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Heimat Heimat ist ein dunkles Meer, da kommen deutsche Menschen her. Mit Inbrunst wollen sie zurück – ihr Untergang ist Lebensglück! Martin Petersen
ProfitpatriotenDie öffentliche Aufregung um die Unternehmensstrategie der Deutschen Bank hat es an den Tag gebracht: Noch immer gibt es hierzulande Menschen, die Zweifel daran haben, ob das, was dem Börsenwert und den Managereinkommen einer deutschen Bank gut tut, für alle Deutschen gut ist. Und so kommt es, daß sich jetzt viele Repräsentanten des Kapitals hierzulande sehr bemüht zeigen, ihre Geschäftstätigkeit als Dienst am Vaterland darzustellen. Gegenüber solchem Patriotismus ist Nachdenklichkeit geboten. Drei Erfahrungen aus dem vergangenen Jahrhundert: Mit patriotischer Propaganda bereitete das deutsche Unternehmertum die ganze Bevölkerung auf den Ersten Weltkrieg vor, der um die Neuordnung der Weltmärkte geführt wurde. Zwar kam eine deutsche Niederlage heraus, aber die kriegstreiberischen deutschen Konzerne fuhren gewaltige Profite ein. Mit patriotischen Begründungen un-terstützten deutsche Großunternehmen das »Dritte Reich« und dessen Expansionspolitik. Hochrüstung, Kriegsproduktion und Kriegsplünderungen bescherten den Konzernen wiederum prächtige Profite, diesen Ertrag konnten sie in Westdeutschland über das Ende des Nazi-Regimes hinaus retten. Mit patriotischen Argumenten übernahmen nach dem Zusammenbruch der DDR die westdeutschen Konzerne das ostdeutsche Wirtschaftsvermögen – ein profitabler Raubzug, diesmal in zivilen Formen. Also: Alarm, Alarm, sobald das Kapital patriotisch daherkommt! Werner Biermann
SupeerIn der westfälischen Tageszeitung Die Glocke teilt ein Leser mit, was ihn bewogen hat, aus der SPD auszutreten: »Seit November 2002 bin ich arbeitslos. Alle Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz waren vergeblich. Ich befürchte, daß ich – obwohl noch nicht 50 Jahre alt – auch weiterhin erwerbslos bleiben werde. Und jetzt bin ich von Hartz IV betroffen, das bedeutet auch für mich: Enorme finanzielle Verluste, Entwürdigung, Entrechtung. Zu mehr Beschäftigung wird Hartz IV nicht führen, im Gegenteil, es werden dadurch weitere sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entfallen. Konzerne, die im Exportgeschäft Gewinne machen, drücken das Lohnniveau, verlängern die Arbeitszeit und bauen Arbeitsplätze ab. Das alles geschieht unter einer von der SPD geführten Bundesregierung. Das ist mit meinem Verständnis einer sozialen und demokratischen Politik nicht vereinbar. Meine Versuche, die Regierungspolitik kritisch zu diskutieren, sind im Ortsverein der SPD an der undemokratischen Haltung des Vorstandes gescheitert. Offenbar ist die Partei zum Kanzlerwahlverein geworden.« Die SPD als Wahlverein – auch für den Ministerpräsidenten des Landes NRW. Peer Steinbrück hat keine andere Politik im Sinne als Gerhard Schröder, aber der SPD-Landesparteitag wählte ihn jetzt mit 96,6 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Mai. »Ich bin die neue Sozialdemokratie«, sagte Steinbrück. Der Parteitag feierte ihn auf roten Pappschildern als »Supeer«. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die alte SPD zu beweihräuchern. Aber die »neue Sozialdemokratie« – da ist, wie mir ein SPD-Veteran sagte, der fünfzig Jahre seinen Beitrag gezahlt hat und dies nun nicht mehr tut, »alles zu spät«. Marja Winken
