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Bildung ist Zukunftsvorsorge, denn das Risiko des Arbeitsplatzverlustes ist an den Bildungs- und Berufsabschluß gekoppelt: Je geringer der berufliche Ausbildungsabschluß, desto höher die Gefahr der Arbeits- bzw. Dauerarbeitslosigkeit. Das weitaus größte Risiko tragen Männer und Frauen ohne beruflichen Ausbildungsabschluß.« Von Bildung darf – das bestätigt sich hier – niemand ausgeschlossen werden. Sie darf nicht als ein einkommens- und vermögensabhängiges privates, sondern muß als ein öffentliches Gut verstanden werden. Daher müssen Bildungsinvestitionen aus Steuergeldern finanziert werden; ihr Zweck darf sich nicht auf Rendite reduzieren. Zu diesem Ergebnis kam schon der US-amerikanische Ökonom John Kenneth Galbraith, als er feststellte, daß Bildungsinvestitionen sich nachhaltig auf den inneren sozialen Frieden einer Gesellschaft auswirken: Sie eröffnen den Angehörigen der unteren, wirtschaftlich benachteiligten Schichten die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs. Bildung ermöglicht den Menschen, politisches Bewußtsein zu entwickeln und politische Verantwortung zu übernehmen, wovon der Bestand von Demokratien abhängt. Bildung befähigt dazu, sich gesellschaftlich zu entfalten und durch Erweiterung des geistigen Horizonts das Leben auch kulturell zu genießen. Bildung hilft, sich aufrechten Ganges in der Gesellschaft zu bewegen. Bildung vermittelt Werte – und akzeptierte Werte bilden den moralischen Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Bildung läßt sich deshalb nicht, wie heute oft versucht wird, in ein betriebswirtschaftlich orientiertes Programm pressen, das Schüler und Studenten gleichsam zu Kunden macht, die in ein Kaufhaus gehen, etwas einzahlen und dafür ein Stück Bildungsware bekommen. Verwerflich ist die politisch eingeleitete »Verbetrieblichung« von Bildungseinrichtungen, die nicht nur Verringerung von Kosten, sondern auch Entdemokratisierung bewirkt. Schulen und Hochschulen dürfen nicht als Unternehmen verstanden und geführt werden. Sie brauchen Freiheit – keine Gängelung durch die Politik, keine Abhängigkeit von wirtschaftlichen Interessen. Der Staat hat vielmehr die Wirtschaft so zu besteuern, daß er seine Schulen und Hochschulen adäquat mit finanziellen Mitteln ausstatten kann. In Deutschland aber wird seit Jahren nicht genug Geld bereitgestellt. Mit einem Anteil von 4,7 Prozent am Bruttoinlandsprodukt liegen die Bildungsausgaben hier nach Feststellungen der OECD weit unter dem internationalen Mittelwert von 5,6 Prozent. Daher kann es nicht überraschen, daß Deutschland in den vergleichenden PISA-Studien zum Wissensstand der Schüler wie auch in einer OECD-Untersuchung über Hochschulabgängerzahlen schlecht abschneidet. Die PISA-Studien ergaben nicht nur unzureichende sprachliche und mathematische Fähigkeiten der in Deutschland ausgebildeten Jugendlichen, sondern auch starke soziale Segmentierungen bis zu Ausgrenzungen, also Trends, die große Sorge auslösen müßten. Trotz aller Rhetorik der Politiker – Bildung sei ein hohes und wichtiges gesellschaftliches Gut – ist Deutschland offensichtlich schlecht für die Anforderungen der vielbeschworenen Wissensgesellschaft gerüstet. Die seit Anfang der 1970er Jahre initiierten Bildungsreformen, die mehr Chancengleichheit in die bundesdeutsche Gesellschaft tragen sollten, haben die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten beim Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen nicht aufheben können. Immerhin haben sie Mobilitätsschübe ausgelöst. Der Abstand der Mittelschichtkinder zu den Oberschichtkindern verringerte sich, dafür wuchs aber der Abstand der Unterschicht, die somit Verlierer der Bildungsreformen ist. Negativ fällt auch die geringe Bildungsbeteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auf. Hier liegt, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) feststellte, »kaum eine Annäherung an die Schul- und Berufsabschlüsse von Deutschen (sic!)