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Das Gespenst – dies zeigt ein Blick in die USA, wo es schon seit fast dreißig Jahren mit Fallpauschalen agiert – ist kein Garant für die Gesundheit der Bevölkerung. Die Privatkliniken in den USA haben weder ein besseres noch ein billigeres Gesundheitswesen schaffen können. Im Gegenteil: Die Kosten je Versicherten sind deutlich gestiegen. Wenn jetzt überall in der Bundesrepublik die »Sanierung« von Krankenhäusern durch private Investoren propagiert wird, empfiehlt sich ein Blick auf die »Sanierer«. Am »Rhön-Klinikum« ist Bertelsmann beteiligt. Kapitalgeber der Kette »Mediclin« sind unter anderen die DKV-Viktoria Versicherung und die Provinzial Lebensversicherung. Die »Sana«-Kette, die mittlerweile 61 Kliniken in Deutschland ihr eigen nennt und 25 000 Menschen beschäftigt, wurde von 18 privaten Krankenversicherungen gegründet; hinter jeder dieser Versicherungen stehen Finanz- und Industriekonzerne. Schwieriger ist es, solche Zusammenhänge bei Ketten zu ermitteln, deren Ursprungs- und Devisenland die USA sind. Die Ketten »Asklepios« und »Helios«, beide schmücken sich mit glänzenden Namen aus der griechischen Antike, stammen aus den USA. »Asklepios« (heute 67 Kliniken in Deutschland) unter der Regie von Dr. Bernard Broermann und »Helios«, geleitet von Dr. Lutz Helmig, treten beide als christlich engagierte und sehr familiär wirkende Unternehmen auf. Doch schaut man genauer hin, erweisen sich beide Chefs als Makler für amerikanische Investitionen. Broermann war bis 1984 bei dem Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst & Winney in Boston tätig, das mit der Wirtschaftsprüfungsfirma Ernst & Young kooperiert, die beispielsweise die Rechenschaftsberichte der CDU testiert und immer als »unabhängiger Wirtschaftsprüfer« zur erneuten Prüfung herangezogen wird, wenn es um die »schwarzen Kassen« des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl geht. Ernst & Winney ist auch eng verbandelt mit 3M, Colgate-Palmolive und General Electric. Für diese und andere potente Geldgeber ging Ernst & Winney auf den deutschen Markt. Auch in Deutschland begann Broermann 1984 als Berater. Seine Consultingfirma untersuchte zum Beispiel die Wirtschaftlichkeit der Bremer kommunalen Kliniken. Ergebnis: Die Rechtsform müsse vom kommunalen Krankenhausbetrieb zum Eigenbetrieb geändert werden. Die Bremer Senatoren stimmten zu und schufen damit jene Bedingungen, die heutige Krankenhausketten benötigen, um mit dem Krankenhaus als Handelsware operieren zu können. Die Krankenhäuser wurden von öffentlicher Einflußnahme Stück für Stück abgesondert. Erster Schritt zur Entdemokratisierung war die Änderung der Rechtsform in eine GmbH, in der die Kommune noch Hauptgesellschafter war. In welche Richtung dieser Schritt führt, ist sicher vielen Kommunalpolitikern anfangs nicht bewußt. Sie sehen nur, daß in ihrem Steuersäckel kein Geld ist, die Kommune aber ein funktionierendes Krankenhaus braucht. In dieser Not verkaufen sie an große Ketten. Diese sind aber im Vergleich zu kommunalen Kliniken nur deshalb so »flexibel«, wie sie sich rühmen, weil sie sich nicht mehr um die Stimmen der Volksvertreter scheren müssen. Mit dem Finanz- und Industriekapital im Rücken investieren sie in Medizintechnik. Nach der Privatisierung steigt der Warenumschlag der Medizin- und Pharmaindustrie, die Personalkosten sinken. Privatisierungspionier Broermann war 1979 mit dem Buch »Immobilien