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Jetzt ist es völlig klar: Das Tribunal hat einen Mißerfolg erlitten... Das Verfahren gegen Slobodan Milosevic wird ohne Aussicht auf ein baldiges Ende fortgesetzt... Frau del Ponte ist gelungen, was vorher niemandem gelang: zeitweilig die besorgten Menschen des ehemaligen Jugoslawiens zu einen und gegen sich aufzubringen. Washington hat das Recht, ihre Entfernung von der Bühne zu verlangen...« Man könnte versucht sein, den Autor dieser Sätze im Umfeld linksliberaler Kritiker des Haager Tribunals oder gar in Kreisen des Internationalen Komitees zur Verteidigung von Slobodan Milosevic zu suchen. Weit gefehlt! Sie stammen aus der Feder von Jeffrey Kuhner, einem der führenden Ideologen der Republikanischen Partei der USA, der sie unter Berufung auf ein Gespräch mit dem stellvertretenden Außenminister seines Landes John Bolton niederschrieb. Veröffentlicht wurden sie Ende Oktober 2004 von der Washington Times . Unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung brach am Churchillplatz Nr. 1 in Den Haag, Sitz des sogenannten Jugoslawien-Gerichtshofes, große Unruhe, fast schon Panik aus. Der Präsident des Tribunals, der US-Amerikaner Theodor Meron, setzte sich umgehend mit Washington in Verbindung, um die für ihn Zuständigen in der Administration um Aufklärung zu bitten. Am darauffolgenden Tag konnte das Tribunal eine Erklärung herausgeben, in der mit Erleichterung festgestellt wurde, daß sich die Haltung der USA gegenüber dem Tribunal nicht verändert habe. Dem Gerichtspräsidenten sei garantiert worden, »daß die Regierung der USA fortfahren wird, das Tribunal in jeder Weise finanziell, politisch und diplomatisch zu unterstützen«. In Den Haag atmete man auf – nicht allein deshalb, weil bis auf weiteres mehr als 1000 Arbeitsplätze gesichert bleiben (180 000 Dollar jährlich, selbstredend steuerfrei, verdient allein Präsident Meron, etwa so viel wie der Generalsekretär der Vereinten Nationen), sondern auch, weil das Gericht nun weiterhin der Welt zeigen kann, was die USA und die NATO unter Gerechtigkeit verstehen. Trotzdem blieb eine dunkle Wolke über dem Gerichtshof. Der Vorfall zeigte, daß die US-Administration mit dem Gang der Dinge in Den Haag unzufrieden ist, vor allem mit dem bisherigen Verlauf des »Prozesses der Prozesse«, wie ein Sprecher des Gerichtes das Verfahren gegen Milosevic zum Prozeßauftakt im Überschwang der Vorfreude auf den erwarteten leichten Sieg über den »Belgrader Unhold« genannt hatte. In der Tat, Meron, del Ponte und ihre Auftraggeber haben allen Grund zur Sorge. Schon unmittelbar nach Prozeßbeginn, nach der Eingangserklärung des jugoslawischen Ex-Präsidenten, war die Anklage, mit der Milosevic in 66 Punkten der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwerer Kriegsverbrechen beschuldigt wird, zusammengebrochen. Auch die 300 Zeugen, die die Chefanklägerin aufmarschieren ließ, konnten nicht verhindern, daß Milosevic vom Angeklagten zum Ankläger wurde. Eben deshalb versuchten im vergangenen Jahr Richter und Staatsanwalt in schöner Eintracht, dem Angeklagten das fundamentale Recht auf Selbstverteidigung zu entziehen (s. Ossietzky 19/2004). Als der, unterstützt von mehr als 100 renommierten Juristen aus aller Welt, sich energisch zur Wehr setzte, machte das Gericht einen Rückzieher, allerdings mit der kurios-hinterhältigen Einschränkung, daß im Falle einer Erkrankung des Ex-Präsidenten ein Zwangsverteidiger an seine Stelle treten soll und der Prozeß dann auch in Abwesenheit des Angeklagten fortgesetzt würde. Zutreffend kommentierte in Belgrad die auflagenstärkste serbische Tageszeitung, Vecernje Novosti , daß »Milosevic zu