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Ein ähnlich martialisches Regelwerk wie das in Peking geplante gilt bereits in den USA: der sogenannte »Taiwan Relation Act« (TRA) verpflichtet Washington, stets ausreichende militärische »Abschreckungskräfte« rund um Taiwan stationiert zu halten und die Insel immer (mit Waffenlieferungen) zu befähigen, Angriffe vom Festland zurückzuschlagen. Das Ergebnis ist seit Jahren ein hemmungsloser Rüstungswettlauf in Fernost. An diesem Zustand hat der militärisch-industrielle Komplex der USA ein überragendes Interesse. Die imperiale Politik Washingtons berücksichtigt zugleich, daß Vorwände gebraucht werden, wenn die aufstrebende Großmacht, politische und ökonomische Konkurrenz China dereinst niedergerungen werden soll. Mithilfe der Taiwanfrage läßt sich der Konflikt jederzeit hochschaukeln. Wie denn auch sonst. In China kann Washington keine Nuklearkontrollen inszenieren oder ähnliche Gags wie vor dem Überfall auf den Irak landen. So mißbrauchen die USA das erschlichene und irregeleitete Vertrauen der Regierung in Taipei, um Taiwan propagandistisch als Hort westlich-demokratischer Freiheiten zu stilisieren und zugleich als Militärbasis und Raketen-Abschußrampe für einen Krieg gegen die VR China auszubauen. Einschließlich Basen für die im Pazifik geplante weltraumgestützte Raketenabwehr. Wobei von vornherein klar ist: Im Kriegsfall werden die Taiwanesen verheizt. Dieses Szenario bleibt so lange wahrscheinlich, bis die VR China militärisch unschlagbar sein wird. Das ist kein langer Zeitraum: höchstens 15 Jahre noch. Daß der chinesische Volkskongreß das »Anti-Abspaltungs-Gesetz« gegen Taiwan bestätigen wird, kann ebenfalls als sicher gelten. Argumente für die kriegerische Selbstbindung haben die Pekinger in den vergangenen Monaten von Taiwans Präsident Chen Shuibian dank dessen schillernder Außenpolitik frei Haus geliefert bekommen: Zwar bekräftigte Chen bei vielen Anlässen, er strebe keine formelle Unabhängigkeit für seine faktisch ohnehin unabhängige Inselrepublik an. Aber seine Aktivitäten reichten von Vorlagen zu einer Verfassungsreform bis zur Ausgabe neuer Reisepässe mit dem Aufdruck »Taiwan«. Das gegen Taiwan gerichtete martialische Pekinger Gesetzeswerk und das ganze Verhalten gegenüber dem Inselstaat fallen aus dem Rahmen der sonst so unauffälligen, in viele diplomatische Formeln gekleideten chinesischen Außenpolitik – die aber immer spiegelbildlich zu den Washingtoner Kriegsplänen zu verstehen ist, nur wesentlich behutsamer. Hier ein Handschlag mehr als üblich für Putin, dort eine US-kritische Fußnote zum Krieg im Irak. Hier ein Verhandlungsmarathon und diplomatische Spielchen mit den US-Obsessionen gegen den »Schurkenstaat« Nordkorea, dort zielstrebiger Ausbau der industriellen Präsenz im Iran. Zugleich zieht Peking US-Kapital und technisches Know-how ins Reich der Mitte und bindet es hier langfristig, verstärkt Wirtschaftskontakte zu lateinamerikanischen Staaten und mischt so im »Hinterhof der USA« mit. Das auch im Hinblick auf die 2008 in Peking vorgesehenen Olympischen Spiele so auffällige Feldgeschrei Richtung Taiwan ist aber nicht nur als ernstzunehmende Drohung gegen Washington und Taipei zu verstehen. Es dient der Ablenkung von innenpolitischen Problemen der VR China. Erst kürzlich zelebrierte die Pekinger Führung ein Riesenbrimborium, als in der Hauptstadt (versteht sich) die Geburt eines Knaben (versteht sich) die Gesamtzahl der Bewohner der VR China auf angeblich exakt eine Milliarde und 300 Millionen Staatsbürger anhob. Für diese Massen wäre allerdings die Einführung einer staatlich organisierten Rentenversorgung ein weit besserer Anlaß zur Freude gewesen. Doch von einem System zur sozialen Absicherung der Lebensrisiken ist die VR China meilenweit entfernt. Die einzige Altersversorgung, auf die sich der Durchschnittschinese verlassen muß, ist eine traditionelle: Familie und eigener Nachwuchs garantieren sie. Pekings Bevölkerungspolitik der strikten Geburtenkontrolle (es gilt die Ein-Kind-Regel, davon ausgenommen sind nur Angehörige der ethnischen Minderheiten in den ländlichen Regionen) führt dagegen zur Aushöhlung dieser Sicherheit und außerdem noch zur allmählichen Überalterung der Gesellschaft. Ein unlösbarer Zielkonflikt. Ein weiteres Problem, kennzeichnend für viele Länder mit kapitalistischen Wirtschaftssystemen, belastet die nur dem Namen nach noch sozialistische VR China massiv: In den Ballungszentren öffnet sich eine tiefe Kluft zwischen Arm und Reich, und es entsteht ein urbanes Subproletariat. Weit mehr als 100 Millionen Menschen, vom Land in die Städte migriert, leben dort ohne formelles Aufenthaltsrecht und ohne Arbeitserlaubnis. Sie landen fast alle in einer Schattenwirtschaft mit Hungerlöhnen für schwerste, schmutzigste und gefährlichste Arbeit und werden Opfer hemmungsloser Ausbeutung. Dieses Millionenheer von Rechtlosen bekommt ständig Zulauf aus dem ländlichen Raum. Das dortige Einkommensniveau sei im vergangenen Jahr um sechs Prozent gesteigert worden, brüstet sich die Pekinger Führung. Doch der Jahresgewinn aus bäuerlicher Arbeit reicht nicht für angemessene Investitionen und technische Modernisierung der Agrarbetriebe. Die Anbauflächen der Familienunternehmen sind meistenteils zu klein, und aufgrund ungenügender maschineller Ausstattung bleibt die Produktivität zu niedrig. Ein Teufelskreis. Die Bauern können nicht einmal ein Drittel des jährlichen Durchschnittseinkommen der Werktätigen in städtischen Regionen erwirtschaften: rund 1500 Dollar. Glanz und Gloria der modernen Millionenstädte (es gibt mehr als 100 in der VR China, Shanghai ist mit 30 Millionen Einwohnern die größte) mögen das Elend des städtischen Subproletariats, der Millionen Landflüchtigen und des ungezählten Heeres der Wanderarbeiter noch eine Weile überstrahlen. Und Kriegsdrohungen gegen Taiwan mögen davon ablenken. Der Wirtschaftsboom in den urbanen industriellen Zentren mag im Westen noch eine Weile blenden und dort weiter Investitionsbereitschaft und Begehrlichkeit bewirken (die Japaner halten sich bei Investitionen mit langfristiger Kapitalbindung im Nachbarland neuerdings zurück, obwohl sie selbstverständlich ebenso gern profitable Geschäfte mit der VR China machen wie Westeuropäer und Nordamerikaner). Daß sich in den Köpfen der armen Mehrheit von 800 Millionen Chinesen revolutionäre Wünsche nach der kollektiven Lösung wachsender individueller Probleme formen und die Sehnsucht nach ein wenig Glück zunimmt, das läßt sich weder verhindern noch verbergen. Da braucht man folglich Wachhunde – die »Volksbefreiungsarmee« stellt sie. Und man braucht äußere Feindbilder – Taiwan liefert eines.
Erschienen in Ossietzky 2/2005 |
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