in USA« hervorgetreten, mit dem er in der Schweiz und Deutschland für Investitionen in den USA warb. »Immobilien eignen sich gut als Vermögensanlage, weil sie langfristig eine hohe Wert- und Ertragsbeständigkeit besitzen« und einen »Schutz vor inflationärer Entwertung« garantieren, schrieb er. Sein Konzept, mit dem er damals Geld von Europa in die USA transferierte, um dort unter anderem die heutige »Asklepios«-Kette mit elf amerikanischen Krankenhäusern zu starten, scheint auch beim umgekehrten Weg von den USA nach Europa zu überzeugen. Denn »das Ergebnis einer Immobilienanlage ist schließlich zu einem wesentlichen Teil von vornherein kalkulierbar und auch leichter kontrollierbar als unternehmerische Beteiligung, ohne daß jedoch die Chance für erhebliche Wertzuwächse ausgeschlossen wird.« Die Geldanleger können sich indirekt, aber auch direkt an den Unternehmen beteiligen. Direkte unternehmerische Beteiligung lohnt sich besonders für die Hersteller von Produkten, die im Krankenhaus abgesetzt werden sollen. So engagiert sich im Hintergrund 3M, eine amerikanische Industriefirma, sowohl bei »Asklepios« wie bei »Helios«. 3M produziert nicht nur für die Automobil- und Rüstungsindustrie, sondern auch für Krankenhäuser, die es mit vielerlei Waren beliefert – vom Milchsäure-Indikationsstäbchen bis zum elektronischen Stethoskop und Computer. Bei der Krankenhauskette Fresenius zeigt sich die Vertriebserleichterung noch deutlicher. Fresenius produziert vom Dialysegerät bis zum Herzschrittmacher für den Krankenhausbedarf. Fresenius' Tochtergesellschaft »Medical Care« betreibt Krankenhäuser in den USA (Spezialkliniken für Nierenerkrankungen). Hier floriert das Geschäft, die Aktionäre freuen sich. Der Konkurrenzwettkampf zwischen den Herstellern von Pharma- und Medizintechnikprodukten verschärft sich. Wer die größte Kette – meistens getarnt hinter deutschen Strohmännern – sein eigen nennen kann, dem ist schneller Absatz der produzierten Waren und damit Profit gesichert, ohne daß im Rathaus ein Dezernent oder in der Landesregierung ein Staatssekretär bestochen werden muß. Broermann ist einer der deutschen Experten, denen heute viele junge Studenten nacheifern. Er hat das Feld für die Investoren sondiert. Bei jedem Krankenhauskauf ist die Immobilie die gesicherte Basis für den Kapitalanleger. Erweist sich nach einigen Jahren eine Abteilung als nicht mehr gewinnträchtig, wird sie vom Privateigentümer liquidiert und in andere Nutzung überführt. Wer will ihm das verbieten? Wie Broermann in seinem Buch hervorhebt, kommt den »Abschreibungen bei Immobilien-Anlagen eine zentrale Bedeutung zu.« Die »stillen Gesellschafter« können ihre Investition steuerlich geltend machen, was dazu führt, daß die staatlichen Einnahmen weiter sinken werden. So geraten das öffentliche Krankenhaus und die öffentliche Fürsorgepflicht an ihr Ende. Managementzentralen in Frankfurt, Boston, Los Angeles, Heidelberg, Nürnberg oder München entscheiden im privaten Krankenhaus über Investitions-, Sach- und Personalkosten (der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gilt nicht mehr). Die gewählten Volksvertreter haben hier nichts mehr zu sagen. Gesundheit ist vollends zur Ware geworden. Der Autor behandelt das Thema ausführlich in seinem Buch »Eiszeit in Deutschland«, das in wenigen Wochen im Verlag Westfälisches Dampfboot erscheinen wird.
Erschienen in Ossietzky 5/2005 |
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