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Längst sind rechtsstaatliche Dämme geborsten, bürgerrechtliche Tabus gebrochen. Wo soll das alles enden? Die »Antiterror«-Gesetze mit ihren tiefen Einschnitten in die Grund- und Freiheitsrechte sind nicht das letzte Wort. Längst werden weitere »Sicherheitspakete« geschnürt, mit denen die Sicherheitsarchitektur hierzulande umgekrempelt, der demokratische Rechtsstaat entkernt werden soll. Zwar stehen noch tragende Säulen und Werte im Weg – wie etwa das verfassungskräftige Gebot der Trennung von Geheimdiensten und Polizei, jene bedeutende Lehre, die ursprünglich aus den bitteren Erfahrungen mit der Gestapo der Nazizeit gezogen worden war. Doch schon lange wächst zusammen, was nicht zusammen gehört. In wenigen Jahren wird diese nur noch notdürftig trennende Mauer zwischen den Sicherheitsorganen vollständig überwunden, wird die Polizei verzahnt und vernetzt sein mit allen Geheimdiensten auf Bundes- und Europa-Ebene. Am Ende wird sich alles in einer Vereinigten Sicherheitsagentur zusammenfinden. Zur Erinnerung: Mit dem Trennungsgebot sollte ursprünglich verhindert werden, daß sich die Macht der Sicherheitsbehörden in einem zentralen Apparat konzentriert und sich so der demokratischen Kontrolle weitgehend entzieht. Um Machtkonzentrationen und anrüchige Maßnahmen zu verschleiern, hat sich die herrschende Sprache immer wieder phantasievoller Begriffe bedient. Die Euphemismen sind Legion, seit das Liebesministerium erfunden und ein Geheimdienst zum »Verfassungsschutz« verklärt wurde. Der gezielte Todesschuß mauserte sich zum »finalen Rettungsschuß«, der Große Lauschangriff zur »elektronischen Wohnraumüberwachung«, das Flüchtlingslager zum »Begrüßungs-camp«. Auch der völkerrechtswidrige Angriffskrieg wirkt viel menschlicher, wenn er zur »humanitären Intervention« erklärt, angeblich im Namen der Freiheit, zur Rettung der Menschenrechte geführt, als »gerechter Krieg« geheiligt wird. Der Kriegsminister wäre lieber ein Minister für Krisenbewältigung, der Polizeiminister lieber Chef eines Präventionsministeriums. Und die geächtete Folter könnte als spezielle Methode humanitärer Intervention Karriere machen und Gesetzeskraft erlangen – natürlich nur für den äußersten Notfall. Das denkbar milde Urteil gegen den Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner, der Folter androhen ließ, setzt da ein klares Signal: Folter ist zwar prinzipiell nicht erlaubt, aber bei edler Motivlage legitim und praktisch straffrei. Dieses Urteil paßt in eine Zeit, in der manche politischen Verantwortungsträger und Rechtsexperten vom absoluten Folterverbot der internationalen Menschenrechtskonventionen abrücken – unter Beifall eines Großteils der leserbriefschreibenden Bevölkerung. Nach dem Motto: Wo gekämpft wird, da rinnt Blut. Die Bereitschaft zur Brutalität wächst mit der Größe des Feindbildes – im Kampf gegen das Böse, gegen Schurken, Terroristen und Kindermörder gibt es keine Tabus. Die Folterszenen von Abu Ghraib und Guantánamo strahlen weit hinein nach Europa, in die Bundesrepublik, auf ihre Polizei und Bundeswehr. Das zeigt die öffentliche Debatte um den Fall Daschner, das zeigen auch die exzessiven Folterübungen bei der Bundeswehr, die sich auf internationale Einsätze in aller Welt vorbereitet – und dabei zur Folterschule der Nation werden könnte. Folter in Deutschland? Eigentlich nicht! Wenn aber doch, dann muß alles rechtsstaatlich und hygienisch zugehen. Dann wollen wir auch nichts mehr von