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Da wir heute über ein Dutzend Jahre nach Barings Weissagung in seinem Buch »Deutschland, was nun« (1992) noch nicht Wroclaw gegen Moskau verteidigen dürfen, verwandelte sich der Prophet, radikal wie er ist, in den mittelständischen Revoluzzer. »Bürger auf die Barrikaden!« forderte er am 14.11.02 in der notorisch revolutionären FAZ : »Die Situation ist reif für den Aufstand... Ein massenhafter Steuerboykott, passiver und aktiver Widerstand, empörte Revolten... Alle Deutschen sollten unsere Leipziger Landsleute als Vorbilder entdecken, sich ihre Parole des Herbstes vor dreizehn Jahren zu eigen machen: Wir sind das Volk!« Professor Baring also ist das Volk, Gerhard Schröder gleich Honecker und die FAZ die Rote Fahne des verarmten Mittelstandes, der 300 Milliarden Euro steuerflüchtig ins Ausland zu verschieben gezwungen war, weshalb die verproletarisierten und ausgepowerten Millionäre und Milliardäre nun dem neuen schwarzen Barrikaden-Tauber auf die Straße folgen sollten. In seiner Begeisterung für die Leipziger Demos vergaß er allerdings seine luftigen Weisheiten von 1991, aus denen hervorgeht, daß »die Menschen im Osten verzwergt, ihre Erziehung, ihre Ausbildung verhunzt« wurden. »Ob sich heute einer dort Jurist nennt oder Ökonom, Pädagoge, Psychologe, Soziologe, selbst Arzt oder Ingenieur, das ist völlig egal: Sein Wissen ist auf weite Strecken völlig unbrauchbar... Sie haben einfach nichts gelernt...« Und unserem Revoluzzerprofessor antwortete sein Gesprächspartner Wolf Jobst Siedler, indem er einen Jugendfreund mit dem schönen Urteil zitierte: »... aus den Menschen dort sind weithin deutsch sprechende Polen geworden«. Baring endlich ein paar Seiten weiter über die DDR: »... eine Wüste«. Zwölf Jahre später sollen diese Wüstenbewohner das revolutionäre Vorbild für den westdeutschen Mittelstandsaufstand abgeben, was, wir gestehen es ungescheut ein, in die FAZ paßt wie die Granate ins Kanonenrohr: In diesem Blatt streichelte Joachim Fest einst des Führers Albert Speer zum Widerständler auf, besang Günther Gillessen den verurteilten Kriegsverbrecher Erich von Manstein als »fähigsten deutschen General« und Meister des »Sichelschnitts«, leider habe »der Zeitgeist, zumal in Deutschland, eine Art Verbot erlassen, sich anerkennend über militärische Leistungen zu äußern...« ( FAZ 21.11.87), und erklärte Ernst Nolte: »Die Rede von der ›Schuld der Deutschen‹ übersieht allzu geflissentlich die Ähnlichkeiten von der ›Schuld der Juden‹, die ein Hauptargument der Nationalsozialisten war.« ( FAZ 6.6.86) Womit wir wieder bei Baring und Roland Koch angelangt sind. Letzterer sah unsere Milliardäre wie Juden verfolgt, ersterer forderte, der Deutsche müsse »auch zu sterben bereit sein«, was als »stille ruhige Entschlossenheit die letzte Probe auf die Ernsthaftigkeit unserer eigenen Überzeugung ist« und uns höflich anfragen läßt, weshalb der todesmutige Professor bisher die letzte Probe auf seine Überzeugung schuldig blieb. Oder Aufrührer Baring beabsichtigt, demnächst zusammen mit der FAZ -Mannschaft auf den Barrikaden des Mittelstandes im Kugelhagel zu verbluten. Fragt sich, was er mit seiner alarmistischen Kriegs-trompete wirklich anstrebt. Laut Spiegel 3/1993 riet er damals schon als Gastredner auf der Klausur der Bonner CSU-Landesgruppe in Wildbad Kreuth unumwunden zu »einem deutlichen Schwenk nach rechts... Die Christsozialen sollten entschlossener als bisher die – auch nationalistischen – Positionen der Republikaner übernehmen...« Tatsächlich wurde Barings Eselei für einige Wochen zum Pressethema. In der FAZ äußerten sich allerlei Koryphäen mal pro, mal contra, als wäre der vom Berliner Professor erregte Sturm im Wasserglas mindestens gleichzusetzen mit der Erstürmung der Bastille. Bei Lichte betrachtet begann also das neue Zeitalter an jenem 19. November 2002, als unser tüchtiger Professor in der FAZ freiweg »Bürger, auf die Barrikaden!