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Detlef Müller-Böling vom Centrum für Hochschulentwicklung (Bertelsmann) hat schon damals klar ausgesprochen, was damit im Kern beabsichtigt ist: Die Gleichheit aller Universitäten sei eine Fiktion, die nicht aufrecht erhalten werden könne. Das müsse praktisch zwei Konsequenzen haben: die freie Auswahl der Studierenden durch die Hochschulen und die Einführung von Studiengebühren. Solche Forderungen zielen auf Hierarchisierung der Universitäten ab. Die relativ gleichmäßige Verteilung der staatlichen Mittel soll zugunsten einer an sogenannten Leistungskriterien orientierten Mittelvergabe beendet werden. Als Leistungskriterium gilt vor allem die Höhe der eingeworbenen Drittmittel, also der von Unternehmen und Stiftungen empfangenen Gelder. Der finanzielle Vorsprung derjenigen Hochschulen, die aufgrund ihrer traditionellen Verbindungen zu Wirtschaft und Politik oder ihrer Fächerstruktur im Vorteil sind, wird weiter ausgebaut; die Kluft zwischen den Hochschulen wächst. Die Folgen dieser Politik sind zum Teil heute schon zu sehen. Die Anzahl der Studierenden und die der Studienanfänger gehen zurück – eine direkte Reaktion auf die Einführung von Langzeitstudiengebühren in Nordrhein-Westfalen und Hessen, auf die drohenden Gebühren für das Erststudium und die überall um sich greifenden universitären Auswahlverfahren. Allein die Langzeitstudiengebühren haben bereits zehntausende von Studierenden zur Exmatrikulation gezwungen oder zumindest gedrängt. Das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren, von dem man allgemein erwartet, daß es im Ergebnis Studiengebühren schon ab dem ersten Semester erlauben wird, hat viele Abiturienten verunsichert und mit der Aufnahme eines Studiums zögern lassen. Schließlich haben die zahlreichen Auswahlverfahren die Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze spürbar reduziert. Bei den Anglisten in München, den Architekten in Berlin, den Politikwissenschaftlern in Darmstadt oder den Soziologen in Freiburg haben die Aufnahmeprüfungen einen Rückgang der Studienanfängerzahl um 60 bis 80 Prozent bewirkt. Wenn die Abiturienten hochschulinterne Eignungstests bestehen müssen, bevor sie einen Studienplatz erhalten, können vor allem die Universitäten, die aufgrund ihres traditionellen Rufes oder ihres Umfelds besonders beliebt sind, die Kriterien für die Aufnahme immer weiter verschärfen. Sollte es zudem gelingen, die Kapazitätsverordnung abzuschaffen, wäre es ihnen sogar möglich, exklusive Elitestudiengänge mit einer sehr kleinen Zahl von Studienplätzen einzurichten, ohne die bisherigen gesetzlichen Beschränkungen beachten zu müssen. Hinter der Einführung von Aufnahmeprüfungen steht nämlich nicht nur der Gedanke, die Überlastung auf ein akzeptables Maß zu reduzieren, sondern vielfach auch die Vorstellung von Elitestudiengängen und Eliteuniversitäten. Es soll wieder einzelne Universitäten geben, die sich den Problemen der unterfinanzierten Massenhochschulen durch eine scharfe Selektion der Bewerber entziehen können. Wenn nun also das Bundesverfassungsgericht das Verbot von Studiengebühren für das Erststudium kippt, könnte dieser Prozeß weiter beschleunigt werden. Während in den Wissenschaftsministerien noch von 500 bis 1000 Euro jährlich die Rede ist, spricht die Hochschulrektorenkonferenz bereits von bis zu 3000 Euro, und einzelne Universitätsleitungen denken sogar über fünfstellige Gebühren für einzelne Studienfächer nach. Sie werden die soziale Auslese verstärken, die schon von den Auswahlverfahren ausgeht. Begünstigt sind, wie auch die Erfahrungen an renommierten Universitäten im Ausland zeigen, eindeutig die Bewerber aus dem Bürgertum. Auswahlgespräche selektieren eben nicht nur nach Leistung, sondern entscheidend auch nach Herkunft. Zwar kommen auch heute schon fast zwei Drittel der Studierenden an den deutschen Universitäten aus dem oberen Drittel der Gesellschaft, 40 Prozent aus dem oberen Siebtel, die soziale Selektivität ist aber hierzulande – verglichen mit den Elitehochschulen anderer Länder wie etwa der ENA in Frankreich oder Harvard in den USA, wo die oberen 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung 80 bis 90 Prozent der Studierenden stellen – nicht einmal halb so hoch. In Zukunft wird sich das ändern. Es wird dann Universitäten mehrerer Kategorien geben. Die der ersten und der zweiten Kategorie werden einen weit überproportionalen Teil der privaten und staatlichen Gelder erhalten und sich bei der Einstellung von Wissenschaftlern wie bei der Zulassung von Studierenden die Rosinen herauspicken können. Sie werden weit stärker als heute für den Nachwuchs des Bürgertums reserviert sein, während die Masse der Studierenden aus der breiten Bevölkerung mit Hochschulen vorlieb nehmen muß, die mangels finanzieller wie personeller Ressourcen immer schlechtere Bedingungen bieten. Zugleich werden die Universitäten entdemokratisiert. Zur Zeit ist schon eine Entmachtung der Selbstverwaltungsgremien zugunsten der Hochschulleitungen und der neu etablierten Hochschulräte im Gange. Wenn die nicht gewählten, zu 50 Prozent aus Vertretern der Wirtschaft bestehenden Hochschulräte alle strukturellen Entscheidungen maßgeblich beeinflussen oder sogar bestimmen und die Universitätspräsidenten, wie etwa im neuen hessischen Hochschulgesetz vorgesehen, von den gewählten Organen der Hochschulen kaum noch wirksam kontrolliert werden können, dann bleibt von dem (bisher schon begrenzten) demokratischen Einfluß der Hochschulmitglieder nicht mehr viel übrig. Die Universität des Jahres 2010 wird geführt wie ein Unternehmen. Die politische Kehrtwende ist damit auf allen Ebenen vollzogen. Statt sozialer Öffnung und Demokratisierung werden in Zukunft soziale Abschottung nach unten und Entdemokratisierung das Bild der Universitäten bestimmen. Michael Hartmann ist Professor für Soziologie in Darmstadt
Erschienen in Ossietzky 1/2005 |
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