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Zugleich hatte der Bankchef siegesgewiß angekündigt, er werde die »Restrukturierungsphase« zügig fortsetzen und noch einmal 6400 Stellen »abbauen«, um die im internationalen Bankgeschäft angeblich übliche Marge von alljährlich 25 Prozent Gewinn auf das Anlagekapital zu erreichen. Aktuell beträgt der Börsenwert des Unternehmens 37 Milliarden Euro, das Ziel wäre demnach 2005 und 2006 ein Gewinn von jeweils gut neun Milliarden Euro, also in diesem Jahr noch einmal eine Verdoppelung. Ackermann ist Schweizer und hat immer noch Schwierigkeiten, den richtigen Ton in der deutschen Leitkultur zu treffen. Er kann nicht verstehen, daß dieses Land zwar alles daran setzt, in der ersten Liga auf dem kapitalistischen Weltmarkt mitzuspielen, und sogar Siegprämien als Exportweltmeister einheimst, aber über die realkapitalistischen Methoden, mit denen deutsche Firmen auf diesem Spielfeld besonders erfolgreich sind, Stillschweigen wünscht. Deutschland will sich den Glauben bewahren, seine Politiker und seine Wirtschaftsführer seien immer nur um das Wohl all derer bemüht, die fleißig arbeiten oder nach nichts als Arbeit – egal zu welchem Lohn – verlangen. Dem Gastarbeiter aus der Schweiz – gern auch als »Schweizer Armeeoberst der Reserve« mit Ausbildung bei »New Yorker Börsianern« charakterisiert – fehlt einfach der Stallgeruch. Wenn er im Gerichtssaal vor den Kameras das Victory-Zeichen macht, weil er weiß, daß Mannesmann-Manager Esser beim Deal mit Vodaphone den Anlegern über 100 Milliarden DM »neue Werte geschaffen« und deshalb seine 60 Millionen DM Abfindung redlich verdient hat (auch wenn dafür 10 000 Arbeitsplätze geopfert werden mußten, Bauernopfer eben), dann findet die deutsche Presse das »unerträglich arrogant« gegenüber dem Hohen Gericht, obwohl Ackermann nur richtig voraussagte, daß eben dieses Gericht den cleveren Esser freisprechen würde. Im jetzigen Wirbel um Ackermann mußte selbst die ihn ansonsten bewundernde FAZ ein wenig mahnen, er habe »den politischen Sprengstoff« gleichzeitiger Meldungen über Gewinnexplosion und weitere Entlassungen wohl nicht richtig eingeschätzt. Denn von Wirtschaftsminister Clement, der gern von seiner eigenen verheerenden Arbeitsmarktpolitik ablenken möchte, über CDU/CSU-Politiker, die wieder einmal mangelnden Patriotismus bei einigen Managern beklagen, bis hin zu den Gewerkschaftsspitzen von DGB und IG-Metall, die einen neuen »Runden Tisch« und eine »Debatte über Moral und Ethik« forderten, waren sich alle über Ackermanns moralische Verkommenheit einig. Auch die um ihre Wiederwahl kämpfende Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, Heide Simonis, ließ die Gelegenheit nicht verstreichen, sich als Kämpferin für die Interessen der Arbeitnehmer zu profilieren: »Der Zynismus eines Herrn Ackermann, der mit Menschen umgeht, als wären sie Schachfiguren, hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun.« Was sie und ihre Amtskollegen in den anderen Bundesländern seit Jahren im Öffentlichen Dienst angerichtet haben und weiter anrichten (pro Jahr bauen sie um die hunderttausend Stellen ab), braucht da nicht weiter thematisiert zu werden. Immerhin fragt der Interviewer von der FR, ob man denn die gestiegenen Gewinne nicht effektiver besteuern könne. Frau Simonis kontert: »Da stellt sich zunächst nicht die Frage der Besteuerung, sondern der Wirtschaftsethik und der Moral.« Wenn Politiker, die das Gemeinwohl und die sozialen Menschenrechte gegen die Gesetze von Markt und Kapitalrendite durchsetzen sollen, den Konzernmanagern Moral und Ethik abfordern, erklären sie ihren eigenen Bankrott. Frau Simonis schweigt darüber, daß die rot-grüne Regierung den Unternehmen allein durch massive Senkung der Kapitalsteuern von 2001 bis 2003 mindestens 100 Milliarden Euro erlassen hat und daß auch die Gewinne der Deutschen Bank durch Steuerbefreiungen auf Verkaufsgewinne derart anwachsen konnten. Die neoliberalen Heilslehrer verkünden jahraus, jahrein, daß erst ein von allen Steuern und