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Seit Jahrzehnten taucht ihr Name als Verteidigerin auf, wenn die Black Panther Party, die Attica Brothers oder die puertoricanischen Unabhängigkeitskämpfer vor Gericht standen. Seit 1995 hat sie sich dann auch noch des blinden Scheichs Omar Abdel Rahman angenommen, des wenig sympathischen Leiters einer islamischen Gruppe, die die Ermordung des ägyptischen Präsidenten Mubarak geplant hatte und für den Anschlag auf das World Trade Center 1993 verantwortlich war. 1996 wurde Scheich Omar zu lebenslanger Haft verurteilt. Seitdem sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis in Minnesota. Jeglicher Kontakt mit der Außenwelt ist ihm verboten. Nach dem erneuten Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 zeigte der Rechtsstaat Zähne und Krallen. Justizminister Ashcroft bezichtigte den Scheich sogleich, ein Anhänger der Ideen von Al-Qaida zu sein. Damit zielte er allerdings nicht auf den ohnehin fest sitzenden und isolierten Rahman, sondern auf dessen Verteidigerin Lynn Stewart, die er im April 2002 unter Anklage stellte. Die Öffentlichkeit erfuhr davon in der »Late Night Show« von David Letterman: »Wie die heutige Anklage darlegt,« plauderte Ashcroft, »hat Scheich Abdel Rahman die Al-Qaida-Lektionen gut gelernt. Scheich Rahman ist entschlossen, die vom US-Justizwesen gewährten Rechte auszunutzen und zur Zerstörung des Systems einzusetzen.« Lynn Stewart warf er vor, durch ihre »vorsätzliche und wiederholte Hilfe« es dem Scheich ermöglicht zu haben, seine Führungsrolle in der Terrororganisation zu festigen. Mitte Februar wurde sie wegen schwerer Vergehen verurteilt, für die sie bis zu 30 Jahre hinter Gitter kommen kann. Auch ihr Assistent Ahmed Sattar und der Übersetzer Mohamed Yousry wurden verurteilt. Um ihren Mandanten im Gefängnis besuchen zu können, hatte sie seinerzeit eine Erklärung unterschreiben müssen, daß sie sich ausschließlich über Rechtsfragen mit dem Gefangenen unterhalten und keine Mitteilungen von ihm an Dritte überbringen werde. Unmittelbar nach dem 9. 11. hatte sich Ashcroft das Verteidigerrecht auf unüberwachte Beratung mit dem Gefangenen vorgenommen und es für die Fälle aufgehoben, in denen es dazu benutzt werde, »weitere Akte der Gewalt oder des Terrorismus zu ermöglichen«. Man zapfte ihr Telefon an und belauschte die Gespräche im Gefängnis. Dabei bemerkte man verblüfft, daß die Anwältin sich häufig eines seltsamen Kauderwelschs bediente, um die Gefängnisbeamten zu verwirren, die mit der Aufnahme der Gespräche beschäftigt waren. Außerdem, so der Vorwurf, habe sie Botschaften ihres gefangenen Mandanten aus dem Gefängnis »geschmuggelt«. Lynn Stewart hat keinen Hehl daraus gemacht, daß sie Presseerklärungen im Namen ihres Mandanten herausgegeben habe – ein Recht, welches ihr nach dem ersten Amendment, dem Recht auf freies Sprechen, verfassungsrechtlich verbürgt ist. Besonders in kontroversen Fällen von hohem öffentlichen Interesse ist es das Recht der Verteidigung, den Fall ihres Mandanten auch in der Öffentlichkeit so zu vertreten, wie es die Anklage ebenfalls tut. Wenn kein Gerichtsbeschluß vorliegt, der aus überprüfbaren Gründen beiden Seiten Mitteilungen an die Presse verbietet, ist die Unterschrift unter die Erklärung nicht bindend. Denn sie ist nicht freiwillig erfolgt, sondern war die Bedingung für den Besuch bei dem Gefangenen. Ashcrofts Durchlöcherung des Parteienprivilegs verletzt zudem das sechste Amendment, welches allen Personen das Recht zubilligt, sich vertraulich mit einem Anwalt zu beraten. Vor dem 9. 11. war es keinem Mitglied der Regierung erlaubt, beliebig Rechte der Strafverteidigung zu beschneiden. Erst der 9. 11. wirkte wie ein konstitutioneller Akt der Ermächtigung, in die Verfassung einzugreifen. Kein Zweifel, die Anklage gegen Lynn Stewart zielt über sie hinaus und bezweckt die Einschüchterung der Anwaltschaft insgesamt. Die Anwälte sollen es sich zweimal überlegen, vermeintliche oder wirkliche Terroristen zu verteidigen. Die Botschaft der Regierung ist klar: Wenn wir einen Angeklagten zum Terroristen erklären, bleiben Euch nicht mehr viel Rechte, und schlimmstenfalls bringen wir Euch wegen Unterstützung des Terrorismus vor Gericht. Das jetzige Urteil hat diese Strategie abgesegnet, und Lynn Stewart muß mit 30 Jahren Gefängnis dafür rechnen, daß sie Kauderwelsch zu ihrem Mandanten und die Wahrheit zur Presse gesprochen hat. Lynn Stewart und ihre Mitarbeiter werden das Urteil anfechten, doch es ist zweifelhaft, ob der Wechsel von Ashcroft zu Gonzales der Justiz das notwendige rechtsstaatliche Signal vermittelt, um ihr weiteres Absinken auf türkisches Niveau zu verhindern. Dort in der Türkei bedrohen derzeit die Behörden mit der gleichen Beschuldigung zwei Anwälte des Kurdenführers Abdullah Öcalan, die sich ihrer Verfolgung durch Flucht entzogen haben. Und Putin wird dann aus der Stunde mit Bush die Lehre ziehen können: Guantánamo ist überall.
Erschienen in Ossietzky 5/2005 |
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