsidentin Heide Simonis in Kiel und ihr Schweriner Kollege Harald Ringsdorff: Dem Intendanten Plog (SPD) soll ein CDU-Mann nachfolgen, und der zwölfköpfige Verwaltungsrat des Senders soll nicht mehr allein vom Rundfunkrat gewählt, sondern zur Hälfte von den Staatskanzleien der Vertragsländer bestimmt werden. Damit würde ein großer Schritt in Richtung Staatsrundfunk gegangen, warnte Ringstorff: »Ich habe Jahrzehnte meines Lebens in einem System verbracht, dessen Rundfunkwesen staatlich gelenkt war.« Den 65 Mitglieder zählenden NDR-Rundfunkrat will Wulff, wie weiter durchsickerte, um die Hälfte verkleinert und neu zusammengesetzt sehen. Dazu müßten die »gesellschaftlich relevanten Gruppen« neu benannt werden, die dann noch das Recht hätten, an demokratisch legitimierter Kontrolle des Senders mitzuwirken. Daß sich nach der von Wulff gewollten Amputation noch Umwelt-, Natur- und Verbraucherschützer, Sozialverbände, die Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste oder ähnliche Bürgerorganisationen in dem Gremium befinden werden, darf bezweifelt werden. Immerhin – eine »Initiative« zumeist gewerkschaftlich orientierter Rundfunk-räte und ihrer regionalen Organisationen meldete sich zu Wort: »Als öffentlich-rechtlich verfaßter Sender gehört der NDR zum Besten, was der Norden zu bieten hat. Unter den Medienunternehmen in Deutschland nimmt er durch Profil, Kompetenz und Professionalität eine Spitzenposition ein. Dies ist nur gelungen, weil parteipolitischer Klüngel konsequent durch die Arbeit der demokratisch legitimierten Gremien aus dem Sender herausgehalten wurde...« In diesen schönen Zeilen steckt allerdings größtenteils Wunschdenken. Die Behauptung, es sei gelungen, parteipolitischen Klüngel herauszuhalten, muß in einer Karnevalsnacht erdacht worden sein. In den NDR-Aufsichtsgremien beraten sich CDU- und SPD-»Freundeskreise« vor allen wichtigen Entscheidungen. Neben dem Sozialdemokraten Plog leitet Joachim Lampe (CDU) als Zweiter Intendant den NDR. Unter den neun Direktoren gibt es nur noch einen einzigen mit SPD-Parteibuch, die meisten anderen sind CDU-Mitglieder oder -Freunde. Plog legt Wert darauf, daß es so aussieht, als wäre seine CDU-geneigte Personalpolitik ausschließlich an »Professionalität« orientiert – als gäbe es nur bei der CDU richtige Rundfunkprofis. Plog ist aber auch insofern ein moderner Sozialdemokrat, als er in den vergangenen Jahren mit seinem Projekt »ZuKo« (Zukunftssicherung und Kostensenkung) von den einst 4400 Arbeitsplätzen im NDR nur knapp 3000 übrig ließ, obwohl im selben Zeitraum die Zahl der ausgestrahlten Sendungen stark erhöht wurde, was nur unter Hinnahme von Qualitätsverlusten möglich war. Die NDR-Programme unterscheiden sich kaum noch von den Angeboten der kommerziellen Konkurrenz, Jörg Pilawas Quizfragen sind nicht unterhaltsamer als die von Günter Jauch, in Hamburg produzierte Magazinsendungen wie Panorama fallen längst weit weniger durch Neuigkeitswert und Informationsgehalt auf als durch ihre gewerkschaftsfeindlichen Tendenzen. Und bei der Tagesschau wurde Klasse durch Masse ersetzt. So gesehen ist gar nicht zu erkennen, was CDU-Wulff gegen SPD-Plog einzuwenden hat – zudem hat er auch einige grundsätzlich begrüßenswerte Ziele vorgegeben. So sollen die Landesrechnungshöfe endlich die zahlreichen privatwirtschaftlichen Tochtergesellschaften des NDR prüfen dürfen, beispielsweise die Norddeutsche Werbefernsehen GmbH und die Studio Hamburg GmbH, sowie solche Tochter-Tochtergesellschaften wie die Norddeutsche Kasino-Gesellschaft. In Wahrheit ist der öffentlich-rechtliche NDR nämlich längst zu einem riesigen und umsatzstarken Konzern verkommen, einem Verschiebebahnhof für Geld und Personal. Die Tochterfirmen, privatwirtschaftlich organisiert, sind jeder öffentlichen Kontrolle entzogen. Es ist daher wenig verwunderlich, daß sich kaum noch jemand darüber aufregt, wenn dem NDR seitens eines reaktionären und machtambitionierten Ministerpräsidenten die Auflösung droht. Der NDR ist schon lange nicht mehr, was er einmal war: eine demokratische Errungenschaft der Nachkriegszeit, mitgeprägt von Humanisten und Aufklärern wie dem einstigen Weltbühne -Autor Axel Eggebrecht. Die rühmlichen NDR-Kapitel sind längst abgeschlossen.
Erschienen in Ossietzky 5/2005 |
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