Sozialabgaben befreites Kapital die Wirtschaftstätigkeit zum Blühen bringen und am Ende auch Arbeitsplätze »schaffen« werde – nach dem bekannten Motto, man müsse im Kapitalismus die Pferde nur kräftig füttern, dann könnten sich schließlich auch die Spatzen an den Pferdeäpfeln nähren. Daß die von den Regierenden gehorsam mitaufgepeppelten Pferde der Großkonzerne inzwischen eher an Überfütterung leiden und immer mehr stinkenden Mist von sich geben, soll nicht ruchbar werden. Der neue BDI-Chef Jürgen Thumann will nun das Image der Industriellen mit etwas sozialem Duft parfümieren. Auch er geht auf Distanz zu Ackermann: »Wir können als Unternehmer nicht immer nur über maximale Eigenkapitalverzinsung reden und uns am Ende noch mit Extraboni belohnen lassen, wenn wir möglichst viele Menschen entlassen« (Taz, 7. 2. 05). Gewiß, Herr Thumann, »nicht immer nur«, aber »immer öfter«. Die 30 Dax-Unternehmen haben 2004 mit 60 Milliarden Euro insgesamt den höchsten Gewinn seit der deutschen Vereinigung eingefahren – zu einem großen Teil dadurch, daß sie ihre Lohnkosten durch Stellenstreichung und Arbeitszeitverlängerung radikal reduzierten. Thumanns einschmeichelndes Gerede kommt an. Der regierungsnahen FR erscheint es »fast« so, »als verkörperten Ackermann und Thumann die Gegensätze in der deutschen Wirtschaft: Hier der bodenständige Eigentümer-Unternehmer, der Verantwortung spürt gegenüber Heimat und den Leuten in seinen Fabriken. Dort der kalte Manager, der sich nur den Kapitalmärkten verpflichtet fühlt.« Da erleben wir die Wiederkehr der Nazi-Ideologie vom guten »Schaffenden Kapital« in den Händen echt deutscher Betriebsführer und vom verteufelten »Raffenden Kapital«, dessen Fäden das »internationale Finanz-Judentum« zieht, um die braven, arbeitsamen Völker zu erdrosseln. Ackermann scheint zum Ersatz-Juden zu werden. Es spielt keine Rolle mehr, daß zuvor oder zugleich mit der Deutschen Bank die Großkonzerne Siemens unter Heinrich von Pierer, DaimlerChrysler unter Jürgen Schrempp oder VW unter Pischetsrieder/Hartz – lauter guten deutschen Betriebsführern – durch Lohndumping ihre Gewinne um 50 Prozent maximieren konnten. Letzteren halten die Medien zugute, daß sie »unter dem Druck der internationalen Finanzmärkte« wohl so handeln mußten. Ackermann als Ausländer, unterschwellig als Agent der Wallstreet dargestellt, bekommt nicht so schnell eine solche Absolution. In ihren Zentralorganen versuchen die Bosse und Banker den braunen Populismus etwas zu dämpfen und für sich zu instrumentalisieren. Die FAZ beschwört die Volksgemeinschaft aller Kleinkapitalisten: Zwar fordere jetzt der internationale Kapitalmarkt seinen Preis, aber hinter der »Chiffre Kapitalmarkt« stehe »nicht Ackermann und auch nicht seine gewinnbeteiligten Investmentbanker«. Vielmehr seien das »ungezählte Arbeiter, Angestellte und Rentner oder Freiberufler«. Die wollten doch alle höhere Rendite und höhere Zinsen auf ihre Ersparnisse und Fondsanteile! Die Welt patriiert den Schweizer (ähnlich wie Brasilianer oder Kameruner Deutsche werden dürfen, wenn sie den Fußball ins Tor zu treten verstehen): »Deutschland sollte Vorstandschef Josef Ackermann dankbar sein.« Zwar habe die Deutsche Bank unter seiner Führung 30 000 Jobs gestrichen, doch jetzt sei die Bank wieder profitabel, und die verbliebenen 60 000 Stellen seien damit sicherer. Leider reiche das aber noch nicht aus; die Bank drohe von ausländischen Geldhäusern aufgekauft zu werden. Deshalb müsse sie selber ganz schnell andere Banken, möglichst hier im Inland, übernehmen, damit ihr Börsenwert steige und sie selber auch global wachsen könne. Das werde zwar noch einmal den »Abbau von Zehntausenden von Arbeitsplätzen« kosten, aber nur so könne sie »wieder in die globale Spitzenliga aufsteigen«. So wird Ackermann zuguterletzt zum wackeren Kämpfer für deutsche Weltmarktgeltung und einen Imperialismus, dem an der Heimatfront noch viele Opfer freudig gebracht werden sollen.
Erschienen in Ossietzky 4/2005 |
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