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Nach der umfassenden Steuerreform 2008 werden sie als »SolidarPrinzipCenter« dieses Land in eine Zukunft steuern können, die für alle da sein wird. Zukunft ist bekanntlich für alle da. So der Leitsatz der künftigen kybernetischen Beamten. Wer an diesem Grundsatz zu rütteln wagt, wird nicht einmal in einer Parallelgesellschaft geduldet werden. Der kann im Dreieck springen, also sich im Kreis drehen. Ein Grundsatzrüttler mag seinen Pythagoras am Bosporus praktizieren, hier wird er so auf Linie gebracht, daß er sich nicht erst in der Unendlichkeit schneidet – wenn dieser kleine Ausflug in die Mathematik der künftigen kybernetischen Gesellschaft gestattet ist. Zurück zur Mathematik der Steuer-Steuerung: Zunächst werden – bereits beschlossen und verkündet – ab diesem Jahr die schlimmsten Ungleichheiten beseitigt: Blumen gelten dann nicht mehr als Lebensmittel, werden also mit der vollen Mehrwertsteuer von 16 Prozent belegt. Bücher und andere Luxusartikel werden folgen und bald darauf mit dem einzuführenden »günstigen Steuersatz« berechnet: 33 Prozent Mehrwertsteuer. Denn eine lesende Nation sollte uns schon etwas mehr wert sein. Deshalb muß unverzüglich eine »Pizza-Studie« erstellt werden. Als Antwort darauf wird wiederum auf alle gelieferten, hergestellten und mit Verbrauchsdatum belegten Artikel eine »Abgeordneten-Steuer« erhoben. Aus der sind sämtliche staatliche Aufwendungen zu bezahlen. Unbedingt zu trennen sind von dieser Abgeordneten-Steuer die Kosten für Theater, Museen, Kindergärten, Suppenküchen, öffentliche Parkanlagen und Trinkwasseraufbereitung. Diese werden ab 2010 nur noch auf strikt freiwilliger Basis erhoben. Wenn die Bürger nicht bereit sind, für ihr Theater, ihre kostenlose Suppe und ihr Trinkwasser zu zahlen, werden diese Einrichtungen konsequent privatisiert oder outgesourct, was beim Trinkwasser zu einer Quellensteuer führen könnte. Die bereits heute von den Finanzämtern geübte Praxis wird in den SolidarPrinzipCentern zum Gesetz erhoben: Firmen mit einem Umsatz über zehn Millionen werden in jedem Fall steuerfrei gestellt. Falls Unternehmen mit einer Abwanderung ins Ausland drohen, erhalten sie überdies eine »Drohpotential-Zulage«, je nach Zahl ihrer besoldeten Aufsichtsräte. Die Steuerung des liberalen Staates wird sodann, spätestens 2009 ff, über eine noch gerechtere Umverteilung erfolgen. Alle geringen Einkommen erhalten zum Ausgleich eine hohe Steuerforderung, während die höheren Einkommen niedrige Steuern zahlen müssen. Diese relativ einfachen Zahlenbeispiele können über den Ansatz als »Bierdeckel-Steuer« noch optimiert werden: Jeder Bürger, der seine Einkünfte auf die freien Flächen eines Bierdeckels schreiben kann, wird besteuert. Wer dazu Bankauszüge, Aktiendepots, Aufwandsquittungen, Anwaltsrechnungen, Schweizer Immobilienpauschalen und Ehegattensplittingspreziosen benötigt, der wird grundsätzlich von jeder Steuerpflicht befreit. Die SolidarPrinzipCenter, die vormaligen Wohlstandsagenturen, erhalten im Gegenzug die Möglichkeit, alle Lohn- und Gehaltszahlungen unter neunhundert Euro im Monat ohne Angaben von Gründen einzusehen. Zwischen neunhundert und neuntausend Euro im Monat muß ein Anwalt des Vertrauens ohne islamischen Hintergrund beigezogen werde. Wer Zahlungen über diese Summe hinaus erhält, dem ist ein unbedingter Vertrauensschutz zu gewähren. Sollten die SolidarPrinzipCenter bei solchen Personen dennoch Zweifel an deren Steuerehrlichkeit haben, sind die Zweifelnden unverzüglich mit Strafgebühren zu belegen. Oberster Grundsatz wird ab 2010 sein: Der Staat hat sich für höhere Einkommen nie und nimmer zu interessieren, hingegen hat er alle Geringverdiener einer unnachsichtigen Kontrolle zu unterwerfen. 2011 schließlich wird eine Glossensteuer eingeführt. Wer Glossen zum Zwecke der Herabwürdigung der Steuermannskunst des Staates in Verkehr bringt und dafür Honorar erhält, dem wird dieses »Spottgeld bis auf Null« weggesteuert. Wer hingegen kein Honorar erhält und somit fahrlässig, bewußt und in Tateinheit Steuern hinterzieht, muß unverzüglich eine lebenslange Strafsteuer zahlen, die ausreicht, wenigstens einen Beamten der Solidaritäts-Center mit sämtlichen von dem Beamten festzulegenden pekuniären Mitteln auszustatten.
Erschienen in Ossietzky 1/2005 |
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