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Kurz vor Beginn des Überfalls der USA und Großbritanniens auf den Irak im März 2003 hatte die Friedensaktivistin aus Hannover das geschundene Land mit einer internationalen Antikriegsdelegation bereist, auch die Millionenstadt Basra, und dort die Kinderklinik besucht, deren Ärzte seit Anfang 1992 ein auffälliges Ansteigen von Fehlbildungen bei Säuglingen registriert hatten. Manches, was die Mediziner zu sehen bekamen, war so grotesk und ungewöhnlich, wie sie es allenfalls aus Lehrbüchern kannten. In Basra werden solche Kinder jedoch seit Ende des 1991 geführten Golfkrieges Jahr für Jahr geboren – »Fleischklumpen mit Füßen dran«, formuliert Malkus drastisch, mit feuchten Augen. Sie hat in Basra viele solcher fehlgebildeter und noch viel mehr krebskranke Kinder gesehen. Im Süd-Irak schnellte die Zahl der Leukämie- und anderer Krebsfälle bei Kindern nach dem Golfkrieg binnen kurzer Zeit dramatisch nach oben. Der seit 35 Jahren im Krebszentrum von Basra arbeitende Onkologe Jawad Al-Ali sagt, daß es im Jahr 2002 bereits 1000 Prozent mehr Krebsfälle in Basra gab als zehn Jahre zuvor. Ossietzky-LeserInnen erfuhren davon durch eindringliche Berichte der Wiener Kinderkrebs-Spezialistin Eva-Maria Hobiger. Die irakischen Ärzte hatten die ungewöhnlichen und ungewöhnlich häufigen Geburtsfehler und die vielen Totgeburten anfangs hilflos mit denen nach den Atombombentests auf dem Bikini-Atoll und den pazifischen Inseln verglichen. Erst viele Monate später begriffen sie, daß die US-Truppen im Frühjahr 1991 bei ihrer »Operation Wüstensturm« tatsächlich radioaktive Waffen eingesetzt hatten. Um die Aufdeckung dieses Kriegsverbrechens hat sich Professor Siegwart-Horst Günther besonders verdient gemacht, der 1992 ein uranhaltiges Projektil aus dem südirakischen Kriegsgebiet auf Radioaktivität untersuchen ließ. Die signifikanten Krankheitsbilder in den Kliniken von Basra hatten bei ihm den schrecklichen Verdacht ausgelöst, der sich dann bestätigte. Günther schlug international Alarm, worauf er sich über Jahre massiven Anfeindungen ausgesetzt sah. Inzwischen bestreitet die US-Regierung nicht mehr, daß ihre – und auch britische – Truppen erstmals 1991 im Südirak in großem Stil mit Uran-Munition geschossen haben; sie räumt für 1991 den Einsatz von 375 Tonnen sogenannter DU-Geschosse ein; irakische Schätzungen gehen bis zu 800 Tonnen. Es handelt sich um Munition, deren Kern aus depleted uranium (DU), purem abgereichertem Uran (U 238), besteht. Geschosse mit einem DU-Kern durchdringen dicksten Stahl und DU-Missiles auch dutzende Meter Beton. Die enorme Dichte des Schwermetalls – Uran ist fast dreimal so schwer wie Eisen – und die Eigenschaft von DU, sich beim Aufprall selbst zu entzünden, machen den panzerbrechenden Effekt der Geschosse aus. DU ist ein billiges Abfallprodukt der angeblich friedlichen Atomindustrie, die davon bereits Millionen Tonnen produziert hat und froh ist, Teile ihres strahlenden Mülls über die Militärs »entsorgen« zu können. Heute produzieren die USA uranhaltige Geschosse, Minen und Panzerabwehrraketen nicht nur für ihr eigenes Militär, sondern exportieren sie auch – etwa nach Saudi-Arabien, Bahrein, Ägypten, Kuwait, Taiwan, Thailand und in die Türkei. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Armeen von Großbritannien, Frankreich, Rußland, Griechenland, Israel und Pakistan ebenfalls Uranwaffen in ihren Arsenalen des Todes haben. Die Regierungen und Militärs bestreiten, daß von den Uranwaffen irgendeine Gefahr ausgehe, die über ihr direktes Zerstörungswerk langfristig hinausreiche. Sie argumentieren, daß abgereichertes Uran nur schwach strahle und Alpha-Teilchen emitiere, die nicht mal die menschliche Haut durchdringen. Das stimmt – jedoch nur so lange, bis die Uran-Isotope über die Atemluft oder die Nahrung in den menschlichen Körper gelangen und ihre Strahlung dort ihr Zerstörungswerk beginnt. Außerdem ist Uran als Schwermetall außerordentlich giftig. Trifft ein DU-Geschoß sein Ziel, so verbrennt dieses unter Entwicklung extrem hoher Temperatur (bis zu 6000 Grad Celsius) zu submikrospkopischen aerosolbildenden Teilchen. »Das Innenleben z.B. eines getroffenen Panzers – Elektronik, Kunststoffe, Textilien, Lacke etc. – verbrennt mit«, erläutert der Berliner DU-Kritiker Professor Albrecht Schott. Es entstehe eine »neuartige Hochtemperaturchemie«, ein »Cocktail krebserregender Substanzen«. Keramische, nicht wasserlösliche Uranoxidpartikelchen lagerten sich unter anderem in der Lunge ab. Je nach ihrer Größe würden sie von dort in andere Körperteile transportiert und entfalteten über Jahrzehnte eine chemo- und radiotoxische Wirkung. Vom Ort der Kampfhandlungen können die radioaktiven Staubpartikel hunderte Kilometer weit in alle Winde verweht werden. Die kleinsten können sogar wie der Fallout der Atombombentests um die ganze Welt kreisen und auch in Deutschland zur radioaktiven Hintergrundstrahlung beitragen. »Flüsternde Warzenschweine«, US-Erdkampfflugzeuge vom Typ A10, geben aus ihren Kanonen rund 3900 Schuß pro Minute ab. Die meisten Salven treffen nicht, so daß tausende DU-Projektile tief in das Erdreich eindringen. Von dort gelangen (auch nichtkeramische, wasserlösliche) Uranpartikel durch Korrosion in das Grundwasser und über die ökologischen Kreisläufe in die Nahrungskette. Unter den grausamen Folgen des DU-Waffeneinsatzes haben nicht nur Iraker zu leiden. In immer mehr Kriegen wird mit Uranwaffen gekämpft. In Bosnien (1996) und Rest-Jugoslawien (1999) verschossen US-Flugzeuge rund 13 Tonnen DU-Munition; Afghanistan (2001/2002) wurde mit mindestens 600 Tonnen uranhaltiger Munition bombardiert, und 2003 kontaminierte die »Koalition der Willigen« den Irak mit weiteren 1000 bis 2000 Tonnen Uran-Geschossen. Sogar in Wohngebieten setzten US-amerikanische und britische Einheiten uranhaltige Granaten und Raketen ein. An abgeschossenen irakischen Panzern wurde zum Teil das 2500fache der natürlichen Radioaktivität gemessen. Schon nach der »Operation Wüstensturm« hatte sich schnell gezeigt, daß auch die dort eingesetzten alliierten Soldaten selber betroffen sind. Zehntausende britische, kanadische, französische und US-amerikanische Soldaten klagen seit ihrem Kriegseinsatz über das »Golfkriegssyndrom«. Sie leiden unter Muskelschmerzen, chronischer Müdigkeit, Schwindelgefühlen, Depressionen, Nierenversagen, Krebs und anderen schweren Krankheiten. Von den damals an der Invasion beteiligten knapp 700 000 US-Soldaten haben bis heute rund 230 000 schriftlich bei der Armee eingereicht, daß sie gesundheitlich ernsthaft geschädigt sind und medizinische Hilfe benötigen. Als eine wesentliche von mehreren Ursachen gilt, daß sie ungeschützt mit DU-Staub in Berührung kamen – etwa als sie ahnungslos in zerschossenen irakischen Panzern (strahlende) Souvenirs sammelten und nach Hause an ihre Familien schickten. Eine von Professor Schott an der Universität Bremen veranlaßte, privat bezahlte »Pilotstudie« an 19 Golf- und Balkankriegsveteranen ergab, daß diese Ex-Soldaten genetische Schäden aufweisen, sogenannte Chromosomenbrüche, die auf Radioaktivität zurückzuführen sind. Einige wurden zusätzlich auf DU im Urin getestet. Ergebnis: positiv. Auch Professor Asaf Durakovic entdeckte DU im Urin von Golfkriegsveteranen, außerdem Spuren von