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Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts. – Sie haben laut Frankfurter Rundschau einen noch weitergehenden Abbau des Staates verlangt. Außerdem wünschen Sie, daß nicht Gewerkschafter und Angestellte, sondern niedergelassene Ärzte, freiberufliche Rechtsanwälte und Bauern Bundestagsabgeordnete werden, denn nur solche Leute seien »unabhängig«. Wäre es da nicht am praktischsten, das Bundesverfassungsgericht würde alle Parteien außer der Ärzte-, Anwälte- und auch Bauernpartei FDP als verfassungswidrig verbieten? Was den Staatsabbau betrifft, sollten Sie mit gutem Beispiel vorangehen: Geben Sie Ihr Amt auf!

Redaktion Frankfurter Rundschau. – In Ihrer Ausgabe zum Jahreswechsel haben Sie auf der Titelseite einen Artikel über »Katastrophen und Alltag« gebracht und diesen mit der Schlagzeile versehen: »Der Kabarettist Matthias Deutschmann über deutsche Probleme, die angesichts der großen Flut viel kleiner werden«. Gleich darunter stand ein Bericht: »Hartz IV wird Realität«. Daß soziale Grausamkeiten hierzulande »kleiner« werden, wenn in Südostasien ein Massenunglück geschieht, verbuchen wir als metaphysische Erkenntnis.

Ulla Schmidt, Bundessozialministerin. – Wenigstens den Bundestagsabgeordneten haben Sie zur Jahreswende schon mal den amtlichen Bericht über »Lebenslagen in Deutschland« zukommen lassen. Darin ist zu lesen, daß die Privatvermögen in der Bundesrepublik auf die Rekordhöhe von fünf Billionen Euro angestiegen sind – bei zunehmend ungleicher Verteilung: Die unteren 50 Prozent der Haushalte verfügen nicht einmal über vier Prozent des gesamten Nettovermögens, die obersten zehn Prozent der Haushalte über 47 Prozent. Diese Entwicklung sei, gibt der Bericht zu verstehen, leider nicht steuerbar. Die Regierung und deren Steuerpolitik, so wollen Sie uns sagen, haben damit nichts zu tun.

Jürgen Trittin, Bundesumweltminister. – Ihren Gesetzentwurf zur Stand-ortsuche für die Endlagerung des deutschen Atommülls wollen Sie noch ein halbes Jahr lang in der Schublade behalten. In der Presse wird vermutet, diese Terminverschiebung könne mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai zusammenhängen. Das leuchtet ein, denn Sie sind ein fürsorglicher Politiker: Die WählerInnen sollen nicht mit heiklen Problemen belästigt werden, bevor sie ihr Kreuzchen bei den Grünen gemacht haben.

Kurt Singer, Ossietzky-Korrespondent in den USA. – 250 000 Dollar für einen Zehner-Tisch beim Dinner anläßlich der zweiten Amtseinführung des Präsidenten George W. Bush – das erinnert wahrlich ans alte Rom. Beim Lunch, wo er nicht mitessen, aber mal »Hello« sagen wird, kostet der Tisch nur 100 000 Dollar. Ein Sitz bei der Parade ist für 25 000 Dollar an die Parteikasse der Republikaner zu haben. Sie erwähnen, wegen der Überschwemmungskatastrophe in Asien seien Bedenken laut geworden, aber man habe entschieden, daß nicht nur in drei, sondern in neun Sälen getanzt werden soll – in einem der Säle speziell im Namen der Freiheit zu Ehren der Armee. Die Vorsitzende des Festkomitees, Jeanne L. Philips, beschäftigt bei der Firma Hunt Oil in Dallas/Texas, antwortete auf die Frage, ob sie nach dem Fest einen Botschafterposten erhalten werde: »Was immer Präsident Bush für mich plant, werde ich akzeptieren.« Danke für solche Details, die Sie uns übermitteln und die wir schnell vor Redaktionsschluß noch an unsere LeserInnen weitergeben, denn: Bush ist der Trendsetter.

Otto Köhler, Ossietzky-Mitherausgeber. – Zum Siebzigsten alle guten Wünsche!

Erschienen in Ossietzky 1/2005