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Angela Merkel, Ministerpräsident Wulff, Bürgermeister Scherf, Wolfgang Schäuble werden Bibelarbeiten veranstalten. Bundespräsident Köhler wird zum Thema »Protestantismus« sprechen. Daß bei so vielen geistlichen Rundumschlägen Bundeskanzler Schröder das Thema »Globalisierung« nur mit rein weltlichen, neoliberalen Kategorien abhandeln wird, ist unwahrscheinlich; er wird ihm sicherlich etliche geistlich-christliche Tropfen beigeben. Die Veranstalter der Kirchentage verweisen gern auf deren lange Tradition, die mit einem Protestantentreffen 1949 in Hannover begann. Dieser erste Kirchentag sollte eine Fortsetzung der »Evangelischen Wochen« sein, die von 1935 bis 1937, ebenfalls in Hannover, stattgefunden hatten. Organisatoren damals waren die Theologen Hanns Lilje (ab 1947 Landesbischof in Hannover) und Eberhard Müller (1949 einflußreicher Direktor der Akademie Bad Boll) und der Nichttheologe (»Laie«) Reinold von Thadden-Trieglaff. Durch die christliche Studentenarbeit waren sie eng befreundet. Thadden-Trieglaff beschreibt im Rückblick (1954) die »Evangelischen Wochen« als »Kraftzentrum für die im Kampf mit der ns. Weltanschauung stehenden ev. Christen«. In Wirklichkeit erklärte Hanns Lilje zu Beginn der »Evangelischen Woche« im August 1935 in Hannover: »Wir alle sind Zeugen einer Volksbewegung geworden, die einem veralteten, kraftlos gewordenen, aus den Fugen geratenen politischen Denken die Kraft einer neuen politischen Lehre entgegengehalten hat. Und was für die politische Geschichte gilt, gilt für die Geschichte der Kirche nicht weniger...« So wie hier tat sich Lilje damals auch sonst als engagierter Verherrlicher der NS-Herrschaft und ihrer Kriege (»Der Krieg als geistige Leistung«) hervor. 1949 sollte es also unter Thadden-Trieglaffs Leitung mit diesen »Evangelischen Wochen« weitergehen; Orientierung im Chaos der Nachkriegszeit sollten sie geben. Der Hauptredner in Hannover, der Holländer Visser 't Hooft, gab dafür die Losung aus: »Europa darf nicht die Beute des Kommunismus werden.« Diese Parole enthielt zugleich die Forderung nach Remilitarisierung. Sie war damals allerdings in der evangelischen Kirche gegen die »Kirchlichen Bruderschaften« um Niemöller nur schwer durchzusetzen Deshalb wurde gegen die kirchlichen Wiederbewaffnungsgegner ein »Elitezirkel staatstragender evangelischer Christen« gegründet (1951), der es sich zur Aufgabe machte, Adenauers Aufrüstungspolitik in der evangelischen Kirche zur Mehrheit zu verhelfen. Dieser »Kronsberger Kreis« ist bis heute kaum bekannt, weil er weitgehend verdeckt, doch sehr erfolgreich arbeitete. Seine Initiatoren waren wieder die drei Freunde aus alten Zeiten: der Kriegstheologe Lilje, Müller und von Thadden. Nach heftigen innerkirchlichen Auseinandersetzungen um Wiederbewaffnung (1950 ff), Militärseelsorge (1957) und Atomrüstung (1958 ff) wurde schließlich eine Formel gefunden, über die die Militärtheologen sich freuen konnten. Sie lautete: »Friedensdienst mit und ohne Waffen«. Noch übertrumpft wurde sie durch die Aussagen des damaligen Startheologen Wolfhard Pannenberg, der zum »Gebrauch nuklearer Waffen« folgendes ausführte: »...Der Friede Gottes, der der Menschheit durch Jesus eröffnet ist, bleibt auch dann bestehen, wenn es uns nicht gelingen sollte, den Weltfrieden zu erhalten und zu sichern. Der Friede Gottes in Christus würde auch durch die Schrecken eines nuklearen Krieges nicht zur Farce; er würde vielmehr auch und gerade dann die letzte Hoffnung der Leidenden und der Sterbenden sein...