Blick von außen auf den DGBZahlenmäßig mögen die deutschen Gewerkschaften – vor allem ver.di und IG Metall – im europäischen Maßstab immer noch Spitze sein. Ihre schwindende Kampfbereitschaft und Durchsetzungskraft bereitet aber anderen Gewerkschaften des Kontinents zunehmend Sorge. So berichtete Labour Research , ein Magazin für Mitglieder des britischen Gewerkschaftsbundes TUC, kürzlich von den »heftigen Angriffen« auf die deutschen Gewerkschaften, die zu Arbeitsplatz- und Lohnverlusten geführt hätten. Aufmerksam registriert das Blatt den Mitgliederverlust und parallel dazu die stetige Verlängerung der Arbeitszeit bei Siemens, DaimlerChrysler und anderen Unternehmen. In dem ausführlichen Artikel werden Stimmen aus Belgien, Spanien und Frankreich zitiert, die sorgenvoll darauf hinweisen, daß unter dem Druck der deutschen Ereignisse der Ruf nach der Rückkehr zur 40-Stunden-Woche auch bei ihnen stärker werde. Deutsche Gewerkschaften scheuen sich, Besitzstände mit Demonstrationen und Streiks, mit Klauen und Zähnen zu verteidigen, obwohl sich das – wie in vielen anderen Ländern – lohnen würde. Labour Research nimmt Frankreich als Beispiel: »Die jüngsten offiziellen Zahlen zeigen, daß die durchschnittliche Länge der Arbeitswoche in Frankreich Ende September 2004 mit 35,6 Stunden genauso lang war wie ein Jahr vorher. Die Verdienste wuchsen im dritten Quartal 2004 im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Prozent, ein deutlich stärkerer Anstieg als die Inflation, die 1,5 Prozent betrug.« Die Verdienste in Großbritannien stiegen ebenfalls weiterhin stärker als die Preise. Ermutigend auch das spanische Beispiel: Die dortige sozialistische Regierung hat in Abstimmung mit den Gewerkschaften eine Erhöhung des staatlichen Mindestlohns um 6,6 Prozent verfügt und den Lohn der Angestellten im öffentlichen Dienst um 3,5 Prozent erhöht. Das unselige Lohnsenkungs-, Sozialabbau- und Stillhaltebündnis, das die regierende SPD in Deutschland mit dem DGB geschlossen hat, führt offenbar dazu, daß sich die durchsetzungsstärkeren Gewerkschaften in anderen europäischen Ländern um Abgrenzung zu den deutschen Schwächlingen bemühen. Darauf deuten jedenfalls die letzten Absätze des erwähnten Artikels in Labour Research hin, nachdem gewerkschaftliche Erfolge aus weiteren Ländern erwähnt wurden: Woanders in Europa seien die Gewerkschaften bislang nicht zu ähnlichen Zugeständnissen wie in Deutschland gezwungen worden. »Aber sie können sich nicht zurücklehnen und entspannen. Gesellschaften wie Siemens, Philips und General Motors, die Zugeständnisse in Deutschland durchgedrückt haben, haben Werke auch anderswo in Europa. Es wäre nicht überraschend, wenn sie in einiger Zeit mit ähnlichen Forderungen in anderen Ländern auftreten würden.« Führende deutsche Gewerkschafter sprechen gern von Europa. Die beste europäische Politik aber, die sie heute betreiben könnten, wäre eine Lohnsteigerungs- und Arbeitszeitverkürzungspolitik hier in Deutschland – mit Kampf-geist. Manfred Sohn
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Fenster zur BerlinaleBei der Uraufführung des Films »Sophie Scholl – die letzen Tage« traute ich meinen Ohren nicht, als darin behauptet wurde, Hitlers berüchtigter Scharfrichter Freisler sei »ein sowjetischer Kommissar gewesen, der sich an der Heimatfront zu bewähren hatte«. Also rief ich bei der Produktion in München an, wo mir bestätigt wurde, ich hätte richtig gehört. Der Behauptung wird weiter nachzugehen sein. Hier nur dies zur Verkörperung jenes Freisler: André Hennicke leistet Enormes. Diese Schärfe, Kälte, Härte, dieser Fanatismus, der seinen Ausdruck in der Stimme und der Körpersprache findet. Das geht unter die Haut. Bewundernswert auch die Leistung Julia Jentschs in der Titelrolle – überzeugend in ihrer Schlichtheit, Opferbereitschaft und ihren Ängsten. Von Tag zu Tag gewinnt sie an innerer Festigkeit bis in die letzen Sekunden unterm Fallbeil. Wie sie auf dem Weg zur Hinrichtung ihrem Vernehmungsoffizier deutlich macht, ihre Tränen seien kein Zeichen von Schwäche, wie sie sagt: »Ich nahm Abschied von den Eltern« und