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Aus freien Stücken hat er seinen Abstieg in die Boulevardhölle so lange betrieben, bis er tiefer nicht mehr kommen konnte Dabei hatte alles so gut angefangen: »Ich war leidenschaftlicher Meßdiener, ich war begeisterter Ursulinenschüler,« gab Diekmann kürzlich preis. Religion war gar sein viertes Abiturfach! Aber irgendwann muß in ihm ein unseliger Wandel eingesetzt haben, vielleicht war’s in der Pubertät – auf seinen Teenagerfotos, die im Internetarchiv der Satirezeitschrift titanic besichtigt werden können, zeigt sich bereits die dämonische Glätte, die seine Gesichtszüge bis heute auszeichnet. Fand er in der Bibliothek seines studierten Vaters eine Ausgabe von Miltons »Paradise Lost«? Darin stellt ja der Teufel fest, daß es besser sei, in der Hölle zu herrschen, als im Himmel zu dienen… Diekmann machte sich, als hätte er diese Maxime völlig verinnerlicht, zielstrebig auf die Reise: Mit neunzehn schaffte die »Charaktermaske« (Gerhard Henschel) das Abitur; darauf lernte der junge Mann beim Militär, wie man Menschen totschießt; schließlich landete er mit gerade 21 Jahren als Volontär im Springer-Verlag, wo er sich beibringen ließ, wie man Menschen auch ohne Schußwaffen erledigen kann. Nach einem kurzen Schlenker über Burdas Bunte und Springers B.Z. kehrte er, bereits als Ressortchef der Politik, zu seinem Großprojekt Bild zurück. »Heute bin ich praktizierender Katholik,« behauptet der »Choleriker« (Diekmann über Diekmann), der seit 1997 von der Verlegertochter Jonica Jahr geschieden ist. Seine gegenwärtige Ehefrau, die Zahnärztin Katja Keßler, lernte er als Klatschreporterin seines Latrinenblattes kennen. Früher sammelte sie Marienbildchen. Wie viele gefallene Engel wohl noch für Springers Lügenblatt arbeiten? Von Diekmann sind bislang nur wenige kluge Sätze überliefert, beispielsweise dieser: »Nur Moralisten können gute Journalisten sein« – was aber zugleich ein Verdammungsurteil für alle Bild-Macher einschließlich Diekmanns ist. Die Zahl seiner dummen Sätze läßt sich kaum noch schätzen. Zu den Top-100-Anwärtern gehört gewiß dieser: »Es ist unser Auftrag, kritisch zu berichten.« Blödsinn, Diekmann – es ist Ihr Auftrag, Profit zu erwirtschaften, Ihre LeserInnen unmündig zu halten und die politischen Kampagnen Ihres Verlages zum Erfolg zu führen! Fragen Sie ruhig Ihren Amtsvorgänger Heinz Hermann Tiedje, der halbwegs kritische Artikel zu Helmut Kohls Verwicklungen in den Spenden-skandal der Union abdrucken ließ und deshalb den Stuhl räumen mußte, auf dem Sie sich heute ihren Hintern wärmen. Nun leben wir in schweren Zeiten. Sogar die Verkaufsauflage von Bild ist rückläufig; dieser im Grunde erfreuliche Trend dürfte sich noch verstärken, da mittlerweile nicht wenige Menschen hierzulande für einen Euro pro Arbeitsstunde schuften müssen. Die Kapitalistische Weltrevolution frißt, wie vorauszusehen, ihre Kinder: Gestern und heute die Wehrlosen, demnächst auch alle, die sich immer noch als ihre Gewinner aufspielen. Diekmann glaubt, seinem verdienten Schicksal entgehen zu können, indem er seine Zwölf-Millionen-Leserschaft in eine ideologische Zange aus Religion und Volkstum zwingt. Schon immer verstand sich Bild auf die billige Kunst, das Weltgeschehen allein auf ethnische Konflikte zu reduzieren. Doch das Völkische grassiert derzeit im Springerboulevard so, wie man es in Deutschland zuletzt von 1933 bis 1945 erleben konnte. Heute kann jeder bei Diekmann für fünf Euro im Monat eine »Volks-Karte« erstehen, die ihn an ausgewählte Wirtschaftspartner des Hetzblattes bindet. Immer wieder preist Bild ganz gezielt Produkte dieser Partner