Plutonium. Zwölf Jahre arbeitete der Nuklearmediziner für das US-Verteidigungsministe-rium. Im Auftrag des US-Kongresses untersuchte er US-Veteranen, die am »Golfkriegssyndrom« erkrankt sind. Massiv sei er unter Druck gesetzt worden, berichtete der Mediziner im Jahr 2003, diese Studie abzubrechen. Als er dazu nicht bereit war, kündigte ihm das Pentagon. Durakovic gründete daraufhin 1997 in Kanada das unabhängige Uranium Medical Research Center (UMRC), das seitdem immer wieder Falschinformationen der Militärs aufdeckt. »67 Prozent der Kinder von Golfkriegsveteranen sind genetisch geschädigt, oft in grauenvoller Weise«, schließt Schott aus einer kleinen unabhängigen Studie. Zu den Krankheitsbildern im Irak gehörten Wasserkopf, Augenlosigkeit, Zyklopenauge, drei Augen, offene Wirbelsäule, Leukämie und andere Krebsarten. Schott fürchtet, daß die durch DU ausgelösten Genschäden an die kommenden Generationen weitergegeben werden und sich summieren. Er nennt Uranmunition eine »Ausrottungswaffe«. Schon die Wissenschaftler des Manhattan-Projektes zum Bau der Atombombe hatten 1943 erwogen, Uranstaub als Waffe zu nutzen, um die Umwelt damit radioaktiv zu verseuchen. In einem Memorandum schätzten sie damals, daß bereits ein Tausendstel Mikrogramm dieses Staubes fatale Wirkungen hätte, wenn er in den menschlichen Körper gelange. Im November 1991 wurde ein Geheimbericht der British Atomic Energy Authority an die Regierung in London der Redaktion der Tageszeitung Independent zugespielt. Darin heißt es, daß 40 Tonnen verschossenes abgereichertes Uran für bis zu 500 000 Menschen ein tödliches Potential darstelle. Eine Studie an der amerikanischen John-Hopkins-Universität schätzte nach dem Golfkrieg 1991, daß binnen weniger Jahre bis zu 40 Prozent der irakischen Bevölkerung an Krebs erkranken könnten. Die Militärs und Regierungen wissen also, was sie tun. Doch zynisch bestreiten sie die Evidenz der vorliegenden Untersuchungsergebnisse. Und ihre wahnwitzigen Strategie- und Rüstungsplanungen lassen befürchten, daß künftige Kriegsszenarien noch größere chemisch-radiologische Kontaminationspotentiale mit sich bringen werden. Seit 1997 hat allein die US-Regierung 23 neue Waffen entwickelt, die jeweils bis zu einer Tonne Uran enthalten sollen. Darunter sind riesige »Bunker-Busters«, tief in die Erde eindringende lasergeleitete Lenkwaffen, deren Einsatz sowohl im Irak 2003 – unter anderem in Bagdad – als auch in Afghanistan nachgewiesen ist. »Die Verwüstungen infolge des Uranwaffeneinsatzes beim Golfkrieg 1991 traten erst ein paar Jahre später zu Tage. In Afghanistan waren die Indizien bereits in der dritten Woche der Bombardierungen zu beobachten«, berichtet Professor Mohammed Daud Miraki, der Direktor des »Afghan DU and Recovery Fund«. Hunderte Taliban-Kämpfer, die die Angriffe auf ihre Stellungen äußerlich unversehrt oder mit nur geringen Verletzungen überlebt hatten, »kamen in ihre Dörfer zurück, einzig um dort zu sterben. Sie erbrachen plötzlich Blut und hatten Blut im Stuhl. Ihr Immunsystem brach zusammen, und ihre Nierentätigkeit setzte aus.« Auch im Wazir-Askbar-Khan-Krankenhaus in Kabul seien Patienten, die nur ein paar Kratzer an der Haut hatten, innerhalb weniger Stunden an massiven inneren Blutungen gestorben. »Die Ärzte, die mit den Folgen von Uranmunition nicht vertraut waren, meinten zunächst, die Amerikaner hätten chemische Waffen eingesetzt«, erfuhr Miraki. Er fürchtet: »Afghanistan ist praktisch ein unbewohnbares Land geworden.