wie ihre Augen ihn auffordern, das zu begreifen, das ist einer der vielen großen Augenblicke in einem großen Film. Die drei im Film »Man to Man« agierenden britischen Wissenschaftler, wie auch die beiden mit ihnen verbundenen Frauen, verhalten sich angesichts der Gefangennahme und Verschleppung von zwei Pygmäen aus dem afrikanischen Urwald und späteren Zurschaustellung in europäischen Zoos so bigott, so unmenschlich, so rassistisch, daß einem speiübel wird – mag auch solches Verhalten im Jahrhundert fortschreitender Kolonialisierung zeitgemäß gewesen sein. Und weil da rein niemand auftaucht, der auch nur den geringsten Einspruch geltend macht, verspürt man immer wieder Genugtuung, wenn sich die in Käfigen gehaltenen Schwarzen nach Kräften zur Wehr setzen. Dem Arzt unter den drei Wissenschaftlern kommen ob der Behandlung ihrer Gefangenen Bedenken, und wegen der an der Pygmäen-Frau begonnenen Versuche rührt ihn das Gewissen, aber das spricht ihn nicht frei – auch nicht daß er am Ende dem vom schottischen Mob zur Strecke gebrachten Pygmäen-Mann beizustehen versucht und dessen schwangerer Frau die Rückkehr in den Urwald ermöglicht. Kritische Distanz zu dem grausamen Vorgehen gegen zwei Schwarze fehlt auch dem Regisseur (Regis Wagnier). Die vier Kurzfilme »Desert Motel« (USA), »Transient« (Australien), »Sara Jeanne« (Korea) und »Green Bush« (Australien) enttäuschen. Die zwei jungen Filmemacher der beiden erstgenannten Streifen befassen sich derart seicht mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen, daß man sich nach der Berechtigung ihrer staatlichen Förderungen fragt. Die Macher (das Wort trifft) der beiden anderen Streifen bedienen nichts als gängige Klischees: zum einen das von dem in die Prostitution gedrängten, von Barbesitzern ausgebeuteten Mädchen, dessen Dasein durch einen ruchlosen Freier gewaltsam beendet wird, zum anderen das von den rausch- und trinksüchtigen australischen Aborigines, die bettelnd in einer Radiostation herumlungern und für ein schwarzes Kampflied, das dort aus Lautsprechern tönt, kein Ohr haben. In »Hotel Rwanda«, ein Film in britisch-südafrikanisch-italienischer Koproduktion, künstlerisches Ereignis von Rang, werden die Grausamkeiten eines schwarzen Völkerstamms gegen den anderen eindringlichst vorgeführt. Wie auch die Ohnmacht der Blauhelme, dem Grauen Einhalt zu gebieten. Die Zurückhaltung der Westmächte gegenüber dem millionenfachen Morden wird als gleichbedeutend mit dessen Duldung angeprangert. Sind nicht schon die Wurzeln für den mörderischen Haß der Hutu gegen die Tutsi in Ruanda in den Machenschaften der Kolonialmächte, dem Teile-und-Herrsche der Belgier und Franzosen zu suchen? Dem Film liegt eine handfeste Fabel zugrunde: Ein schwarzer Hotelmanager versucht trotz tödlicher Gefahren für sich selbst und seine Familie Hunderten von Tutsi-Flüchtlingen das Leben zu retten. Wie ihm das gelingt und vor allem wie das alles dargestellt wird, rang dem Publikum im Berlinale-Palast lang anhaltende standing ovations ab, auch für den Regisseur Terry George, der sich bescheiden hinter seine Schar schwarzer Schauspieler stellte. Der hervorragendste von ihnen, Don Cheadle, erinnerte mit Passion daran, daß der Völkermord in Afrika nicht beendet ist. Die jungen Filmemacherinnen Judith Keil und Antje Kruska stellen mit »Dancing with Myself« drei Singles vor, die sich bei lauten Diskoklängen zu verwirklichen versuchen: Tanz als Therapie. Im Alltag sind alle drei gescheitert: Die junge Frau (»kein Bock mehr auf Schule«), hofft sich als Straßenmusikantin durchschlagen oder nach Kanada auswandern zu können. Der an die vierzigjährige Vater zweier Töchter trachtet vergeblich nach Arbeit als Schweißer (ein Arbeitsloser unter fünf Millionen), und der dritte – wovon eigentlich bestreitet er seinen Lebensstil? – findet Zuflucht bei Selbsthilfegruppen und in der Psychiatrie der Charité (oh, dieser ewige Traum von Glückseligkeit). Und alle ernten sie im Leben, ob von Verwandten oder Zufallsbekannten, kaum mehr als Mitleid. Bleibt nur dieser Versuch einer Selbstverwirklichung im Tanz – oder ist es nur ein klägliches Betäuben der Sinne? Wie auch immer, ein Ausschnitt des Berliner Hier und Heute (und anderswo auch) ist es allemal. Walter Kaufmann