« forderte. Und ironisch fortfuhr: »Nicht von ungefähr wird Schröder in diesen Tagen immer wieder mit Brüning verglichen.« Wenn es mit dessen Notverordnungen ohne Parlament nicht gehe, dann eben mit dem Volk. Wie wir inzwischen wissen, zündete der revolutionäre Funke, indem der von Baring aufgeforderte Bundeskanzler seine Agenda 2010 entwarf. Das Volk ging hurtig auf die Barrikaden und übte die Baringschen Programmpunkte ein: »massenhafter Steuerboykott, passiver und aktiver Widerstand, empörte Revolten...« – ganz wie unser kämpferischer Akademiker es sich gewünscht hatte. Na ja, mehr als ein paar neue Montagsdemonstrationen wurden nicht daraus, und das war den Politikern auch wieder nicht recht. Um den Revolutionsprofessor aber ist es seit einiger Zeit stiller geworden, man wird ihn doch nicht etwa wegen Haßpredigten und Aufruf zum Terrorismus verhaftet haben – weil Innenminister Schily mehr und mehr in die Rolle eines zeitgemäßen Noske hineinwächst? Schily als Noske und Baring auf den Barrikaden verkörpern den kohlschwarzen Humor des 21. Jahrhunderts. Wir werden noch Großes mit diesen Hauptdarstellern erleben, denn der zum zweiten Mal gekürte US-Kriegspräsident Bush samt seinen europäischen Ablegern prägt eine Welt cäsarisch regierender Fundis. Diese Marschrichtung sah ich schon am 20. September 1991 beim Bayerischen Fernsehen in einer von Brigitte Seebacher-Brandt moderierten Talkshow voraus, unter den Gästen waren Rupert Scholz und Arnulf Baring, Thema: »Nation ohne Selbstbewußtsein? Die (neue) Rolle Deutschlands in der Welt«. GZ zu Baring: Sie sollten ehrlich bekennen, daß Sie so etwas sind, was man in Amerika die neue Rechte nennt, die neue intellektuelle Rechte. Sie wollen natürlich nicht zurück zum Nationalismus, aber Sie wollen, daß dieses Deutschland unter Begriffen wie Selbstbewußtsein die Muskeln spielen läßt... Baring: Herr Zwerenz, Sie sind leider ein Flegel, Sie sind ein ungezogener – GZ: Ja, das muß ich auch sein, weil ich hier eine Mehrheit gegen mich habe, und Sie breiten dann Ihre Ideologie noch anderthalb Stunden aus. Dies ist das Programm der neuen Rechten, und Sie haben Schiß, sich dazu zu bekennen, im Gegensatz zu Ihren amerikanischen Professoren-Kollegen, die sagen, ja, wir haben bestimmte Dinge neu durchdenken müssen, wir haben uns eben zu bestimmten Folgerungen zu bekennen. Also wie – wollen Sie die Bundeswehr nun hinschicken? Baring: Nein! GZ: Ja, was wollen Sie dann, wenn Sie sagen, wir müssen selbstbewußt eingreifen, was wollen Sie mit Jugoslawien machen? Baring: Habe ich ja gar nicht gesagt. Wenn Sie nicht zuhören und die Leute diskreditieren, sind sie als Gesprächspartner in einer freien Demokratie ein sehr problematischer Fall – GZ: Also weg – weg – Berufsverbot? Das können Sie mit mir nicht machen, ich bin Rentner, da ziehen Verbote noch nicht. Das Streitgespräch von 1991 kündigt für die Berliner Republik an, was die Neokonservativen und religiösen Fanatiker in den USA inzwischen realisieren. So etwas steht uns zwischen Rhein und Oder für den Rest des Jahrhunderts bevor, ein Leben im großen Schlagschatten Hitlers, aus dem seine zivilen Nachfolgegespenster rekrutiert werden, die Eiserne Garde bürgerlich vermummter Konterrevolutionäre, die sich überall dort breit machen, wo die Linken und Liberalen mangels Elan versumpfen und versiffen und sich scheuen, dem Haßgesang der kriegerischen Obrigkeiten wenigstens zu widersprechen. Laut Marx sollte dem Proletariat die Zukunft gehören. Seit 1919 droht sie den Noskes anheimzufallen. Am 13. Februar durfte der Barrikaden-Fan Baring sich im ARD-Presseklub zum Modethema Neonazismus äußern. Er sprach so auffällig moderat, daß wir uns nicht wunderten, entdeckten die nächsten Urlauber auf Rügen das Fehlen eines riesigen Kreidefelsens.
Erschienen in Ossietzky 4/2005 |
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