Gesundheit verurteilt« wurde. Nachdem der so »Verurteilte« nun seit Mitte November 2004 die Zeugen der Verteidigung selbst aufrufen darf und der Prozeß damit in eine neue Phase eingetreten ist, gerät das Tribunal noch tiefer in die Bredouille. Abzulesen ist das allein schon an dem Platz, den die Medien der NATO-Staaten dem Verfahren einräumen. Als der Prozeß vor nunmehr drei Jahren, am 12. Februar 2002, begann, war im Gericht und in seiner Umgebung die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen. Neben der Polizei hatten zahllose Fernsehübertragungswagen einen dichten Wall um das Gebäude gelegt. 1200 Medienvertreter aus aller Welt fanden sich zum ersten Gerichtstermin ein, nur einige Dutzend auserwählte konnten im Tribunalsaal Platz nehmen, die übrigen verfolgten den Prozeßauftakt in Nebenräumen. An den folgenden zwei Tagen, an denen die Anklageschrift verlesen wurde, bestimmte der Prozeß die Schlagzeilen auf den Titelseiten der Medien. Als aber der Angeklagte erstmals ausführlich zu Wort kam, rückten die knapper gewordenen Berichte auf die Innenseiten. Danach wurden die Meldungen immer spärlicher, und jetzt, da die Entlastungszeugen auftreten, ist der beabsichtigte Schau- endgültig zum Geheimprozeß geworden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, zum Beispiel der jungen Welt und dem Freitag , wird der Prozeß in Deutschland totgeschwiegen. Dabei gäbe es genügend Stoff, teilweise geradezu sensationellen. Oder war der Auftritt des ehemaligen Ministerpräsidenten der UdSSR und heutigen Senators der Staatsduma, Nikolaj Ryshkow, vor dem Tribunal etwa keine Nachricht wert? Immerhin wies er nach, daß in den Reihen der kosovo-albanischen UCK, zu deren Kriegsalliiertem sich die NATO machte, 800 bis 1000 ausländische Söldner waren, die unter anderem aus dem Nahen Osten finanziert wurden und deren Waffen vor allem aus Deutschland kamen. Ryshkow konstatierte, daß »in Kosovo der Terrorismus die Funktion hatte, geopolitische Aufgaben zu erfüllen«. Und war das Erscheinen des Ex-Chefs des KGB und späteren russischen Außenministers und Ministerpräsidenten, Jewgeni Primakow, im Gerichtssaal tatsächlich so unbedeutend, daß es nicht einmal eine Kurzmeldung verdiente? Anhand zahlreicher Fakten und Dokumente bezeichnete der kompetente Zeuge es als das Ziel der Einmischungs- und Kriegspolitik der NATO gegenüber Jugoslawien, »den letzten Überrest des Kommunismus in Europa, der vom Angeklagten verkörpert wurde, zu beseitigen«. Diese und viele andere aufschlußreiche Aussagen werden dem Zuschauer der ARD - und ZDF -Nachrichtensendungen, den Hörern des Deutschlandfunks und der anderen öffentlich-rechtlichen Sender wie auch den Lesern angeblich unabhängiger Tageszeitungen vorenthalten. Statt korrekter Information – Sendepause und Nachrichtensperre. So zeigt der Milosevic-Prozeß, in dem Juristen der Aggressorstaaten über den Präsidenten des überfallenen Staates zu Gericht sitzen, nicht nur, wie es um Recht und Gerechtigkeit in der von den USA dominierten Welt, sondern auch um die Presse- und Informationsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland bestellt ist. Ein Schelm, wer da von Manipulation der öffentlichen Meinung spricht. Wenn die deutschen Medien schon nicht über die russischen Entlastungszeugen Milosevics berichteten, hätten sie dann nicht wenigstens über die aufsehenerregenden Einschätzungen des eingangs erwähnten US-Amerikaners informieren können? Schließlich hatte die Bundesrepublik Deutschland, namentlich ihr damaliger Außenministers Kinkel, an der Erschaffung des »Frankenstein-Monsters« wesentlichen Anteil…
Erschienen in Ossietzky 4/2005 |
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