Die Namen der Nummern»Konkret wird Geschichte erst durch Namen und Orte«, so beginnt der 1951 geborene Historiker und Redakteur Hans-Joachim Lang eine wohl einmalige Spurensuche. Es ist ihm gelungen, 86 Opfer von Menschenversuchen im Konzentrationslager Natzweiler/Struthof zu identifizieren, die nur unter Nummern geführt worden waren. Schon das Inhaltsverzeichnis dieser Dokumentation verursacht nacktes Grausen. Im Kapitel »Das Mordprojekt« geht es um die Planung der gemeinsamen »Arbeit« des Straßburger Anatomie-Instituts mit dem »Ahnenerbe«, einer »Wissenschaftseinrichtung« im Reich. Der Chef des furchtbaren Unternehmens war der Anatomie-Professor Anton Hirt. 1898 in Mannheim geboren, war er im Ersten Weltkrieg durch einen Giftgasunfall schwer verwundet worden; die Chemiewaffenforschung wurde später sein liebste Beschäftigung. Er unternahm Kampfgasversuche an Ratten, und als in Deutschland die »Medizin ohne Menschlichkeit« (Mitscherlich) üblich wurde, verwandelte sich sein Forschungsdrang in kriminelle Energie. Zur Rechtfertigung der Menschenversuche diente das Argument: »Die Organe müssen leben.« Das reichlich vorhandene »Material« wurde in Auschwitz besorgt. Nach der Befreiung von Straßburg entdeckte man die schrecklichen Ergebnisse. Fassungslos berichtete ein Korrespondent an die in London erscheinende Daily Mail , daß man im Institutskeller 86 in Alkohol konservierte Menschenkörper gefunden habe: die Leichen offensichtlich gesunder Menschen zwischen 16 und 50 Jahren. Nun konnte die Aufklärungsarbeit beginnen, wobei auch die eintätowierten Häftlingsnummern aus Auschwitz – heimlich von einem der Mitarbeiter aufgeschrieben – weiterhalfen. Der Autor begann mit seinen mühseligen Recherchen in acht europäischen Ländern. Trotz größter Schwierigkeiten (Sperrzeiten und Datenschutz) konnte er innerhalb von fünf Jahren nach und nach den Opfern ihre Namen und ihre Identität zurückgeben. Man erfährt auch die Namen einiger Täter und vor allem auch die Biographie Anton Hirts. Der hatte noch eine Zeitlang in Tübingen und im Schwarzwald untertauchen können, ehe er sich im Juli 1945 erschoß. 1946 begannen die Prozesse gegen seine Mittäter. Typisch sind deren »Fluchten und Ausflüchte«, zumal der Akteure des »Ahnenerbes«, die geglaubt hatten, alle Unterlagen noch rechtzeitig vernichtet zu haben. Der ausführliche Anhang mit Fotos, furchtbaren Tabellen, Quellenangaben und Literaturverzeichnissen weist auf die gründliche Spurensuche hin. Am erschütterndsten sind die 86 Kurzbiographien. Für die überlebenden Angehörigen wird dieses Verbrechen immer präsent bleiben. Der Autor endet: »Sonntagsreden haben sie schon viele gehört, darum beschränke ich mich darauf, ihnen diese Arbeit zu widmen.« Man kann ihm und dem Verlag nicht genug danken. Ingeborg Hecht Hans-Joachim Lang: »Die Namen der Nummern. Wie es gelang, die 86 Opfer eines NS-Verbrechens zu identifizieren«, Hoffmann & Campe, 303 Seiten, 19.90 €