« Über die Menschen dort sei das Todesurteil gesprochen. Denn der Wind habe inzwischen fast das gesamte Land mit dem hochtoxischen Uranstaub verschmutzt. In Feldstudien seien an verschiedenen Orten bereits Fehlbildungen von Neugeborenen festgestellt worden, »wie wir sie aus dem Südirak nach 1991 kennen«. Auch um die Gesundheit der in Afghanistan stationierten Bundeswehr-Soldaten fürchtet er: »Die deutschen Soldaten werden ebenso erkranken wie die Afghanen (...) Uranstaub kennt keine Nationalität.« Aber das Bundesverteidigungsministerium will von dieser Gefahr, die wegen der langen Latenzzeit mancher Krebserkrankungen womöglich erst Jahre später manifest wird, nichts wissen. Deutsche Soldaten würden darauf vorbereitet, sich kontaminierten Orten möglichst vorsichtig zu nähern, Staub- und ABC-Masken schützten zuverlässig vor dem Uran, behauptet das Ministerium. Über so viel Naivität kann der frühere US-Militärarzt Doug Rocke nur lachen. Er gehörte vor dem Golfkrieg 1991 zum Depleted Uranium Assessment Team der US-Armee, das die gesundheitlichen Auswirkungen der Uranwaffen abschätzen sollte. 1991 war er dann nach dem Krieg Leiter des hundert Mann starken Teams, das kontaminierte Panzer wegräumen sollte. 30 Mitarbeiter dieser Gruppe sind inzwischen qualvoll gestorben. Auch Rocke ist schwer gezeichnet. Wenn Deutschland beim Wiederaufbau Afghanistans wirklich helfen wolle, solle es sich für die Dekontamination des Landes einsetzen, auch wenn das flächendeckend unmöglich sei, wünscht er. »Die für die Dekontaminierung notwendigen Prozeduren, die ich für die US-Armee ausgearbeitet habe, stelle ich der Bundeswehr gerne zur Verfügung«, sagte er der Zeitung junge Welt am Rande einer internationalen Konferenz, die die kleine Organisation »Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen« im Oktober 2003 in Hamburg organisiert hatte. Rocke zählt heute zu den international bekanntesten Gegnern von Uranwaffen – ebenso wie der frühere US-Generalstaatsanwalt und zeitweilige Justizminister Ramsey Clark, der im International Action Center in New York friedenspolitisch aktiv ist. Während die USA und andere Regierungen einfach abstreiten, daß DU-Waffen zu den völkerrechtlich geächteten Waffen zählen, betont Clark: »DU-Waffen sind keine konventionellen Waffen. Alle internationalen Gesetze über Kriegsführung versuchen die Gewalt in Schlachten zu begrenzen und den Gebrauch von besonders grausamen und ungezielten Waffen konsequent vorzubeugen (...) Durch die anhaltende Grausamkeit und die unvorhersehbaren todbringenden Auswirkungen verletzen DU-Waffen internationale Gesetze. Sie bedrohen die jetzige Zivilbevölkerung und die kommenden Generationen.« Als »Verbrechen gegen die Menschheit« wertete schon im November 2003 das Internationale Tribunal zum Krieg gegen Afghanistan in Tokio den Beschuß mit Uranwaffen. Es stellte fest: DU-Waffen sind »Massenvernichtungswaffen«, deren Einsatz verboten sei und sofort beendet werden müsse. Derweil leiden und sterben die Kinder im Irak und anderswo weiter. »Frauen in Basra haben Angst davor, schwanger zu werden«, sagt Eva-Maria Hobinger, die mit ihrer Aktion »Aladins Wunderlampe« seit Jahren »Hilfe für krebskranke Kinder in Basra« organisiert (Konto: 665 821 595 bei der Hypo Vereinsbank AG, Bankleitzahl 700 202 70, Stichwort »Kinder im Irak«). Sie geht davon aus, daß der Irak heute die höchste Kinderkrebsrate der Welt hat. Ein Menetekel. Weltweit muß der Druck auf die Regierungen wachsen, damit sie endlich abrüsten und nicht die Menschheit, sondern die Massenvernichtungswaffen vernichten. Die britische Friedensaktivistin Felicity Arburthnot warnt: »DU hat eine Halbwertzeit von 4,5 Milliarden Jahren. Es wird uns noch vergiften, wenn die Sonne längst erloschen ist.«
Erschienen in Ossietzky 2/2005 |
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