« vor. »Die Bildungsbeteiligung der 20- bis unter 25-jähigen Erwachsenen ausländischer Herkunft lag im Jahre 2001 weiterhin mit 14 v.H. weit unter der der Deutschen in dieser Alters-klasse (41 v.H.). Seit 1997 ist der Abstand sogar größer geworden.« Die in regelmäßigen Abständen vom Deutschen Studentenwerk (DSW) durchgeführten Untersuchungen zur beruflichen Stellung der Eltern von Studierenden an Universitäten und Fachhochschulen zeigen einen weit unterproportionalen Anteil der Arbeiterkinder im Vergleich zu den Kindern von Angestellten, Beamten und Selbständigen. Zwar stieg er an den Universitäten seit 1953 von vier auf dreizehn Prozent, seit Anfang der 1970er Jahre aber, nach Beginn der Bildungsoffensive, nur noch um einen Prozentpunkt von 12 auf 13 Prozent. Zählt man die Fachhochschulen dazu, die erst ab Ende der 1960er Jahre als neuer Hochschultyp entstanden sind, so liegt der Anteil von Arbeiterkindern an den deutschen Hochschulen bei rund 16 Prozent, also auch nicht merklich höher. (Die alten Zahlenangaben beziehen sich auf Westdeutschland, die neuen auf das Gebiet der heutigen Bundesrepublik. Dieser notgedrungen schiefe Vergleich beschönigt die Entwicklung sowohl im Osten, wo zu DDR-Zeiten Arbeiterkinder besonders gefördert wurden, als auch im Westen; die Entwicklung verläuft also insgesamt noch ungünstiger, als diese Zahlen aussagen.) In seiner jüngsten Untersuchung stellt das DSW fest, daß immer weniger Studierende aus der Mittelschicht stammen. Dennoch liegt hier die Chance auf Bildungsbeteiligung nach wie vor wesentlich höher als für Kinder aus der Unterschicht. Von diesen nahm im Jahr 2000 nur jedes zehnte ein Hochschulstudium auf. Nahezu dreimal so hoch (29 Prozent) war die Quote in der »Herkunftsgruppe mittel«. Von den Kindern aus der »Herkunftsgruppe hoch« studierten 81 Prozent. Aus diesen Zahlen werde »das Gegenteil der Chancengleichheit« deutlich, schlußfolgert DSW-Präsident Hans-Dieter Rinkens. Dennoch verlangen Wirtschaftsfunktionäre und Politiker die Einführung von Studiengebühren – auch schon für ein Erststudium. Sollte es dazu kommen, wird Bildung künftig noch ungleicher verteilt sein als bisher – mit der Folge, daß die soziale Ungleichheit zunehmen wird (s. »Gute Studienplätze für Reiche«, Ossietzky 1/2005). Daß die Bildungsreformen der 1970er Jahre nicht zur angestrebten Chancengleichheit im Bildungswesen geführt haben, hat auch folgenden Grund: Jugendlichen wurden zwar vermehrt Bildungswege eröffnet, doch je bedrohlicher die Krise auf dem Arbeitsmarkt, desto geringer war die Bereitschaft in bildungsfernen Schichten zum ungewissen Gang durch längere Schul- und Hochschulbildung. Die Bruchstellen auf dem Arbeitsmarkt markieren auch die Bruchstellen im Bildungswesen. Bildungspolitik müßte daher in Zukunft wesentlich enger mit Beschäftigungs-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Verteilungspolitik verknüpft werden. Solange aber die Weichen in Richtung auf neoliberale Wirtschaftspolitik, Privatisierung und Abbau sozialstaatlicher Intervention gestellt sind, ist auch in Sachen Bildung das Schlimmste zu befürchten. Von Heinz-J. Bontrup erscheint in den nächsten Tagen im PapyRossa Verlag: »Arbeit, Kapital und Staat – Plädoyer für eine demokratisierte Wirtschaft«, ca. 500 Seiten, 24.80
Erschienen in Ossietzky 3/2005 |
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