« Das war 1967 die unwidersprochene Botschaft vom Kirchentag in Hannover. Er hatte unter der Losung gestanden: »Der Frieden ist unter uns«. Zur gleichen Zeit ließ der Präsident der USA Vietnam zerstören. In den folgenden Jahren wurde es unruhig auf den Kirchentagen wie in der bundesrepublikanischen Gesellschaft überhaupt. Es schien sogar, als würden die pazifistische Botschaft von der Feindesliebe und die Ächtung des Krieges unverrückbares Glaubenbekenntnis auch in der evangelischen Kirche. Die Parolen dazu – »Frieden schaffen ohne Waffen« und »ein Nein ohne jedes Ja« zur Atomrüstung – wurden auf Tausenden von lila Tüchern (Lila als Zeichen der Umkehr, der Abkehr vom Militärdenken) zum Mißfallen des hannoverschen Landesbischofs Lohse und des niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht durch Straßen und Messehallen getragen: Das geschah 1983 in Hannover. Doch dieses Bild täuschte. Die Kirchen und ihre Kirchentage veränderten sich danach genau so wie zur gleichen Zeit die Grünen: von einer pazifistischen Partei zu einer Kriegs-, ja: Angriffskriegspartei. Parallel dazu veröffentlichte die evangelische Kirche 1994 Orientierungspunkte für Friedensethik unter dem Titel »Schritte auf dem Weg des Friedens«, die sachgerechter hätten heißen müssen: »Wie wir wieder Krieg führen dürfen«. Nach dem Jugoslawienkrieg wurde das im Sommer 1999 auf dem Kirchentag in Stuttgart vorgeführt. Die Internet-Redaktion des Kirchentages schrieb damals: »Als Bundesverteidigungsminister Scharping... das Podium betrat, begrüßten ihn die rund 8000 Zuhörer mit langem und lautem Beifall.« Und von dem christdemokratischen Podiumsteilnehmer Friedbert Pflüger (der 2003 besonders hartnäckig das Vorhandensein von Massenvernichtungsmitteln im Irak behauptete), hieß es: »Er unterstützte Scharping. Er dankte ihm ›ganz herzlich für das, was Sie in den letzten Wochen für uns getan haben‹«. Inzwischen erreichten die Kriegstheologen noch mehr: Der Militärseelsorge-Vertrag wurde auch für die ostdeutschen Landeskirchen verbindlich, so daß die Gesamtkirche über ihre Militärseelsorge als ein Teil des Militärapparates anzusehen ist. Sie vertritt damit auch die Militärinteressen, wie sie in der künftigen EU-Verfassung festgeschrieben sind (beispielsweise daß Aufrüstung Verfassungspflicht ist) und ist mitverantwortlich für alles, was durch Kriegseinsätze angerichtet wird: Leid und Tod und Folter und Zerstörung. Jeder Kirchentag steht unter einer »Losung«, meist einem Bibelwort, das in den Arbeitsgruppen ausgelegt werden soll. Die Auslegekunst der Theologen besteht darin, diese aus den Zusammenhang gerissenen Worte für jede Lebenslage verwertbar zu machen, bisweilen auch so zu frisieren, daß das Gegenteil vom Wortsinn dabei herauskommt. Der Theologe Franz Overbeck (gest.1905) hat seine Zunftgenossen deshalb auch »Figaros« genannt. Die Losung des Kirchentages 2005 lautet: »Wenn dein Kind dich morgen fragt...« Es steht im 5. Buch Mose (Deuteronomium), Kapitel 6, Vers 20, ist dort aus dem Zusammenhang gerissen und sogar als Stummelwort nicht einmal richtig zitiert: Es fehlt ein »nun«, das ausdrücklich auf den Zusammenhang verweisen will. Aber den kennt die Findungsgruppe für die Kirchentagslosung wahrscheinlich nicht einmal selbst. Und das ist der Zusammenhang: »Wenn dich nun dein Kind morgen fragt: Was sind das für Vermahnungen, Gebote und Rechte, die der Herr, unser Gott, geboten hat zu tun? «, so soll der Frager an die Rechte erinnert werden, die dem »auserwählten (israelitischen) Volk« von seinem Gott zugesichert wurden: das Land fremder Völker zu nehmen mit den »großen und schönen Städten«, die es nicht selbst gebaut hat, desgleichen die »ausgehauenen Brunnen«, die »Weinberge und Ölbäume«, und dann die einheimische Bevölkerung zu vertreiben... Viele Szenen auch aus der Unheilsgeschichte des Christentums fallen einem dazu ein. Der Rocksänger Rudolf Kunze wurde beauftragt, zur Losung einen Kirchentags-Song zu schreiben. In Beisein von Ministerpräsident Wulff und Landesbischöfin Kaßmann durfte er ihn vorstellen. Seine Interpretation der Losung lautet: »Wenn dein Kind dich morgen fragt: Wozu sind wir auf der Welt?« Seine Antwort: »Was man ganz tief drinnen spürt, das kommt nicht von ungefähr...« Vers 2: »Wenn dein Kind dich morgen fragt...: Warum hast du dir vorgenommen, niemals Kinder zu bekommen? Glaubst du, daß du alles bist?... Mehr als jetzt und mehr als hier. Mehr als dies. Und mehr als wir.« Bischöfin Käßmann betonte bei der Vorstellung des Songs, »das Christentum sei nicht etwas Muffiges von gestern, sondern etwas Lebendiges«. Richtiger wäre wohl zu sagen: Der Text ist eine Ausladung für alle, die sich auch nur ein wenig kritisches Denken bewahrt haben.
Erschienen in Ossietzky 4/2005 |
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