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Der Untertitel löst Verwirrung aus, häufig ist zu lesen: Der Bloch-Kreis und seine Freunde in Ost und West – ohne Zweifel, die gibt es auch, doch vor allem waren es Feinde in beiden deutschen Staaten, die eine mögliche revolutionäre Bloch-Schule verhinderten – wie auch in der heutigen Berliner Republik. Ein Folge-Band wurde nötig, weil der geplante Anhang den Umfang des Buches zu sprengen drohte, unser Verweis darauf fiel beim Druck einem Mißverständnis zum Opfer, deshalb sei er hier nachholend zitiert: »Der 2. Band wird Dokumente, Fotos, Briefe enthalten, dazu Belege für im 1. Band geschilderte Begebnisse, Bemerkungen, Äußerungen genannter Personen zu genannten Personen, Geheimpapiere, Geheimdienstgeheimnisse, Konflikte samt ihrer Vor- und Nachgeschichte, Manipulationsversuche und ihre Richtigstellung, Denunziationen, zustimmende und giftige Leserbriefe, Zuträgereien, Staatsblamagen, Parteilügen, Zeitungsenten, Akademiegeschwätz sowie Spuren aufrechten Ganges aus Ost und West ...« Überraschend ist die Fülle von Zuschriften, die wir erhalten. Es sind Berichte von Begebnissen und Erlebnissen mit Ernst Bloch, aber auch verblüffte Anfragen von Leuten, die nach 1956 in der DDR und gar in Leipzig studierten und nie ein Wort über diesen Philosophen zu hören bekamen. Ähnliche Stimmen erreichen uns aus Tübingen, wo Bloch nach seiner Leipziger Zeit lehrte und 1977 verstarb. Auch dies kein Wunder, hatten doch nach dem Tod des Zukunftsdenkers ihn hochschätzende und bewundernde Studenten die schwäbische Universität mit seinem Namen versehen, woraufhin bei der Professorenschaft der feine Satz umging: »Das war Blochs Brut.« Die Gegenreformation sucht ihre Feinde zielbewußt zu erledigen, indem man sie entmutigt, diffamiert und aus dem Gedächtnis auslöscht. Schwer erträglich ist der Blick in die internen oder geheimen Protokolle über Maßnahmen der DDR, mit denen sie die Blochianer gegeneinander ausspielte, spaltete, repressierte, bedrohte und zur Abkehr vom Blochschen Denken nötigte. Es waren nicht viele, die den Zwängen standhielten. Wer das nicht vermochte, leidet noch heute daran. Das Unwesen der Ausforscher, Zuträger, Agenten und Spitzel war gesamtdeutsch. Als wir 1957 den Ost-Geheimen knapp entronnen waren, hingen wir schon im Netz der West-Geheimen. Hinter unserem damaligen hochgemuten Oppositionsblatt »Der Dritte Weg« verbarg sich als Finanzier Günther Nollau, der es anschließend bis zum Verfassungsschutz-Präsidenten brachte. Bloch hatten genauso mehrere Instanzen im Visier. 1978 zogen wir aufs Land in den Hochtaunus. In Offenbach und Frankfurt am Main hatten unsere Besucher vom Heidelberger Patientenkollektiv über Rudi Dutschke, Erich Loest bis zu Gerald Zschorsch die Neugier beidseitiger Geheimer erregt. Sie alle machten lange Ohren. Auf dem Hügel gegenüber unserer Behausung zelteten merkwürdige Gestalten mit Horchgerät im Wald, bis unser Chow-Chow sie verbellte und vertrieb. Wenn das neuerlich erwachte Interesse an Ernst Bloch anhält, werden sie wohl bald Beobachter an seinem Grab auf dem Tübinger Waldfriedhof postieren, um der Gefahr zu begegnen, die nach wie vor von ihm ausgeht. Tatsächlich verkörpert der Philosoph die weitergeführte Geschichte von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Er hatte schon aufbegehrt, als Luxemburg und Lenin anno 1905/6 die Revolution in Rußland noch studierten. Aus dem Schweizer Exil schrieb er gegen den Ersten Weltkrieg an mit dem erklärten Ziel einer Niederlage Deutschlands, damit es einen friedlichen Weg einzuschlagen in der Lage sei. Die von ihm hinterlassene Lehre ist eine Philosophie des permanenten universalen Kampfes gegen den Krieg, was ihn über den Tod hinaus verdächtig macht. Bei Lesungen werden wir oft gefragt, weshalb Bloch mit Stalin gegen Hitler gestanden habe. Wir antworten: Weil er sich nicht an die in Deutschland bis zur lausigen Gegenwart bestimmende Norm hielt, mit Hitler gegen Stalin zu sein. Über »Fünfzig Jahre Bundeswehr« schrieb Karl Feldmeyer am 30. Dezember 2004 im FAZ-Leitartikel: »An die Stelle des Verteidigungsauftrags, der im Grundgesetz bis ins Detail definiert ist, tritt die Ausrichtung auf Intervention«, was »Zeitgenossen, die die Vergangenheit mit sich tragen, Unbehagen« bereite. Wir sind solche Zeitgenossen, denen der von Feldmeyer vertretene Interventionismus nicht nur Unbehagen bereitet. Wir halten ihn schlicht für Verfassungsbruch und damit für kriminell. Seit einiger Zeit werden dem Volk per Film, Presse und Television die Sorgen vieler Generäle präsentiert, die Hitlers Eroberungsfeldzüge führten und gegen Kriegsende wegen ihres Eides auf Adolf schwere Kopfschmerzanfälle erlitten – sollten sie denn von Hitler lassen? Wir sind so frei, an jene anderen Offiziere und Soldaten zu erinnern, denen schon der 1. Weltkrieg die Augen öffnete. Es gab einen deutschen Antimilitarismus und Pazifismus, es gab die Weltbühne mit Tucholsky und Ossietzky, es gab Tausende von Opfern des antifaschischistischen Kampfes, allen voran die Kommunisten. Wußten die Herren Generäle der Reichswehr und Wehrmacht davon nichts? Sie wußten schon davon. Sie ließen schießen und erschießen. Wir kehren zum Philosophen zurück, den wir indessen nicht vergaßen. Der Kernsatz seiner Weisheitslehre lautet: Man kann mit Deutschland nicht in Frieden leben, solange es immer erneut in die Schlacht zieht. Und was hilft alles Philosophieren, wird der Haupt-Impuls von Blochs Buchtitel »Kampf, nicht Krieg« verleugnet. Der neudeutsche Interventionismus sei grenzüberschreitend abgesichert? Man versucht es im Bündnis und verdrängt dabei, daß man auch in den vorherigen beiden Weltkriegen trotz vorhandener Bündnisse unterlegen war. Weil es mit dem schwafelnden Kaiser nichts wurde, nahm man sich einen tollen Führer. Der aber scheiterte an Stalin, Churchill, Roosevelt. Zwischendurch ließ man die Kriegsgegner Luxemburg und Liebknecht ermorden, wobei die Sozis fleißig zur Hand gingen. Bloch zum Glück überlebte im Schweizer Exil und baute den Antikrieg zum Herzstück seiner Philosophie aus. Das macht ihn noch heute zum Feind. Er stört den Tanz der ewigen Krieger ums Goldene Kalb.
Erschienen in Ossietzky 2/2005 |
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