Eigentlich friedliebendNach jedem Krieg lassen sich die Lügen, mit denen er begonnen und geführt wurde, zumeist nicht auf Dauer aufrechterhalten – was aber Kriegstreiber aller Seiten nicht hindert, es beim nächsten Mal wieder zu probieren. Und leider gibt es immer wieder viele Menschen, die die staatsoffiziellen Lügen gläubig nachplappern. Die belgische Historikerin Anne Morelli hat kriegerische Auseinandersetzungen der letzten hundert Jahre – vom Ersten Weltkrieg bis zum letzten Irakkrieg – aufgearbeitet und der laut-starken Kriegspropaganda aller beteiligten Seiten die Ergebnisse historischer Untersuchungen gegenübergestellt. Wie nützlich waren doch die geplünderten Babybrutkästen in Kuwait, die Massengräber voll toter Albaner und die irakischen Chemiewaffen, um nur einige Beispiele aus jüngster Zeit zu nennen. Übrigens: Saddam Husseins Informationsminister Mohammad Said al-Sahaf, vom Westen seinerzeit wegen seiner wirklichkeitsfremden Bulletins als übelster Kriegspropagandist angeprangert, wurde nach seiner Festnahme nicht etwa aus den Medien verdrängt, sondern fand eine Anstellung als Kommentator beim Fernsehen. Warum sollte man auch auf die Dienste eines erprobten Spezialisten verzichten? Die Autorin benutzt die reichlich vorhandenen Beispiele von Kriegspropaganda, um sie zu systematisieren. Zu den Grundprinzipien, die sie herausarbeitet, gehören diese: Die feindliche Seite ist grundsätzlich böse, unmenschlich und kriegslüstern, die eigene Seite dagegen gut und menschlich, im Grunde genommen friedliebend, sie bringt Zivilisten – wenn überhaupt – nur versehentlich um, und selbstverständlich kämpft die eigene Seite für die Durchsetzung höherer ethischer Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit. Ebenso selbstverständlich hat der Krieg überhaupt nichts mit der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen zu tun... Angesichts der jüngsten Drohungen des US-Präsidenten sollten alle Friedensbewegten schnell dieses Buch lesen, um sich für die bevorstehende Schlacht um die Köpfe zu wappnen. Schon wurde planmäßig begonnen, den Menschen einzuprägen, der Iran besitze illegalerweise die Atombombe (die hingegen den USA und mehreren anderen Staaten einschließlich Israel anscheinend ganz selbstverständlich zustehen und immer noch weiterentwickelt werden). Eines der von Anne Morelli herausgearbeiteten Prinzipien der Kriegspropaganda lautet: »Der Feind benutzt unerlaubte Waffen.« Gerd Bedszent Anne Morelli: »Die Prinzipien der Kriegspropaganda«, zu Klampen Verlag, 156 Seiten, 14 Euro
Ein Buch mit BißEs geht um den Tod von Wolfgang Grams zwischen den Schienen von Bad Kleinen und dessen Aufklärung, nein: Verdunkelung durch die Behörden. Im Buch heißt er Oliver Zurek. Christoph Hein erfindet eine Familiengeschichte dazu: Vater Zurek war redlicher Schuldirektor, die Beschäftigung mit dem Tod des Sohnes zerstört sein Weltbild. Ein politisch brisanter Fall, eingebettet im Provinzalltag der alten Bundesrepublik, gibt den Stoff für ein Buch, das spröde und scheinbar kunstlos erzählt und doch in der Wahl von Personen und Vorgängen den Meister beweist. Am Ende hilft sich Vater Zurek selbst und kündigt öffentlich (vor 25 Schülern, mehr interessierten sich nicht für den Fall) die beeidete Beamtentreue. Damit wäre er in dieser Bundesrepublik einzigartig. Gute Bücher sollen beißen und dürfen träumen. Dieses Buch steht in der Tradition Emile Zolas, Heinrich Manns oder Heinrich Bölls. Damit widerspricht es freilich gängigen Literaturvorstellungen, wonach Dichtern kein Urteil über ihre Welt zusteht und sie bei Verstoß gegen dieses Verbot fürchten müssen, mit dem Verdikt »Gesinnungsästhetik« verdammt zu werden. Um so höher schätze ich Schriftsteller, die sich von tonangebenden Feuilletonisten nicht beirren lassen. Christoph Hein, auch schon in der DDR kritischer Chronist gesellschaftlicher Zustände, ist seiner Haltung treu geblieben. Die Reaktion vieler kläffender Kritiker beweist: Das Buch tut weh. Christel Berger Christoph Hein: »In seiner frühen Kindheit ein Garten«, Suhrkamp, 271 Seiten, 17.90 €.
