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Der Umkleidetrakt befindet sich auf der anderen Seite der Halle, man stiefelt also mit allem Gepäck quer durch das Schwimmbad. Damit man nichts schmutzig macht, bekommt man Plastiküberzieher für die Schuhe. Das Mineralwasser gibt es nur in vier kleinen Becken für maximal je vier bis sechs sitzende Personen. Wir kamen rechtzeitig zur »Reform«. Früher wurde für die 100 Yuan Eintritt noch ein Büffet geboten, seit Weihachten gibt es nur ein dürftiges Brötchen und einen mumifizierten Hühnchenschlegel. Im Preis enthalten sind Sauna, Schwimmen, zehn Minuten Fußmassage, 20 Minuten Tischtennis; fürs Schwimmen gilt keine Zeitbegrenzung. Ein Tee kostet zusätzlich 40 Yuan. Badegäste mit Jahreskarte sind ebenfalls von der »Reform« betroffen: Früher konnten sie, wann immer sie wollten, ins Bad, jetzt werden sie nur noch unter der Woche eingelassen. Schon hier sieht man, daß manche Chinesen von den deutschen »Reformern« gelernt haben: Nichts wird besser, aber vieles schlechter. Die Sauna ist ein Holzhäuschen mit großer Frontglasscheibe. Aus Gründen der Scham behält man dort die Badekleidung am Leibe. Die Fußmassage war recht angenehm. Dabei erfuhren wir, daß das Schwimmbad in Privatbesitz ist. Es gehört einem früheren Bauern und Wanderarbeiter, der gleich nach der Öffnungspolitik die Gunst der Stunde zu nutzen verstand. »Goldrausch« und unvollständige Gesetze ließen vieles zu, was heute nicht mehr geht. Der Masseur will auch reich werden. Er bekommt zwei Yuan für die zehn Minuten, bei einer Fußpflege schon 15; diese dauert je nach Beschaffenheit des Fußes freilich auch länger. Er hat sich in der Nähe ein billiges Zimmer genommen und arbeitet jetzt zehn Stunden am Tag, die ganze Woche durch; rentenversichert ist er nicht; also je mehr er arbeitet, desto reicher(!) wird er – und er will reich werden. Auch er war früher Bauer. Apropos: Der Geschäftsführer der Milchfirma, die meine Milchtüten produziert, wollte noch reicher werden; jetzt wird er vermutlich verhaftet, sieben seiner Manager werden schon verhört. Ganz verschiedene Methoden, reich zu werden... Die chinesische Klassengesellschaft gibt es auch im Schwimmbad; durch einen niedrigen Zaun abgetrennt, sieht man die Becken mit Mineralwasser, die man individuell mieten kann, und kleine Häuschen, in die man sich setzen kann. In der Nähe soll es noch ein besseres, ein »Luxus«-Mineralbad geben. Wenn es mein Budget nicht sprengt, wollen wir uns das auch mal anschauen. Es ist übrigens sehr interessant, mit dem Bus in der Gegend herum, das heißt aus Peking raus, zu fahren, dort sieht man die neuen, dicht beieinander stehenden Hochhäuser für die Mittelschicht, meines Erachtens zu viele, und, wie gesagt, zu dicht gebaut. Viele scheinen unbewohnt sein. Man kann spekulieren, wann der Bauboom an seine Grenzen stößt und die Seifenblase platzt. * Heute waren wir in einem privaten Kunstmuseum, Yan Huan Art Museum (Eintritt: 5 Yuan), das der bekannte chinesische Künstler Huang Zhou gegründet hat. Es enthält vor allem Bilder aus den 1990er Jahren; im ersten Stock sind Kopien von Bildern der Ming- und Qing-Dynastien ausgestellt, deren Originale also maximal einige hundert Jahre alt sind. Insgesamt gefiel uns das, was wir hier zu sehen bekamen, besser als die stark stilisierten Naturbilder in der Nationalgalerie, deren Verständnis eine philosophische Vorbildung erfordert. Aber auch hier ist alles sehr dezent, kaum Menschen, schon gar keine Akte oder Porträts. Über einem Raum steht »Leseraum«. Neugierig, wie ich bin, gingen wir hinein. Ein freundlicher Mann, der Aufpasser, verwickelte uns in ein Gespräch. Wir fragten, wie wir es gewöhnlich tun, sogleich nach den Eigentumsverhältnissen: Sowohl der Staat als auch Privatpersonen haben Geld oder Sachmittel gegeben. Nachdem der Gründer vor ein paar Jahren gestorben ist, bestimmt ein »Vorstandsrat« die Geschicke des Museums, das sich selber tragen muß. Der Wächter entpuppte sich als ehemaliger Soldat, der hier die Kunst entdeckt hat. Oder hat ihn die Kunst entdeckt? Er fragte mich, was denn die zwei Elemente der Gesellschaft seien. Sogleich antwortete er: Mensch und Natur, und schlußfolgerte daraus, daß Mensch und Natur harmonisch zusammenleben sollten. Das hinderte ihn freilich nicht, deutsche Autos zu loben, die auch schon in China produziert würden. Dann, erfreut, einen studierten Soziologen vor sich zu haben, befragte er mich nach der Zukunft der postindustriellen Gesellschaft. Auch hier mußte ich nicht lange raten, um die Antwort zu erfahren: Kunst und Ästhetik als Hauptproduktivkräfte des Morgen. Ich fragte ihn daraufhin nach der sozialen Lage der Künstler – ob diese denn schon als Hauptproduktivkräfte anerkannt seien. Jetzt blickte er mich nachdenklich an: Nein, die soziale Lage vieler Künstler sei prekär. Die Antwort wunderte mich nicht, da in Peking ein Tanz ums goldene Kalb stattfindet. Kunst und Kultur nehmen da keinen höheren Rang ein als in Deutschland. Bestenfalls gelten sie als Standortargumente. Am Ende plädierte er für die Abschaffung der historisch überholten Nationalstaaten: Keine Kriege mehr, Völkerfreundschaft! – Eine Armee, die solche Soldaten entläßt, sollte der Feind fürchten, die anderen, wir, aber nicht. Im Keller des Museums gibt es eine kleine private Galerie; zwei Malerinnen stellen dort aus. Die gegenständlichen Bilder wirken einerseits modern, anderseits naiv: große Formate, alles etwas ent- oder doch ver-rückt, viel blaues Meer, traumhaft. Diese Bilder könnte man auch in Deutschland finden, vielleicht zielen sie schon auf das internationale Publikum, das hier in Beijing die Luxuseinkaufspassagen bevölkert.
Erschienen in Ossietzky 2/2005 |
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