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Viele der Künstler wurden bekannt, manche sind vergessen. Das Ernst-Barlach-Haus in Hamburg zeigt eine Ausstellung (Katalog »Kunst ohne Grenzen«, 80 Seiten, 16,80 ), die sich mehr den Vergessenen widmet. Alfred Hoh, ein Sammler aus Fürth, trug Bilder und Plastiken zusammen. Er stellte Zusammenhänge wieder her, die damals bestanden. Das früheste Bild der Ausstellung ist »Der Garten«, Karl Schmidt-Rottluff malte es 1906 auf der Ostseeinsel Alsen. Der »Rhythmus, das Rauschen der Farben«, beschäftigte ihn schon sehr früh, diese Bewegung, die hier auch ein Blumenbild durchweht – ähnlich wie das »Blumen«-Gemälde von Natalia Gontscharowa (1912), das in allen nur denkbaren Rottönen explodiert. Selbst in den Skulpturen ist der Sturm zu spüren, die Büste Herwarth Waldens von William Wauer (1917) ist ein Beispiel. Oder die Bronze »Entfliehen« von Oswald Herzog (1920): der Mensch, reduziert auf extrem angespannte Beine und Arme oder gar Flügel, die, vom Wind zusammengedrückt, einen spitzen Winkel bilden. Viele Künstler haben sich mit Musik und Tanz beschäftigt, sogar selbst getanzt wie Thomas Ring. Sein »Roter Gong/Rote Stimme« (1920) ist Klang auf Leinwand gebannt. Jules Schmalzigaug, der in Italien den Futurismus kennenlernte, nannte sein lichtdurchflutetes riesiges Bild von 1913 »Das Dynamische des Tanzes«. Georg Muche, der zusammen mit Max Ernst und auch mit Paul Klee ausstellte und mit Walter Mehring befreundet war (die Nazis nannten ihn »entartet«), ist mit einem Werk von 1916 vertreten. Er nennt es nur »Bild«. Ein Wind, der über ein abstraktes Gemälde fegt und es verwischt. Oder wie durch einen Tränenschleier gesehen. Zwei dicke Tropfen, rot und schwarz, bleiben erhalten, ein spitzes Weiß bohrt sich hinein. Wer kennt noch den Maler Oskar Fischer, 1892 in Karlsruhe geboren? Er nahm an vielen Ausstellungen des »Sturm« und der »Novembergruppe« teil. Er war KPD-Mitglied, arbeitete für die Rote Fahne und für die satirische Zeitschrift Roter Pfeffer . 1943 wurde er verhaftet und bis 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden inhaftiert. Er starb 1955 in Berlin-Köpenick. In der Ausstellung hängt sein Bild »Der liebe Scherenschleifer« (1918). Ein schwarzes Strichmännchen bei der Arbeit, vor leuchtenden Farbfetzen, wie durchwirbelt, die Ordnung gestört. Scherenschleifer: die Nicht-Seßhaften, Zigeuner, fahrendes Volk. 1918 war Fischer gerade aus dem Krieg heimgekehrt, den er drei Jahre hatte erleiden müssen. In den Krieg gezwungen war – auf französischer Seite – auch Felix Delmarle. Seine Erlebnisse ließen ihn eine antimilitaristische Zeitschrift gründen. Sein Gemälde »Bretonnes«, schon 1913 entstanden, ist eines der eindrucksvollsten der Ausstellung. Bretoninnen mit weißen Flügelhauben in einer Reihe, wie eine Diagonale den Kirchenraum durchziehend. Über ihnen brennende Kerzen – in der Luft. Auf dem Boden Totentafeln für ihre Männer, ertrunkene Fischer. Auf dem Altar Rosen. Alles hat etwas Schwebendes, Unwirkliches. Johannes Molzahn, ein Maler, der sich mir schon 1961 in einer »Sturm«-Ausstellung in Berlin einprägte, ist mit drei Bildern vertreten. Seine »Schöpfung II« von 1916, kubistisch zersplittert, in leuchtenden Blautönen, stellt den Menschen als Schöpfer ins Zentrum. 1933 wurde Molzahn, Professor in Breslau, aus dem Staatsdienst entlassen. Seine Bilder fanden sich wieder in der Goebbels-Schau »Entartete Kunst«. Er emigrierte 1938 in die USA. 1943 entstand dort »Ikarus«, ein Bild über das Abstürzen zwischen Hochhäusern. 1931 hatte ihn schon einmal dieses Thema in einem großen Gemälde beschäftigt: der Mensch, kurz vor dem Aufprall. * »Muß es so sein, dass der Soldat den Araber schlägt und der Araber den Neger und der Neger seinen Esel?« fragt der Maler Jean Dubuffet seinen Freund Jean Paulhan in einem Brief im April 1949. Ich lese diesen Satz im Katalog zur Ausstellung »Er hat die Sandalen ausgezogen«, die jetzt in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle gezeigt wird. Zu sehen sind Bilder von Dubuffet aus seiner Algerien-Zeit 1947 bis 1949. Dreimal reiste er dorthin, lernte sogar Arabisch – als es selbst für Algerier verboten war, diese Sprache zu sprechen. Dubuffet hatte begeistert die Kolonialausstellung in Paris besucht, nach der ersten Reise. Erst später erkannte er den kolonialistischen Charakter der Schau. Damals kündigten sich die politischen Unruhen des Unabhängigkeitskrieges schon an. Araber hatten keine Bürgerrechte, kein Wahlrecht. Im Katalog (56 Seiten, 8 ), von Nina Zimmer herausgegeben, die auch die Ausstellung konzipierte, schreibt am Schluß der algerische Journalist Hamid Skif über Dubuffet und die politischen Hintergründe der damaligen Zeit. Er zitiert ein berühmtes Gedicht, in dem es heißt: »Den Algeriern wurde alles genommen. Mit dem Vaterland auch der Name.« Dubuffet, der das ganz Andere, von der Zivilisation Unverdorbene, Unverfälschte suchte, malte »Araber« und Kamele. Und die Fußspuren im Sand. Er sah sie als Metaphern für seine Kunstauffassung: der Boden, ein riesiges Skizzenbuch. Seine Bilder zeigen es, er drückt die Umrisse in dicke Farbschichten wie in den Sand. Der Boden bedeckt fast das ganze Bild, sein Horizont ist schmal. André Breton kritisierte Dubuffet wegen seiner – wie er meinte – unkritischen Übernahme der orientalischen Sujets: Kamele und Palmen – auch Maler des 19. Jahrhunderts hatten sie dargestellt. Zum Vergleich hängen in der Ausstellung Beispiele aus jener Zeit. Der Unterschied ist offenkundig. Dennoch wurde Dubuffet unsicher. Nach der dritten Reise schrieb er an Paulhan, er arbeite jetzt an kleinen Aquarellen, die keinen Bezug zur Wüste haben: »Den beschreibenden Exotismen habe ich abgeschworen«.
Erschienen in Ossietzky 3/2005 |
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