Einstieg ins SchillerjahrWas Schiller in seinen letzten Lebensjahren in Weimar war, das wurde er in Jena. Die zehn in der Saalestadt verbrachten Jahre (1789-1799) waren die ergiebigsten auf seinem Weg zum literarischen Klassiker. Dieses Fazit steht für den Leser am Ende der soeben in der Reihe »dtv-portrait« erschienenen Schiller-Biographie von Kurt Wölfel. Für den Schwaben, der die Knochenmühle der Militärschule seines Landesherrn Carl Eugen durchlaufen mußte, war mit der Arbeit an seinem 1781 veröffentlichten Geniestreich »Die Räuber« klar, das er zum Dichter berufen war. Allen Widrigkeiten zum Trotz begann er diesen Traum zu leben. Das erste Jahr nach dem Weggang aus Carl Eugens Herrschaftsbereich war ein provisorisches Leben im Exil. Angekommen war Schiller erst, als er die Berufung zum Professor in Jena erhielt und kurz darauf, im Februar 1790, daselbst Charlotte von Lengefeld ehelichte. Das gewaltige Geschichtsdrama »Wallenstein« ist ein Produkt dieser Jahre, in denen der an mehreren Gebrechen leidende Schiller, so Wölfel, sich »in seinem Krankenleben« einrichtete. Im Jenaer Jahrzehnt lernte er Wilhelm von Humboldt persönlich kennen und Kant durch dessen Schriften, die den philosophischen Theoretiker und Ästhetiker nachhaltig prägen sollten. Auch zu Goethe fand er in Jena, das war 1794. Bei aller wissenschaftlichen Tiefgründigkeit sind Wölfels detaillierte Analysen der großen Dramen und wichtigen theoretischen Schriften Schillers auch für den Laien gut nachvollziehbar. Wer sich nicht entscheiden kann, zu Sigrid Damms langer literarischer Wanderung mit Schiller oder zu der von Rüdiger Safranski am Beispiel Schillers dargelegten »Erfindung des deutschen Idealismus« zu greifen, dem sei für den Anfang der Beschäftigung mit dem Dichter, von dem in diesem Jahr anläßlich seines 200. Todestag noch viel zu lesen und zu hören sein wird, Wölfels gelungenes biographisches Portrait empfohlen. Kai Agthe Kurt Wölfel: »Friedrich Schiller«, Deutscher Taschenbuch Verlag, 187 Seiten, 10 €
Bonmots en masseDen gescheiten Spötter Oscar Wilde (1854 – 1900) brachte der giftige Spott der Gesellschaft ins Grab. Wie konnte das dem 46jährigen passieren, der so selbstsicher von sich sagte: »Ich bin unzerstörbar!«? Was wie geschah, liest man in dem Buch von Pierre Imhof, der vorgibt, »Anekdoten über Oscar Wilde« gesammelt und aufgeschrieben zu haben. Aufgefischt hat er eine Menge Bonmots des exzellenten Schreibers. Es bestätigt sich: Wilde ist unverwüstlich. Mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tode ist er jünger und lebendiger, als es sein Dorian Gray je bleiben konnte. Bernd Heimberger Pierre Imhof: »Anekdoten über Oscar Wilde«, Eulenspiegel Verlag, 125 Seiten, 9.90 €
Press-KohlDen tragischen Tod einer sechsfachen Mutter meldete der Berliner Kurier mit einer bombastischen Schlagzeile: »Mutter von 6 Kindern erschossen «. Wie das? Mit einer Hinrichtungssalve? Hatte also jedes von ihnen eine Schußwaffe? Waren sie vielleicht zu Weihnachten alle gleich beschenkt worden? Sonst fällt mir nur die Erklärung ein, daß die Redakteure ihr Deutsch bei der Bild -Zeitung gelernt haben. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 4/2005 |
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