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Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa, ein lange vermißtes Werk verfügbar geworden ist: Görings Atlas, aus der Berliner Staatsbibliothek, für den einmaligen Anschaffungspreis von nur 178 zuzüglich Versandkosten. Freilich handelt es sich nicht um das Original oder wenigstens um dessen Reprint, sondern um die Wiedergabe auf der Basis der (US-)amerikanischen Ausgabe von 1946. Man kann das unschwer daran erkennen, daß mit der Bearbeitung die Karten neu gezeichnet wurden und nicht nur die Legenden, sondern alle Bezeichnungen in Englisch/Amerikanisch wiedergegeben sind. Offenbar gehört es ebenfalls zur Bearbeitung, daß der Titel auf dem Einband wie bereits in der US-Ausgabe »Göring's Atlas« lautet. Man darf wohl annehmen, daß das Ursprungsstück diese im Deutschen unübliche, erst durch eine Einzelhandelskette zu Allgemeingut gemachte apostrophierende Schreibweise noch nicht enthielt. Interessant ist die im Werbeblatt in Variationen wiedergegebene Mitteilung, daß die USA den Atlas zum »Top Secret« erklärten und daß sich mit seiner Hilfe »Amerikas Europastrategie 1946 dramatisch änderte«. Das bezieht sich sicherlich besonders auf die Lagerstätten und Produktionszentren in der UdSSR, die sich schon die Nazis gern angeeignet hätten. Soweit der »wissenschaftliche Gehalt« dieser Edition. Dazu gehören aber auch viele Fotos des verblichenen Reichsmarschalls bei vielen Gelegenheiten, gekleidet in viele Uniformen. Man darf Zweifel daran haben, daß die Herausgabe dieses Werkes wirklich »eine Herausforderung an die wissenschaftliche Aufarbeitung« bedeutet. Dafür würde sicherlich das originale Exemplar in der Staatsbibliothek ausreichen, es bedürfte wohl kaum der Verbreitung in jeden deutschen Haushalt. Übrigens: Auffällig ist der rote Stempel(?)abdruck in Frakturlettern, der den Schluß zuläßt, daß er nicht von Görings Original stammt: Die erste Silbe des Wortes Reichssache endet entgegen den im Dritten Reich allgemein verbindlichen Dudenregeln mit einem »Lang-S« anstelle des »Rund-S«. Aber das mag Interessenten an NS-Vergangenheit nicht unbedingt irritieren, wenn es für sie doch Glück und Stolz bedeutet, künftig dieses, wie der Verlag bestätigt, wiederentdeckte sensationelle Kartenmaterial zusammen mit den Fotos stets in ihrer Nähe zu haben. Und so wird es auch nicht verwundern, daß derselbe Verlag in der Lage ist, ein weiteres Kleinod deutscher Geschichte anzubieten: »Das goldene Buch des deutschen Volkes« als Reprint von 1899. Gleichfalls in schmuckvollem Einband, prachtvoll und künstlerisch wertvoll. Nur 999 Exemplare werden im Angebot sein, sie können für jeweils nur 198 erworben werden; vorsorglich weist der Verlag darauf hin, daß sich der Preis später auf 248 erhöhen wird. Wilhelm II. steht neben 999 »führenden Köpfen« des Reiches im Mittelpunkt der Bildauswahl. Jeder dieser Köpfe gewährt »aufschlußreiche und erhellende Einsichten in die Vorstellungswelt und das Lebensgefühl der deutschen Eliten um 1900«. Auch dieses Werk ist also wie kaum ein anderes geeignet für die wissenschaftliche Arbeit, nach der so viele sich sehnen. Man ist versucht, dem Archiv-Verlag ergänzende Vorschläge zu unterbreiten: Im Jahre 1899 kam es während eines Streiks der Bergleute in Herne durch herbeizitierte Truppen zu einem Gemetzel und ein Jahr später zum Eingreifen des Reiches beim Boxeraufstand in China. Ein Bildband über dessen erfolgreiche Niederschlagung, am besten mit einem Geleitwort unter Zugrundelegung der »Hunnenrede« des Kaisers, wäre eine angemessene Ergänzung. Neugierig kann jeder sein auf die Angebote, die der Verlag in den kommenden Monaten versenden wird. Sie werden sicherlich große Ähnlichkeit mit den bisherigen haben. Der gleichfalls angebotene »Heimatatlas von Schlesien«; ein Nachdruck des 1913 erschienenen Originals, enthält ein Geleitwort des Ehrenvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, Herbert Hupka. Daran ist der Weg zu erkennen, den man am Verlagssitz in Braunschweig wohl auch künftig zu gehen gewillt ist. Da fällt einem ein, was man erst kürzlich in einem Buch gelesen hat, das allerdings nicht in diesem Verlag erschienen ist: » Es gibt eine Unzahl von wissenschaftlichen Werken, die entweder überflüssig oder unlesbar sind. Sie wirken auf den ersten Blick zwar harmlos, aber in Wirklichkeit sind sie von einer Gefährlichkeit, die noch gänzlich unerforscht ist.« (Dietrich Schwanitz: »Bildung. Alles was man wissen muß«, Frankfurt/M. 1999)
Erschienen in Ossietzky 3/2005 |
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