an, wie den »Volks-Trainer« oder den »Volks-Rekorder«, die sich angeblich jeder deutschtümelnde Bild-Junkie leisten kann. In der Produktpalette fehlt bloß die von Rafael Seligmann in der Bild-Ausgabe vom letzten 20. April 2004 eingeforderte Volksausgabe von »Mein Kampf« – große publizistische Untaten werfen ihre dunkelbraunen Schatten voraus… Wer so gezielt die Deutschtumskarte ausspielt, hetzt nicht nur gegen Abweichler wie auch Fremde und stärkt so den Zusammenhalt des wild zusammengewürfelten Haufens, der zufällig in Deutschland zur Welt kam. Er verhindert auch, daß Marx’ Imperativ »Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!« jemals Praxis wird und der Kapitalismus endlich wieder Gegenwind spürt. Ist die Leserschaft erstmal stolz darauf, dem unheimlichsten Volk der Welt anzugehören, wird sie aufs Christentum eingeschworen – jene Religion, deren Ziele und Werte in Bild alltäglich auf dem Altar des Sozialdarwinismus geopfert werden. Schon 2003, im »Jahr der Bibel«, ließ Diekmann jeden Tag ein Zitat aus dem Buch der Bücher drucken; im November 2004 brachte er dann das Gesamtwerk als »Volksbibel« auf den Markt. Der katholische Weltbild-Verlag produzierte den mit 2,5 Kilogramm monströs schweren Kunstlederband, Diekmanns Schundpostille übernahm den Propagandafeldzug samt Bibelquiz und anderen Schleichwerbemitteln. Diesem kommerziellen Wirbelsturm wollte sich auch der Heilige Vater nicht entziehen, der eigens zur Privataudienz bat. Bild-Kolumnist Körzdörfer ersoff bei dieser Gelegenheit in seinem patentierten Halbdebilen-Pathos: »Man empfindet Ehrfurcht und Geborgenheit. […] Die Zeit steht still. Ich schaudere vor Ergriffenheit.« In der Tat: Man kann nur schaudern, wenn man daran denkt, daß der Papst das ihm von Diekmann in die zittrigen Hände gedrückte Exemplar der »Volksbibel« signierte! Dachte Johannes Paul II., es handele sich um seine bei Weltbild erschienene Autobiographie, die Bild im letzten Jahr als Serie abdruckte? Jedenfalls wusch eine Hand die andere; der Papst, der im Vorjahr exklusiv in Bild den Feminismus geißeln durfte, bedankte sich artig für die Hofberichterstattung, mit der ihn die Springerpresse bei seinem diesjährigen Deutschlandbesuch verwöhnen wird. Genaue Verkaufszahlen der »Volksbibel« sind bislang nicht zu bekommen; verlagsintern rechnet man bei Weltbild angeblich mit über 200 000 verkauften Exemplaren. So sind alle am Deal Beteiligten glücklich: Der Papst bekommt neue Schäfchen, Weltbild macht ein hübsches Geschäft, und bei Bild hat man endlich ein Prestige-Objekt, das man der »Dauer-Kritik an Bild und deren Chefredakteur Kai Diekmann« (Frankfurter Rundschau) entgegensetzen kann. Die Zeche zahlen Diekmanns LeserInnen. Wie immer. »Die Figur Saulus macht mir Hoffnung,« erläuterte Diekmann neulich auf die Frage, welche Bibelfigur ihm am nächsten stehe. Saulus war ein notorischer Christenhasser, der zum Paulus wurde, als Christus ihn aufsuchte. Man stelle sich dieses traurige Bild vor: Da hockt der Scheinheilige Diekmann umgeben von reaktionären Nobelspießern in seinem sterilen Großraumbüro, wo er den drückenden Mief seiner gottlosen Vorurteile inhaliert wie andere ein liebliches Parfüm. Und wenn er gerade keine Totschlagzeile erfindet oder eine photographische Wichsvorlage für die Erste Seite aussucht, dann lugt er sehnsuchtsvoll zur Tür und hofft, der Heiland möge eintreten und ihn, Diekmann, endlich aus der Hölle erlösen, die er so inbrünstig mitgeschaffen hat. Der Mann ist im Grunde seines Herzens genauso dumm, wie er seine Leserschaft gern hätte.
Erschienen in Ossietzky 2/2005 |
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