nackter Folter hören, sondern allenfalls von »Rettungsfolter«, besser noch von »verschärfter Vernehmung«, so schon die Formulierung im Protokoll der Besprechung im Reichsjustizministerium über Folter an Häftlingen vom 8.6.1937. Und ein Gesetz muß dazu her – der Satiriker Dietrich Kittner machte schon früher mal den Vorschlag, ein solches Regelwerk »Gesetz zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit« zu nennen. Damit würde klargestellt, daß die Rettungsfolterer edler Gesinnung sein müssen und daß nur zur Rettung von Leib und Leben gefoltert werden darf. Selbstverständlich mit Richtervorbehalt und Rechtsschutz, Aidshandschuhen und Mundschutz, ärztlicher Überwachung, geistlichem Beistand und allen sonstigen Schikanen, die dieser Rechtsstaat zu bieten hat. Die Foltermethoden werden in einem Katalog genau festgeschrieben, um jede Willkür zu verhindern. Hart trainierte Kampfsportler werden bei der Bundeswehr zu Folterspezialisten fortgebildet. Sie dürfen sich künftig Gefahrenabwehrspezialisten oder verschärfte Vernehmungsbeamte nennen. Sie sollen den mutmaßlichen Delinquenten mit dosierter Schmerzzufügung zu Aussagen zwingen – keinesfalls zu Geständnissen, nur zur Preisgabe von Informationen, die der Gefahrenabwehr dienen. Sollte dabei zusätzlich ein Geständnis herausspringen, um so besser. Foltermaßnahmen dürfen nur auf Anordnung durch den Behördenleiter oder seinen Vize erfolgen – und nur, sofern sie keine sichtbaren Folgen hinterlassen. Ausgenommen sind polizeiliche Scheinhinrichtungen: Obwohl die keine sichtbaren Schuß- oder Strangulierungsverletzungen zeitigen, sind sie verboten, solange die Todesstrafe nicht wieder eingeführt ist. Die Folterwerkzeuge müssen im übrigen DIN-genormt sein. Folterüberwachungsärzte, die eine Zusatzausbildung erhalten, untersuchen die Betroffenen vor der Behandlung und legen die Art und Intensität der Folter aus ärztlicher Sicht fest. Und sie passen auf, daß der Delinquent nicht kollabiert. Die Quälereien und Reaktionen müssen protokolliert, in Wort und Bild per Video dokumentiert werden – aus Datenschutzgründen sind diese Unterlagen nach fünf bis zehn Jahren zu löschen. Nach der Spezialbehandlung muß jedem Gefolterten eine ärztliche und psychotherapeutische Behandlung angeboten werden – hierfür könnten die Behandlungszentren genutzt werden, die bislang Folteropfer aus aller Welt behandeln. Auch die Folterer werden psychologische Unterstützung brauchen. Und zu guter Letzt wird natürlich die parlamentarische Kontrolle gewährleistet, wozu eigens ein Kontrollgremium eingeführt wird, das den Folterern auf die blutigen Finger schaut. Die Wiedereinführung des Inquisitionsverfahrens – bloße Satire? Böser Traum? Science Fiction? Nun, führende Grundgesetz-Kommentatoren haben schon mal vorgesorgt, denn nichts soll dem Zufall überlassen bleiben. So ist im »Maunz-Dürig« und im »Bleibtreu/Klein« die in Artikel 1 Grundgesetz für unantastbar erklärte Menschenwürde bereits relativiert und im Zuge einer Rechtsgüterabwägung für antastbar erklärt worden. Der Weg vom demokratischen Rechtsstaat zum präventiven Unrechtsstaat ist tatsächlich kürzer, als man denkt. Der frühere Düsseldorfer Polizeipräsident Hans Lisken schon frühzeitig vor einer solchen »Sicherheitspolitik«: »Das alles wird ›rechtsstaatlich‹ verlaufen, so daß die Mehrheit den fließenden Übergang vom Rechtsstaat zum Unrechtsstaat ... gar nicht bemerken wird.«
Erschienen in Ossietzky 1/2005 |
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